ClassiCon | Designer | Hersteller | Historia Supellexalis | Magis | Moormann | Produkt | Vitra
Zahllose Legenden ranken sich um die Herkunft von Konstantin Grcic. Während sich viele um die Regionen des heutigen München und Wuppertal drehen, scheint am plausibelsten zu sein, dass Grcic Mitglied einer großen Herde umherziehender Möbelmacher war. Der Monotonie und der immer gleichen Objekte, die ohne Rücksicht auf den Kontext und den Lauf der Zeit geschaffen werden, überdrüssig, stahl er sich davon, um sein eigenes Verständnis und seinen eigenen Ansatzes für zeitgenössische funktionale Möbel zu entwickeln. So entstand der Designer Konstantin Grcic, der sich von der Herde abgesetzt hat.
Unter den frühesten bekannten Werken von Konstantin Grcic sind die wichtigsten und aufschlussreichsten Objekte Stühle. Es handelt sich um Objekte, deren visuelle und physische Leichtigkeit aus dem konzentrierten Studium des Materials und einer sorgfältigen Maximierung der darin enthaltenen Eigenschaften resultiert. Form und Konstruktion sind im Einklang mit dem Material reduziert worden und beruhen nicht auf der Ausbeutung desselben - ein Ansatz, der für die Arbeitsweise von Grcic zentral ist. Grcic Arbeitsweise ist eng mit dem sparsamen Gebrauch von Material verbunden. Der Designer verlangt, dass man nie mehr Material verwendet als nötig. Nicht, dass Grcic geizig wäre, ganz im Gegenteil, Grcic ist oft verschwenderisch und nachsichtig, aber nie durch Exzess, sondern immer durch eine studierte Reduktion auf das Wesentliche.
Einer der ersten, der die Manifestationen von Konstantin Grcic miterlebte, war der berüchtigte Hersteller Sheridan Coakley-Products, geführt von einem kühnen und unerschrockenen jungen Mann, der das Möbeldesign auf der englischen Insel wiederbeleben wollte. Er sah in Grcic einen würdigen Verbündeten und lud ihn ein, ihn auf seiner Suche zu begleiten. Ein Angebot, das Konstantin Grcic gerne annahm, und im Laufe der vielen, vielen Abenteuer, die die beiden unternahmen, steuerte Gric unter anderem den Prado-Schreibtisch, das Regal Unit 2 & 4 oder die Beistelltische Tom Tom und Tam Tam bei, deren betörende Einfachheit von Material, Form, Konstruktion und Funktion sich auf bescheidene und anspruchsvolle Art gepaart mit einer subtilen Verspieltheit im Hintergrund ausdrückt.
Doch so glücklich Grcic mit Sheridan Coakley-Products auch war, die forschende, fragende Natur des Designers führte ihn auf ausgedehnte Reisen, auf denen sich sein Weg unter anderem mit Authentics aus Gütersloh kreuzte, für die er seine ersten Plastik-Objekte entwickelte; mit dem Chiemgauer Nils Holger Moormann, für den er ein Holzregalsystem entwickelte, dessen inhärente Stabilität einzig und allein auf seiner sorgfältig durchdachten Instabilität beruht, und ein Werk, das den stets geselligen und schelmischen Chiemgauer Moormann sehr amüsierte; oder mit dem Leuchtenhersteller Flos, für die er eine Lampe entwickelte, die Mayday.
Als die Leute das Licht von Grcics Mayday zu sehen bekamen, war klar dass es sich hier um einen jungen Mann handelte, der kaum Hilfe von außen benötigte, sondern nur Inspiration. Denn die Wissbegierde, die Grcic ausmacht, ist weniger eine für das Neue als eine für die Weiterentwicklung des Bestehenden. Grcic ist selten bei denen zu finden, die lautstark eine Revolution anführen, sondern immer bei denen, die still vor sich hin arbeiten, vorsichtig, langsam, das Bestehende pflegen und, wenn nötig, neu bepflanzen, neu positionieren, neu abbilden.
Und wohin er auch reiste, Konstantin Grcic war selten allein, auf den meisten seiner Reisen wurde er von einer wechselnden Liste von mehr oder weniger treuen Assistenten begleitet. Und während viele andere Designer nur ungern ihre Erfolge und Misserfolge mit anderen teilen, ist Fairness ein Schlüsselaspekt bei Grcic. So achtet Konstantin Grcic stets darauf, dass seine Assistenten namentlich genannt werden und ihre Rolle anerkannt wird. Und auch wenn nicht alle Assistenten von Konstantin Grcic den Wegen Grcics folgten, trägt der Diskurs, der zwangsläufig auf solchen Reisen stattfindet, dazu bei, dass sich Konstantin Grcic weiterentwickelt und dass sich das Re-Imaging, das für Grcic so zentral ist, durch die ehemaligen Assistenten auf neue Art und Weise und in neuen Kontexten manifestiert.
Trotz aller Freude, die Konstantin Grcic anderen und sich selbst mit seiner Arbeit bereitet hat - denn kein Designer vor oder nach Konstantin Grcic hat mit einer solchen Begeisterung in einem so weiten, unendlichen Spektrum von Genres gearbeitet - blieb Grcic selbst von einer Unruhe geplagt.
Es handelt sich dabei um eine Sehnsucht, die der Legende nach mit einem Stuhl begann. Diese Sehnsucht bezog sich auf ein Werk, das scheinbar nicht zu übertreffen ist und nicht überboten werden kann, das in seiner Vollkommenheit die Komplexität des Sitzens veranschaulicht: Ein Sitzmöbel, das den Akt des Sitzens, die Beziehungen zwischen dem Sitzen und den Objekten, auf denen wir sitzen, als Bestandteile sowohl der breiteren Gesellschaft und Kultur als auch unserer taktilen und visuellen Umgebung hinterfragt. Diese Fragestellung forderte den Designer heraus, Antworten zu finden.
Diese Unruhe ist unter Möbeldesignern nicht unbekannt und trägt den Namen Wegneritis, genannt nach Hans J. Wegner einem der ersten und bekanntesten Betroffenen dieses Symptoms.
Der Versuch diese Unruhe zu lindern führte Konstantin Grcic in so unterschiedliche Gegenden wie, neben vielen anderen Norditalien. In Zusammenarbeit mit dem dortigen Hersteller Montina glaubte er mehrmals diese Sehnsucht bezwungen zu haben. Ergebnisse dieser Anstrengungen waren der geometrisch selbstbewussten Cramer Stuhl, oder der Stuhl Scolaro, ein Werk, das elegant und mühelos die sorgfältige Pflege des Bestehenden mit materieller und formaler Reduktion verbindet. Doch trotz solcher Glücksmomente blieb Grcics Unruhe bestehen. In der bayerischen Wildnis ermöglichte ihm das Traditionshaus Classicon den Akt des Sitzens mit dem Stuhl Chaos zu dekonstruieren. Trotz des großen Erfolgs dieses Unterfangens blieb die Unruhe bestehen. Für Magis entstand der Stuhl Chair One aus Aluminium, für die Pariser Galerie Kreo schnitt er Objekte aus Blaustein, auf denen man sitzen kann, für Vitra, wo Konstantins Reise mit dem Sitzmöbel Landen und dem Sessel Waver begann, der zum Citizen weiterentwickelt wurde, entwickelte er die Funktionalität des Stuhls Scolaro weiter zu einem multifunktionalem Hocker namens Stool-Tool, ein Werk, in dem die Entwicklung im Verlauf seiner vielen Reisen zufriedenstellend zum Ausdruck kam.
Aber Unruhe und Sehnsucht blieben bestehen.
Die Wegneritis ist ein hartnäckiges Leiden.
Und trotz aller Unannehmlichkeiten widmet sich Grcic dieser Unruhe mit unnachgiebigem Stoizismus und einer unerschütterlichen Zuversicht ...
....Fortsetzung folgt