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"Diseñadoras. (Re)diseñando el mundo" im Instituto Cervantes, Prague


Veröffentlicht am 09.12.2024

Passend zum Thema der Zagreb Design Week 2024 „Breaking the Glass Ceiling“ eröffnete das Instituto Cervantes in Prag anlässlich der Designblok Prague 2024 die Ausstellung “Diseñadoras. (Re)diseñando el mundo”. Die Ausstellung präsentiert und diskutiert die Arbeiten, Positionen und Herangehensweisen von 12 zeitgenössischen spanischen Diseñadoras, Designerinnen, und stellt gleichzeitig Fragen zum zeitgenössischen Design.

Diseñadoras. (Re)diseñando el mundo, Instituto Cervantes, Prague
"Diseñadoras. (Re)diseñando el mundo" im Instituto Cervantes, Prag

Die Ausstellung erkundet zeitgenössisches Design anhand von Projekten aus einem breiten Spektrum von Designgattungen, die seit 2016 von einem “Dutzend Designern, die die Welt neu gestalten”, realisiert wurden. Warum 2016? Wir wissen es nicht, aber wir finden es gut, dass es eine Altersgrenze für die Projekte gibt und dass sie in den letzten zehn Jahren und nicht in den Covid-Jahren entstanden sind.

Wie der Titel schon andeutet, konzentriert sich die Ausstellung auf Projekte, Ansätze, Positionen als Beiträge zu einem “(Re)diseñando el mundo”, einer (Neu-)Gestaltung der Welt. Darunter verstehen die Kuratoren den „Aufbau (einer) neuen, nachhaltigeren und inklusiveren Welt“. Die Beiträge sollen eine Abkehr von Victor Papaneks Warnung verkörpern, dass „es Berufe gibt, die schädlicher sind als Industriedesign, aber nur sehr wenige“1 . Design soll nicht länger als Werkzeug der Industrie, sondern als Werkzeug der Gesellschaft verstanden werden. Diese Wende hat das Design in den letzten Jahren vollzogen, aber es ist eine fragile Entwicklung, die allzu leicht ins Stocken geraten kann.

Die Ausstellung zeigt Projekte, die sich auf neue Materialien und Prozesse konzentrieren. Dazu gehört auch die 3D-gedruckte Tischlampe Gurumelo von Marta Ayala, bei der es um die Eigenproduktion von Gebrauchsgegenständen statt um Konsum geht. Hier geht es um PIY statt DIY, um Open Design statt Possessive Design. 

Mirian Miguels Nodriza Milchkännchen und Untertasse sind wiederum aus Kasein hergestellt, dem Phosphoprotein, das in Milch vorkommt. Bei Mirians selbst hergestelltem Kasein handelt es sich um teilentrahmte Schafsmilch, die als Basis für einen Biokunststoff und damit für Gegenstände zur Aufbewahrung von Milch, Schafsmilch oder anderen Materialien verwendet werden kann. 

Bei Tailored Body von Ines Sistiaga wiederum werden aus 3D-Scans menschlicher Körperteile mit Hilfe einer Strickmaschine maßgeschneiderte Objekte hergestellt, die auf die individuellen Bedürfnisse des Einzelnen eingehen, ideal z.B. für alle, die orthopädische Stützen benötigen. Das System von Ines ermöglicht beispielsweise die gezielte Anwendung von Druck und/oder Wärme.

Projects by Mirian Miguel (l) and Marta Ayala (r), as seen at Diseñadoras. (Re)diseñando el mundo, Instituto Cervantes, Prague
Projekte von Mirian Miguel (links) und Marta Ayala (rechts), zu sehen bei Diseñadoras. (Re)diseñando el mundo, Instituto Cervantes, Prag.

Die Wege in die Zukunft werden unter anderem auch durch die Metallarbeiten von Cristina Omarrementería illustriert, beleuchtet und kartographiert. Projekte wie Escenario Mediterráneo und Iron Flowers sind in vielerlei Hinsicht Schmiedearbeiten. Bei Escenario Mediterráneo handelt es sich konkret um einen gusseisernen Stuhl und eine gusseiserne Vase, die vom Material ihrer Konstruktion inspiriert sind. Iron Flowers ist ein Gartenstuhl, dessen Gestell aus gedrehtem Eisen besteht und dessen Sitzfläche und Rückenlehne aus Eisengeflecht gefertigt sind. Zwei Projekte mit einer sehr kommunikativen brutalistischen Ehrlichkeit, die auf mehreren Ebenen funktionieren.

Das Projekt Proxecto Bolina von Amalia Puga basiert auf der traditionellen galicischen Technik des Webens von Fischernetzen und verwendet Materialien aus dem Meer. So ist  eine Reihe von Objekten entstanden, im Rahmen von (Re)diseñando el mundo handelt es sich um eine Lampe und einen Hocker.

 Mit Andrés Reisinger hat Júlia Esqué bereits den Hortensia Chair entworfen, eine Arbeit, die - wie in “Science Fiction Design: From Space Age to Metaverse” im Vitra Design Museum Schaudepot, Weil am Rhein, diskutiert - im Metaverse begann, bevor sie ein physisches Produkt wurde. Dies ist an sich schon ein aufschlussreicher Ansatz für die Beziehungen zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. In “(Re)diseñando el mundo” ist Júlia Esqué mit ihren Papiergewebe-Experimenten vertreten, die in Zusammenarbeit mit Paloma Wool entstanden sind. Dabei handelt es sich um Papiergewebe, die teils mit digitaler Computertechnologie, teils mit analogem Papier und Schere entwickelt wurden und es ermöglichen, scheinbar unmögliche farbige Gewebe zu kreieren, wie es einst Bernat Klein mit einem fast ebenso einfachen Trick gelang.

Der Tenor von “(Re)diseñando el mundo” impliziert, dass von uns allen eine offene und unvoreingenommene Auseinandersetzung mit den Fragen der Zukunft gefordert wird. Diese Auseinandersetzung muss sich von den dogmatischen Ideologien befreien, die Architektur und Design in früheren Generationen verkörpert haben. Die Ausstellung fordert daher ein wachsendes Verständnis dafür, dass Design nicht nur ein mächtiges Werkzeug der Veränderung ist, sondern auch ein Vorschlag, eine spekulative Disziplin, ein Ausgangspunkt für einen Diskurs.

Projects by Cristina Omarremetería (r) and Verònica Fuerte (l), as seen at Diseñadoras. (Re)diseñando el mundo, Instituto Cervantes, Prague
Projekte von Cristina Omarremetería (rechts) und Verònica Fuerte (links), zu sehen bei Diseñadoras. (Re)diseñando el mundo, Instituto Cervantes, Prag.

Die Texte in der Ausstellung sind größtenteils zweisprachig Tschechisch/Spanisch .... Warum nicht, schließlich ist sie im Instituto Cervantes in Prag zu sehen.

“(Re)diseñando el mundo” ist hauptsächlich mit Fotografien illustriert, zeigt aber auch reale Objekte und bietet eine einfache Einführung in die Arbeiten, Positionen und Herangehensweisen der 12 ausgewählten Künstlerinnen und Künstler und lädt dazu ein, diese Arbeiten, Positionen und Herangehensweisen nicht nur ein wenig besser kennenzulernen, sondern sie vor allem im Kontext der gegenwärtigen und zukünftigen Gesellschaft zu betrachten, sei es in Spanien, in der Tschechischen Republik oder wo auch immer.

Eine solche Ausstellung birgt immer die Gefahr, als bloßer Ausruf verstanden zu werden: „Oh, seht, Frauen können entwerfen! Wer hätte das gedacht!“ Sie läuft Gefahr, als eine Form der Ghettoisierung interpretiert zu werden. Tatsächlich haben Männer lange Zeit eine unangefochtene Vormachtstellung genossen - sei es bei der Gestaltung innovativer Ansätze in Architektur und Design oder bei der Vergabe von Museumsausstellungen und staatlichen Fördermitteln. Das Ergebnis ist eine Welt, die sowohl physisch als auch konzeptionell weitgehend von Männern für Männer gestaltet wurde. Um jedoch eine echte und nachhaltige Neugestaltung der Welt zu erreichen - eine, die innovative Materialien, Prozesse und Beziehungen in einen Kontext von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft einbezieht - braucht es nicht nur neue Perspektiven, sondern auch neue Designer*innen. Insbesondere braucht es mehr prominente und führende Designerinnen. Wie Eileen Gray in dem "Film E.1027 - Eileen Gray and the House on the Sea" über ihre Villa E.1027 sagt: "Vielleicht könnte ich mir ein anderes Haus vorstellen, und dann könnte ich mir eine andere Welt vorstellen. Menschen haben die Welt bis hierher gestaltet - aber wer wird sie von nun an gestalten?

Letztlich kommt es darauf an, wie man eine solche Präsentation liest: Man kann sie als Designausstellung lesen oder als Ausstellung über 12 Designerinnen. Unser Tipp ist ersteres. Nicht zuletzt, weil man dann seine eigenen Fragen an das zeitgenössische Design und die Gesellschaft von heute und morgen besser formulieren lernt.

“Diseñadoras. (Re)diseñando el mundo” läuft noch bis Freitag, 31. Januar, im Instituto Cervantes, Na Rybníčku 536/6, 120 00 Prag 2. Der Eintritt ist frei.

Mehr Informationen unter https://praga.cervantes.es.

“Diseñadoras. (Re)diseñando el mundo” wurde bereits in Bukarest im Rahmen der Rumänischen Designwoche 2024 gezeigt und wir gehen davon aus, dass die Ausstellung in den kommenden Jahren in einem Instituto Cervantes in Ihrer Nähe zu sehen sein wird. Möglicherweise, aber nicht notwendigerweise im Rahmen einer Designwoche/eines Festivals.

Projects by Eli Gutiérrez (front) and Raquel Buj (rear), as seen at Diseñadoras. (Re)diseñando el mundo, Instituto Cervantes, Prague
Projekte von Eli Gutiérrez (vorne) und Raquel Buj (hinten), zu sehen bei "Diseñadoras. (Re)diseñando el mundo", Instituto Cervantes, Prag
The project Proxecto Bolina by Amalia Puga, as seen at Diseñadoras. (Re)diseñando el mundo, Instituto Cervantes, Prague
Das Projekt Proxecto Bolina von Amalia Puga, zu sehen bei "Diseñadoras. (Re)diseñando el mundo", Instituto Cervantes, Prag
Projects by Helena Rohner, as seen at Diseñadoras. (Re)diseñando el mundo, Instituto Cervantes, Prague
Projekte von Helena Rohner, zu sehen bei "Diseñadoras. (Re)diseñando el mundo", Instituto Cervantes, Prag
The project Tailored Body by Ines Sistiaga, as seen at Diseñadoras. (Re)diseñando el mundo, Instituto Cervantes, Prague
Das Projekt Tailored Body von Ines Sistiaga, zu sehen bei "Diseñadoras. (Re)diseñando el mundo", Instituto Cervantes, Prag
Paper weaving by Júlia Esqué, as seen at Diseñadoras. (Re)diseñando el mundo, Instituto Cervantes, Prague
Papierweben von Júlia Esqué, zu sehen bei "Diseñadoras. (Re)diseñando el mundo", Instituto Cervantes, Prag

1Victor Papanek, Design for the Real World. Human ecology and social change, Thames & Hudson, 1985, Preface

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