Zu den vielen Aspekten, die die Entwicklung des Möbeldesigns und der Innenarchitektur in den letzten 120 Jahren beeinflusst und geprägt haben, muss man zweifellos die Entwicklung der Farben zählen.
Während Farben in den vergangenen Jahrhunderten in Sachen Verfügbarkeit, Auswahl und Haltbarkeit beschränkt waren, gab es in den letzten Jahrzehnten in dieser Hinsicht große Fortschritte. Daraus haben sich nicht nur immer mehr Möglichkeiten bei der Verwendung von Farben ergeben, auch die Erforschung der psychologischen Wirkung von Farben und der Farbwahrnehmung ist immer weiter fortgeschritten. Das führte wiederum zu einer immer ausgeklügelteren Verwendung von Farbe im Marketingbereich und damit zu einer schleichenden Kommerzialisierung von Farbe.
Mit der Installation “Colour Rush!” verwandelt die Rotterdamer Designerin Sabine Marcelis das Vitra Design Museum Schaudepot in einen Raum, der bestens geeignet ist für differenzierte Betrachtungen zum Thema Farbe im Zusammenhang mit Möbeln und Innenräumen. Marcelis ermöglicht damit nicht nur neue Einblicke in die Sammlung des Vitra Design Museums, sondern auch in das, was diese Sammlung uns über Möbel und Innenarchitektur aus den letzten 120 Jahren lehren kann.
Grundlage der Sammlung des Vitra Design Museums ist die Sammlung des ehemaligen Vitra-Geschäftsführers Rolf Fehlbaum, die 1989 in das Vitra Design Museum überging und seitdem zu einer Schatzkammer mit rund 7000 Möbelobjekten, 1000 Beleuchtungsobjekten und rund 1000 Spielzeugrobotern sowie unzähligen weiteren Gebrauchsgegenständen aller Art angewachsen ist. Die meisten der Exponate verbringen den größten Teil ihrer Zeit in den Regalen der Lagerräume. Um zur Förderung und Entwicklung des Verständnisses von Design und Designgeschichte in der Bevölkerung beizutragen, müssen sie jedoch ausgestellt werden.
Mit der Eröffnung des Schaudepots im Jahr 2016 hat das Vitra Design Museum Raum für eine ständige Sammlungsausstellung und damit die Möglichkeit geschaffen, zumindest einen Teil dieser Sammlung seiner musealen Funktion zuzuführen.
Die ständige Sammlungsausstellung wird durch drei Ausstellungen pro Jahr im Schaudepot erweitert, die die größere, immer noch an das Depot gebundene Sammlung für thematische und monografische Präsentationen nutzen. Zu diesen Ausstellungen gehörten neben vielen anderen: “Gae Aulenti: Ein kreatives Universum”, “Hans J. Wegner: Designing Danish Modern” oder “Living in a Box. Design und Comics”.
Zuvor hatte das Vitra Design Museum 2021 mit “Spot On: Designerinnen in der Sammlung” eine einjährige Sonderausstellung im Schaudepot initiiert, die nicht nur im Schaudepot stattfand, sondern in die ständige Sammlungsausstellung eingriff und sich diese für ihre Zwecke aneignete. So wurde die ständige Sammlungsausstellung gewissermaßen reorganisiert und rekuratiert.
Als Teil eines hoffentlich noch andauernden Versuchs des Vitra Design Museums, das Ungleichgewicht in der Sammlung zu korrigieren, wurde für “Spot On” die Anzahl der vertretenen Designerinnen in der Dauerausstellung erhöht.
Für “Colour Rush!” hat Sabine Marcelis die Dauerausstellung der Sammlung wiederum nicht nur neu arrangiert, organisiert und kuratiert, sondern auch nach Farben geordnet. So hat Marcelis, wenn man so will, einen Regenbogen im Vitra Design Museum Schaudepot geschaffen.
Es handelt sich jedoch nicht um einen exakten Regenbogen.
Es sind zwar einerseits alle relevanten Farben vorhanden, sie sind aber nicht in der bekannten Reihenfolge angeordnet. Außerdem gibt es zwei zusätzliche Farben: Braun und Silber. Bei ersterem handelt es sich im Wesentlichen (aber nicht ausschließlich) um Hölzer in ihrer natürlichen Beschaffenheit. Dazu gehören beispielsweise die gebogene Buche des Thonet Stuhls No. 14, das geflochtene Rattan des E10 Sessels von Egon Eiermann oder das geformte Birkensperrholz des Stuhls Lilla h von Caroline Schlyter. Beim Silber handelt es sich wiederum im Wesentlichen (aber nicht ausschließlich) um Metalle in ihrem natürlichen Zustand. Dazu gehören unter anderem Harry Thalers Pressed Chair für Nils Holger Moormann, ein Stuhl, der aus einem einzigen Stück Aluminiumblech gepresst wurde, Muller van Severens Wire S #4, die Nachbildung einer gebogenen Matratze, die als Liege aus Stahldraht gefertigt wurde, oder Alfred Zeffners Barwagen GT 74 aus den frühen 1930er Jahren, bei dem verchromte Stahlrohre eingesetzt werden.
Neben den beiden “Nicht-Regenbogen-Farben” sind in “Colour Rush!” auch drei Nicht-Farben vertreten: Weiß, Schwarz und Transparent, letzteres z. B. in Form eines Tisches von Jacques Adnet und René Coulon aus den 1930er Jahren, dessen Platte und Beine aus Glas gefertigt sind. Hinzu kommt der Loungesessel Lily aus Acrylglas von Estelle & Erwine Laverne aus den 1950er Jahren. Ein überaus verführerisches Objekt, das fast etwas Disneyhaftes an sich hat. Fehlen darf hier natürlich nicht der Sessel Louis Ghost aus Polycarbonat von Philippe Starck für Kartell aus dem Jahr 2000. Diese Präsentation macht auch deutlich, dass die Entwicklung neuartiger Materialien es den Designern ermöglicht, dieselben Ergebnisse auf immer effizientere, praktischere, kostengünstigere und langlebigere Weise zu erzielen.
Diese regenbogenfarbene Präsentation wird durch kurze Diskussionen über das Farbverständnis von Albert Henry Munsell, Le Corbusier, Alexander Girard, Verner Panton, Hella Jongerius und Sabine Marcelis erweitert und unterstützt. Diese Exkurse erlauben es, über die Farben hinauszugehen und sich mit der Klassifizierung und der Art und Weise zu befassen, mit der wir versuchen, Farbe zu standardisieren und zu organisieren.
Während die herkömmliche Ordnung der Farben jedoch dazu neigt die Wertschätzung der Farbe und dessen, was Farbe ist und sein kann, einzuschränken und zu begrenzen, erlaubt Marcelis' Ordnung bei “Colour Rush” unser Verständnis von Farbe zu erweitern und zu vertiefen, insbesondere im Zusammenhang mit Farbe, Möbeln und Innenarchitektur.
Verner Panton hat einmal behauptet, dass man auf einer Farbe, die man mag, besser sitzt. Das stimmt eindeutig nicht. Andererseits ist seine Aussage doch sehr zutreffend, wenn man akzeptiert, dass Farbe bestimmte Impulse, Emotionen und Assoziationen auslöst. Das heißt Farbe kann eine Komponente sein, die für die Reaktion eines Individuums auf ein bestimmtes Werk ebenso entscheidend ist, wie das Material, aus dem es hergestellt ist, oder die Art der jeweiligen Interaktion.
Diesem Umstand kann man sich in “Colour Rush!” durch die vielen sehr vertrauten Objekte annähern, die in relativ ungewohnten Farbtönen präsentiert werden: Ist zum Beispiel Hans J. Wegners Ox Chair in Gelb weniger dominant und abschreckend als in Ochsenbraun? Ist der aufblasbare Loungesessel Blow von De Pas, Lomazzi, D'Urbino & Scolari in rosafarbenem PVC langlebiger, weniger vergänglich als in kristallklarem PVC? Oder ist ein lilafarbener Heart Chair von Verner Panton der roten Version vorzuziehen? Würde das Marilyn-Sofa von Studio65, wenn es nicht in seinem vertrauten leuchtenden Rot mit den kirschroten Lippen wie in “Colour Rush!” präsentiert würde, sondern in einem gespenstischen Hellblau, auf ein Echo stoßen?
Solchen Überlegungen schließt sich natürlich die Frage an, warum Möbelstücke eigentlich die Farben haben, die sie haben.
Wie “Colour Rush!” deutlich macht, haben einige Objekte eine sehr direkte Beziehung zu ihrer Farbe: Der Pouf Tressé von Amadou Fatoumata Ba beispielsweise ist schwarz, weil er aus recycelten Reifen hergestellt wurde; die Nuvola-Lampe von Marcello Pietrantoni und Roberto Lucci ist weiß, weil eine idealisierte weiße Wolke eine bessere Lampe ergibt als eine idealisierte schwarze Gewitterwolke; der Lassù-Sessel von Alessandro Mendini ist schwarz, weil Mendini ihn angezündet hat. Und der Bush-Fernseher aus den 1940er Jahren ist braun, weil das die natürliche Farbe von Bakelit ist, ebenso wie das experimentelle Modell des gleichnamigen Kunststoff-Freischwingers von Verner Panton aus dem Jahr 1973 rauchbraun ist, weil das die natürliche Farbe von Polycarbonat ist. Bei kristallklarem und farbigem Polycarbonat handelt es sich hingegen um neuere Entwicklungen, die in “Colour Rush!” durch Philippe Starcks bereits erwähnten Louis Ghost aus kristallklarem Polycarbonat und Karim Rashids roséfarbenen Beistellstuhl aus Polycarbonat für Bonaldo vertreten sind.
Andere Objekte haben eine eher konzeptionelle Beziehung zu ihrer Farbe: Das bunte Braun von George Nakashimas Conoid Bench beispielsweise ist zwar der Maserung und den Unregelmäßigkeiten des amerikanischen Schwarznussbaums geschuldet, dass es aber nicht zu einer Einheit geschliffen oder gestrichen wurde, hängt in erster Linie mit Nakashimas Beziehung zur Natur und seinem Umgang mit Materialien zusammen. So ist Holz für Nakashima ein Material, mit dem man arbeitet, anstatt es zu bearbeiten. Außerdem tritt der Designer so für die handwerkliche Produktion und das Unikat ein. All das in den späten 1950er Jahren in Amerika als industrielle Produktion, Fiberglas und immer neue synthetische Kunststoffen in immer helleren Farben auf dem Vormarsch sind. Wir würden die Conoid Bench nicht als einen Akt des Widerstands bezeichnen, aber sie ist sicherlich ein Vorschlag für eine Alternative.
Dass Hauke Odendahls Union Chair blau ist, liegt wiederum daran, dass es sich hier um eine Interpretation der Europäischen Union in Form eines Stuhls handelt (daher das EU-Blau ist); Jasper Morrisons Thinking Man's Chair ist rot, weil Morrison das erste Exemplar mit roter Oxidfarbe als Rostschutz gestrichen hat. Es handelt sich somit um eine Farbe, die, wie Morrison sagt "eher funktional als dekorativ" ist; Die Idee eines Baumes von mischer'traxler ist grün gefärbt, weil sie von einer autonomen Maschine gewebt wurde, die je nach Sonnenintensität im Laufe eines Tages schneller oder langsamer webt und dabei dickere oder dünnere Garnstapel hinterlässt, was bedeutet, dass Form und Farbintensität wellenförmig verlaufen.
Beim Betrachten von “Colour Rush!” wird einem jedoch sehr wohl bewusst, dass die meisten der ausgestellten Objekte keine besondere Beziehung zu ihrer Farbe haben, sondern einfach so aussehen, weil jemand beschlossen hat, dass sie diese Farbe haben. Und oft ist diese Farbe nur eine von vielen, in denen das Objekt erhältlich ist/war. Die meisten Objekte könnten also genauso gut woanders in “Colour Rush!” platziert werden, wenn die Sammlung des Vitra Design Museums sie in anderen Farben besäße. Und tatsächlich findet sich Naoto Fukasawas Stuhl aus dem Jahr 2007 zweimal, in kristallklarem Acrylglas und in orangefarbenem Polyurethan, zusätzlich zu den unzähligen anderen Materialien und Farben, die im Lager des Vitra Design Museums vorhanden sind.
Aber wer entscheidet, welche Farben verfügbar sind, wenn ein Möbelstück keine angeborene Farbe besitzt? Und auf welcher Grundlage?
Solche Fragen werden nur sehr selten gestellt, weil wir alle dazu neigen, das, was uns angeboten wird, unhinterfragt in Kauf zu nehmen. Dabei sollten und müssen solche Fragen gestellt werden. Nicht zuletzt deshalb, weil Farbe kein passiver Bestandteil unserer bewohnten Umgebung ist. Man kann den unzähligen psychologischen Assoziationen, die Farben zugeschrieben werden, zustimmen oder nicht, es lässt sich jedoch nicht leugnen, dass wir alle individuelle Beziehungen zu Farben haben, seien es auch nur Vorlieben und Abneigungen.
Können Farben Wohlbefinden hervorrufen?1 fragte einst Verner Panton. Oder, um die obige Behauptung Pantons umzuformulieren: während man auf einer Farbe, die man mag, bequemer sitzen kann oder auch nicht, lebt man bequemer in einem Farbschema, das man mag?2
Unbestreitbar ja.
Aber entscheiden wir denn wirklich, welche Farben wir im Zusammenhang mit unseren Möbel und unserer Inneneinrichtung mögen, oder entscheiden wir, welche der verfügbaren Farben uns am besten gefällt?
Und wer entscheidet, welche Farben zur Verfügung stehen, wenn ein Möbelstück keine eigene Farbe hat? Und auf welcher Grundlage?
Bernat Klein fragte in diesem Zusammenhang einmal in Bezug auf Textilien: "Woher kommen die Farben und warum? Und wohin gehen gute Farben, wenn sie sterben?”3 Ja wohin eigentlich?
Kann man jedes beliebige Möbelstück in jeder Farbe einfärben? Hat ein Amédée Ozenfant Unrecht, wenn er sagt, dass "die Farbe die Form immer bis zu einem gewissen Grad verändert"?4 Folgt die Form der Farbe? Kann sich eine Farbe negativ auf ein Möbelstück auswirken? Würde sich jedes Objekt in “Colour Rush!” mit demselben Charakter präsentieren, wenn es in allen Farben des Regenbogens dargestellt würde?
Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, warum ein bestimmtes Möbelstück die Farbe hat, die es hat? Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, ob eine Farbe für ein bestimmtes Möbelstück angemessen ist? Hat Farbe eine Funktion? Oder ist Ihnen die Farbe egal, wichtig ist das Objekt. Welche Rolle spielt die Farbe im Zusammenhang mit einem Möbelstück? Welche Rolle spielt die Farbe im Zusammenhang mit der Möbelindustrie? Wie hat diese sich in den letzten 120 Jahren verändert?
Durch die Verlagerung des Schwerpunkts von den Objekten auf die Farben ist “Colour Rush!” eine offene Einladung, sich solche Fragen zu stellen und darüber nachzudenken, wohin ein Jahrhundert und ein bisschen Fortschritt in der Farbtechnologie unsere Beziehung zu Farbe, kollektiv und individuell, gebracht haben.
Dieses kuratorische Konzept der Verlagerung des Schwerpunkts vom Objekt auf die Farbe ermöglicht es der Ausstellung auch, die Sammlung des Vitra Design Museums aus einer neuen Perspektive zu zeigen.
Denn das kuratorische Konzept erfordert allerlei ungewohnte Zusammenstellungen. In der gesamten Präsentation findet man Objekte, die man normalerweise nie nebeneinander präsentieren würde, die aber in einem fröhlichen und informativen Dialog miteinander stehen. Die Gegenüberstellung des bereits erwähnten Pouf Tressé von Amadou Fatoumata Ba mit dem stets fröhlichen Chubby Chair von Dirk van der Kooij zum Beispiel ermöglicht zwei Sichtweisen auf das Thema Recycling: die eine nutzt das Material, wie es ist, die andere dekonstruiert es und formt es neu. Friedrich Jakob Kieslers rustikaler Holzschreibtisch aus den 1930er Jahren und Le Corbusiers rustikaler, höhenverstellbarer Holzhocker aus den 1950er Jahren für den Pavillon du Brèsil in der Citè Universitaire, Paris, bieten eine alternative Perspektive auf analoge Technologie im zeitgenössischen Büro und erinnern daran, dass es nicht immer Hightech sein muss. Der Monoblock Altra-ergo von Peter Solomon Design und sein Nachbar, der Stahlrohrstuhl B 34 von Marcel Breuer, erinnern daran, dass es beim Möbeldesign oft mehr um die Entwicklung von Herstellungsprozessen geht, als um die Entwicklung tatsächlicher Objekte. Die Nähe von Nakashimas Conoid Bench und dem Thonets Stuhl No 14 zwingt einen wiederum dazu, darüber nachzudenken, warum letzterer braun ist.
Außerdem ermöglicht dieses kuratorische Konzept vielen Werken und Designern, die man in einer klassisch kuratierten Dauerausstellung möglicherweise übergangen hätte, einen Auftritt. Wir waren besonders dankbar für die Gelegenheit, neben vielen anderen Werken den bereits erwähnten Loungesessel Lily von Estelle & Erwine Laverne, den Stuhl La Tourette von Beat Frank oder den Drehstuhl No. 415A von Yrjö Kukkapuro kennenzulernen. 415A ist ein Werk, das stark an eine kubistische Ente erinnert und Kukkapuro als einen der eigenwilligsten Möbeldesigner des 20. Jahrhunderts ausweist. Kukkapuro ist ein Designer, der klar stellt, dass finnisches Design so viel mehr ist als das vertraute, gebogene Birkensperrholz der Aalto Möbel; und er ist ein Designer, der es verdient hätte, nicht nur den Loungesessel bekannt zu sein, der ihn so berühmt gemacht hat.
Das kuratorische Konzept ermöglicht außerdem die Präsentation unzähliger unbekannter Werke von sehr bekannten Namen: “Colour Rush!” zeigt eine ganze Reihe von nur sehr selten zu sehenden Arbeiten von Charles und Ray Eames, Alessandro Mendini oder George Nelson, bzw. George Nelson Associates.
Außerdem sind viele selten gezeigte Arbeiten von Verner Panton zu sehen. Wie man sich denken kann, taucht Panton in fast jeder Farbe auf. Sein kristallklarer Plexiglas-Loungesessel aus der Mitte der 1950er Jahre allerdings erinnert daran, dass Panton so viel mehr war als die Farben, für die er berühmt geworden ist.
Diese Gedanken führen einen wiederum zu Hella Jongerius und Alexander, zwei Designern, deren Werk in “Colour Rush!” diskutiert wird, die aber in “Colour Rush!” nicht durch Objekte vertreten sind. Dabei handelt es sich keineswegs um einen Affront. Vielmehr liegt das daran, dass die Objekte von Jongerius oder Girard selten in einer einzigen Farbe existieren, selten monochrom sind. Jongerius formulierte es einmal so: "Erst wenn man Farben nebeneinander sieht, wird die wahre Qualität jeder Farbfläche sichtbar". Und so schließt, wenn man so will, das kuratorische Konzept mit seiner konzentrierten Fokussierung auf einzelne Farben die Anwesenheit einer Jongerius oder eines Girard aus, zweier Designer, für die Farbe ein ganz zentraler Bestandteil ihres Schaffens ist. Wenn auch abwesend bieten die beiden so eine wichtige alternative Perspektive, um “Colour Rush!” zu betrachten und über die Farbe unserer Möbel und Innenräume nachzudenken.
Trotz des Titels ist “Colour Rush!” als Erlebnis nicht das psychedelische Wurmloch, das Verner Pantons Ausstellung “Light and Colour” von 1998 war, die in “Verner Panton - Colouring a New World” in Trapholt, Kolding, nachgestellt wurde.
Die Ausstellung ist jedoch mindestens genauso fotogen und vor allem genauso informativ.
“Colour Rush!” stellt nicht nur spannende Überlegungen zu den Farben unserer Möbel und Innenräume an, sondern gewährt durch die Anwesenheit der vielen Designer und Objekte Einblicken in die Geschichte des Möbeldesigns. Da viele Objekte zu sehen sind, die normalerweise in den Regalen der Archive schlummern, verdeutlicht die Ausstellung auch, dass die ständigen Sammlungen der Museen regelmäßig neu organisiert und neu kuratiert werden müssen, wenn sie sinnvoll, vital und relevant sein sollen.
Außerdem beeinflusst der Einsatz einer kuratorischen Beschränkung - der scharfe Fokus - nicht nur das, was Sabine Marcelis Präsentation auswählen konnte, sondern trägt auch zu einer Präsentation bei, die umfangreicher, vielfältiger und informativer ist, als es sonst möglich gewesen wäre.
Und während der Regenbogen von Sabine Marcelis, wie alle Regenbögen, vergehen wird, bleiben die Erinnerungen an ihn bestehen.
“Colour Rush! Eine Installation von Sabine Marcelis” ist noch bis Sonntag, 12.05.2024, im Vitra Design Museum Schaudepot, Charles-Eames-Straße 2, 79576 Weil am Rhein zu sehen.
Ausführliche Informationen, unter anderem zu den Öffnungszeiten, Ticketpreisen und den aktuellen Hygienevorschriften, finden Sie unter www.design-museum.de.
1Verner Panton: Meine Design-Philosophie,BÜROszene, Vol 47, Nrs. 1–2, 1995 Original: Können Farben Wohlbefinden erzeugen?
2At this juncture we are legally obliged to mention the anecdote of Verner Panton designing the interior of Rolf Fehlbaum's flat in Basel with every room - walls, flooring, furniture, textiles, etc - in one single colour, so a green room, a red room etc... and the brevity of the experiment. A brevity which implies that colours are important for creating a sense of well-being at home. We only know it as an anecdote heard on several occasions, Mathias Remmele implies it is true in Alexander von Vegesack & Mathias Remmele [Eds.], Verner Panton: The Collected Works, Vitra Design Museum, 2000, and not only is Mathias Remmele not the sort of person to wilfully make up such stories, we tend to trust him on all things Panton.
3Bernat Klein, Eye for Colour, Bernat Klein Scotland with Collins, London, 1965
4Amédée Ozenfant, Colour – The English Tradition, The Architectural Review, Vol 81, Issue 482, January 1937