Beim Durchstöbern des digitalen Marcel-Breuer-Archivs sind wir eines Nachmittags auf einen Brief vom 25. Juli 1950 von Peter M. Fraser, einem Mitarbeiter Breuers, an das Eames Office gestoßen. In diesem Brief erkundigt er sich nach einem Beleuchtungsentwurf von Charles und Ray Eames, den Breuer in einem seiner Architekturprojekte verwenden wollte. "Ein Lampendesign von Charles und Ray Eames” - Eames Lampen !!!??
Wir kennen Möbel, Spielzeug, Ausstellungen, Textilien, Filme und Fotografien der Eames, aber was ist mit Leuchtendesigns?
Der beste Anhaltspunkt, um sich einer Antwort auf diese Frage zu nähern, ist die "funkelnde Deckenleuchte", von der in Frasers Brief"1 die Rede ist, und die erstmal deutlich macht, dass zumindest ein Eames Leuchtendesign existiert hat, wenn auch nur für kurze Zeit. Außerdem stammte es aller Wahrscheinlichkeit nach nicht aus der Feder von Ray und Charles Eames.
Das als “Galaxy” bekannte Objekt wurde laut Neuhart & Neuhart von Don Albinso"2, einem ehemaligen Studenten von Charles Eames an der Cranbrook Academy of Art, entworfen. Albinson hatte Charles Eames und Saarinen bei ihrer Bewerbung für den Wettbewerb "Organic Design in Home Furnishings" des Museum of Modern Art von 1940 assistiert und war von 1946 bis 1959 ein wichtiges Mitglied des Eames Office. Er leistete einen bemerkenswerten Beitrag zu vielen wichtigen Projekten, die in dieser äußerst produktiven Zeit entwickelt wurden. Dieser bemerkenswerte Beitrag wurde nicht immer zur Kenntnis genommen; und so ist Albinson ein Designer, der deutlich macht, wie anonym die meisten Designer mit ihrer Arbeit bleiben. Ein Zustand, der unserer Meinung nach ungerecht ist und verbessert werden muss. Dass “Galaxy” von Albinson entworfen wurde, hat jedoch nur marginale Auswirkungen auf unsere Suche nach Antworten auf die Frage nach den Lampendesigns von Ray und Charles Eames.
Die Leuchte Galaxy hatte ihr Debüt und, soweit wir wissen, ihren einzigen öffentlichen Auftritt im Rahmen von Alexander Girards “An Exhibition for Modern Living”, die im Herbst 1949 im Detroit Institute of the Arts stattfand. Mit dieser Ausstellung wollte Girard einem breiteren Publikum helfen, "mehr über Design zu verstehen - besonders im Hinblick auf unsere eigene Zeit"3. Zu diesem Zweck präsentierte die Ausstellung eine Sammlung von etwa 2000 Alltagsgegenständen, die von Girard und seinem Team nach einer Reihe von physikalischen, formalen und ästhetischen Kriterien ausgewählt wurden4. Hinzu kamen sechs Rauminstallationen, jeweils eine von Alvar Aalto, Bruno Mathsson, George Nelson, Jens Risom, Florence Knoll und Charles und Ray Eames5. Die Eames nutzten diese Installation, um ihre neuen Eames Storage Units, ESU, zu präsentieren und um die Chaiselongue La Chaise aus Fiberglas zu veröffentlichen. Wie Girard im Katalog vermerkt, war diese Installation "nicht als ein spezieller Raum oder Abschnitt eines Hauses konzipiert”, sondern sollte vielmehr eine Haltung gegenüber dem Raum und den Objekten suggerieren “mit denen man lebt". Die Galaxy-Lampe war wiederum laut Ausstellungskatalog (und damit wie wir annehmen entsprechend der Beschreibung des Eames Office), "nicht als effiziente Beleuchtungsmaschine [...], sondern wegen ihrer besonderen funkelnden optischen Sensation"6 entworfen worden.
Insofern handelte es sich also nicht in erster Linie um ein Beleuchtungsdesign, sondern eher um eine Licht emittierende Skulptur.
Dieses skulpturale Verständnis wird durch Charles Eames in seiner Antwort an Fraser bekräftigt. Dort erfahren wir, dass es sich bei der Galaxy um eine ausgesprochen fröhliche Bricolage handelte, die "im Wesentlichen aus Automobilteilen und Messingrohren in Größen von 18 bis 6 Zoll bestand, die von einer zentralen Kugel ausgingen". Diese zentrale Kugel bestand aus "ein[em] hölzerner Krocketball", der "ausgehöhlt wurde, um Platz für die Drähte zu schaffen." Wir würden gerne sehen, wie die Eames versuchen, die Verwendung dieses Objektes in einer Museumsausstellung genehmigt zu bekommen. Außerdem wird hier deutlich wie experimentell und ad-hoc man im Eames Office einen Großteil der Produktentwicklung anging. Trotz der sehr klaren Visionen eines Projektes, war der Entwicklungsprozess im Allgemeinen von kenntnisreicher Improvisation und aufschlussreichem Ausprobieren bestimmt. Dazu gehörten oft auch selbst konzipierte und konstruierte Maschinen. Vieles von dem, was das Eames Office anstrebte, war so neu, dass es noch keine Verfahren für die Umsetzung gab.
Aus Charles Eames' Antwort erfahren wir auch, dass Frasers Anfrage nach der Galaxy Leuchte eine von "ziemlich vielen Anfragen und Bitten" war, die die Eames erhielten, die aber alle enttäuscht werden sollten, weil "sie [...] nie in Produktion genommen" wurde.
Das wirft die Frage auf, warum die Galaxy eigentlich nicht produziert wurde? Denn auch wenn sie in Detroit nicht primär als Lampe präsentiert wurde, bestand doch Interesse an ihr, egal ob die Galaxy als Lampe oder leuchtende Skulptur gedacht war. Außerdem hätte sie mit ein wenig Weiterentwicklung sicherlich als "effiziente Beleuchtungsmaschine" und als "besondere funkelnde optische Sensation" gleichermaßen funktioniert - beides schließt sich nicht gegenseitig aus.
Pat Kirkham merkt an7, dass ein möglicher Grund für das Ausbleiben einer kommerziellen Veröffentlichung die formale Ähnlichkeit mit Gino Sarfattis “Fuoco d'Artificio” (Feuerwerk) gewesen sein könnte, einer von Sarfatti in den späten 1930er Jahren entworfenen Leuchte, die in den 1950er Jahren Berühmtheit gelangte.
Aber haben die Eames das Projekt wirklich nur wegen der Fuoco d'Artificio nicht weiterverfolgt? Schließlich handelte es sich dabei um ein Werk, das in Italien von Arteluce vermutlich kriegsbedingt in nur geringen Stückzahlen produziert wurde und damit im Amerika des Jahres 1949 nur wenig oder gar nicht bekannt gewesen sein wird.
Und selbst wenn das der Grund war, wo sind die anderen Beleuchtungsentwürfe, wo sind die “effizienten Beleuchtungsmaschinen” von Charles und Ray Eames?
Eine Frage, die noch relevanter wird, wenn wir noch weiter in der Geschichte der Eames zurückreisen.
Vor den Eheleuten Charles und Ray Eames gab es Ray Kaiser und Charles Eames - erstere eine im New York der 1930er Jahre ausgebildete Künstlerin, letzterer ausgebildet in Amerika und Mexiko in den 1920er und 30er Jahren, inklusive kurzzeitigem Architekturstudium an der Washington University in St. Louis. Davor und möglicherweise auch während dieses Studiums hatte Charles Eames einen Job als Designer von Beleuchtungskörpern bei der in St. Louis ansässige Firma Edwin F. Guth Company8. Diese Firma leistete Anfang des 20. Jahrhunderts durch ihre zahlreichen Erfindungen, vor allem durch neue Materialien und Produktionsverfahren, einen großen Beitrag zur Entwicklung des elektrischen Beleuchtungsdesigns in Amerika.
Zumindest in technischer Hinsicht, denn wie der Katalog der Edwin F. Guth Company von 1927 zeigt, blieb die Mehrheit der Entwürfe in den späten 1920er Jahren den historischen, formalen Ausdrucksformen des “vorelektrischen” Zeitalters verhaftet. Eine Mehrheit, aber eben nicht alle, und so zeigt der Katalog auch Entwürfe, die eher zeitgenössischen Auffassungen von Klarheit und Reduktion im Lichtdesign entsprachen. Irgendwo auf den Seiten dieses Katalogs könnten sich also in aller Anonymität die allerersten “beleuchtungstechnischen” Entwürfe von Charles Eames verstecken.
Nachweisbare Lichtentwürfe von Charles Eames findet man hingegen, wenn man von St. Louis aus ein wenig weiter den Mississippi hinunter reist.
Obwohl Charles Eames nie einen Abschluss als Architekt gemacht hat, hielt ihn das nicht davon ab, als solcher zu arbeiten - zunächst in Kooperation mit Charles Gray und später mit Robert Walsh. Zu den Aufträgen, die er mit Walsh realisierte, gehörten 1934 die St. Mary's Church Helena und ein Jahr später die St. Mary's Church Paragould, beide im Osten von Arkansas gelegen. Die erste St. Mary's Church war mit Globe Pendelleuchten von Charles Eames ausgestattet. Bei diesen Leuchten handelte es sich um Objekte, die so geformt sind, dass man, nach Aussage derer, die sie gesehen haben, je näher man dem Altar kommt nur eine Mondsichel und die in den Metallkörper geschnittenen kleinen Sterne erkennt, während man bei der Rückkehr vom Altar in die volle Pracht des Lichts getaucht wird. Man geht gewissermaßen durch die Nacht zum Altar und kehrt erleuchtet zurück - eine nette kleine Metapher, eine dieser einfachen Allegorien, die für die meisten Religionen so wichtig sind.
Die St. Mary's Church Helena ist in der Biografie von Charles Eames auch deshalb wichtig, weil sie die Aufmerksamkeit von John und Alice Meyer erregte, die daraufhin Eames und Walsh beauftragten, ein Haus für sie in Huntleigh, Missouri, zu bauen. Dieses Haus sind Eames und Walsh anscheinend mit einem fast gesamtkünstlerischen Anspruch angegangen. Sie entwarfen fast alles und Charles Eames entwarf zumindest einen Teil der Beleuchtung, einschließlich der Deckenleuchten, die "mit japanischem Reispapier für einen subtilen Lichteffekt ausgekleidet sind"9. Diese “Beleuchtung auf Reispapierbasis” entwarf Charles Eames also gut anderthalb Jahrzehnte bevor Isamu Noguchi seine heute so populären Akari Leuchten unter das amerikanische Volk brachte.
Die beiden Kirchen in Arkansas lenkten darüber hinaus die Aufmerksamkeit von Eliel Saarinen auf Charles Eames und führten schließlich so dazu, dass Saarinen Eames an die Cranbrook Academy of Art einlud, wo dann wiederum 1940 die Geschichte von Charles Eames und Ray Kaiser beginnt.
An dieser Stelle beginnt jedoch auch die Geschichte der Eames Beleuchtung zu verblassen. Charles Eames scheint seine vielfältigen praktischen, künstlerischen und konzeptionellen Erfahrungen im Bereich Leuchtendesign aus seiner frühen Karriere nicht in die spätere mitgenommen zu haben.
Was uns zurückbringt zu der Frage “Wo ist das Eames Leuchtendesign?” und zurück zu Marcel Breuer.
1949 präsentierte das Museum of Modern Art, New York, eine von Marcel Breuer entwickelte zeitgenössische Wohnlandschaft. Dabei handelte es sich um die erste Präsentation der Reihe "House in the Museum Garden" des Museums, und um ein Projekt, das weniger aufgrund der Architektur und vielmehr deshalb für Kontroversen sorgte, weil im Inneren keinerlei tragbare Lampen vorgesehen waren. Breuer behauptete, es gäbe nichts, was für einen zeitgenössischen Raum geeignet sei, dass er "die Probleme, die [ihm] vorschwebten, einfach durch keine der auf dem Markt befindlichen Lampen adäquat gelöst fand"10.
Diese Gedanken werden in einem undatierten Dokument11 im digitalen Marcel-Breuer-Archiv von ihm fortgesetzt und erweitert. Dort stellt er fest, dass "im Allgemeinen wohl kein anderes Detail der Wohnungseinrichtung so abwegig und rückständig ist wie die Beleuchtungsinstrumente unserer Umgebung", und er fügt hinzu, dass der zeitgenössische amerikanische Lampenmarkt eine formale, materielle und ästhetische Einöde voller Lampen sei, “die gekauft - oder besser gesagt, verkauft - werden sollen, ohne Rücksicht auf unsere Augen".
Diese Meinung über die Mängel und Unzulänglichkeiten des zeitgenössischen Lampendesigns wurde von Alexander Girard im selben Jahr im Zusammenhang mit “An Exhibition for Modern Living”, weitgehend geteilt. Er war überzeugt, dass "die dekorativen und plumpen Lampen unweigerlich durch effizientere und ehrlicher gestaltete Geräte ersetzt werden"12 müssen.
Für Marcel Breuer lag die Verantwortung für diese dringend benötigten Verbesserungen bei drei Berufsgruppen. Die Beleuchtungsingenieure widmeten sich seiner Meinung nach zu wenig der häuslichen Beleuchtung und vor allem zu wenig den psychologischen Aspekten des Lichts; die Werke der Hersteller, nannte Breuer "unzeitgemäße Stücke, die noch an die alten Petroleumlampen erinnern (aber ohne deren einfachen Charme und Effizienz)”. Er forderte Lampen, die nicht historisch oder kitschig, sondern "wirklich attraktiv in Form und Material" sein würden. Als Drittes machte Breuer die Designer verantwortlich, deren Arbeiten "immer noch steif sind - nicht flexibel genug - ihr Licht ist zu hart, zu einschränkend, ihr Material nicht empfindlich genug für Berührungen, zu prätentiös, insgesamt nicht "menschlich" genug".
Doch trotz solcher Ansichten fühlte sich Marcel Breuer offenbar nie motiviert oder berufen, selbst Lampen zu entwerfen. Da stellt sich wiederum die Frage nach dem Warum. Wenn auch nicht abschließend, antwortet Breuer mit dem Einwand: "Ich habe keine Erfahrung auf diesem Gebiet, und es würde eine Menge Nachforschungen erfordern."13 Und tatsächlich sind Lampen im Portfolio von Breuer sehr selten.
Motiviert und gefordert fühlte sich hingegen das Museum of Modern Art, das 1950 den Wettbewerb "New Lamps" auslotete "um das Design und die Produktion von guten tragbaren Tisch- und Stehlampen mit Glühlampen zu fördern"14. Dieser Wettbewerb wurde in Zusammenarbeit mit der Heifetz Lighting Company durchgeführt, einem der prominenteren Leuchtenhersteller zu dieser Zeit, dessen Präsident Yasha Heifetz zu den lautstarken Streitparteien im Zusammenhang mit Breuers Ansprüchen an zeitgenössisches amerikanisches Leuchtendesign gehörte"15. Dieser Wettbewerb führte zudem zu einer Ausstellung, die am 28. März 1951 eröffnet wurde und Entwürfe von Joseph Burnett, Gilbert A. Watrous, Anthony Ingolia, Charles und Ray Eames und anderen präsentierte. Charles und Ray Eames waren allerdings mit Stuhldesigns vertreten: Der Ausstellungsraum war mit "16 Stühlen, Eames, grauer Kunststoff, Metallbeine "16 bestückt, bei denen es sich, so vermutet man, um die noch sehr neuen A-Schalen der Eames Fiberglas Stühle handelte.
Aber warum nahmen die beiden nicht am Wettbewerb teil? Wo ist der Beitrag der Eames zu “New Lamps”? Wo sind all die üblichen Verdächtigen des amerikanischen Designs der späten 1940er und frühen 1950er Jahre? Die meisten Wettbewerbsgewinner waren Studenten oder frisch gebackene Absolventen.17 War das amerikanische Lampendesign um 1950, mit den Worten Breuers, "so abgehoben und rückständig", dass etablierte Designer sich nicht daran wagten?
Laut Marcel Breuer und Alexander Girard brauchten die amerikanischen Haushalte Ende der 1940er/Anfang der 1950er Jahre aber dringend neue Lampen. Ein neues Verständnis von Licht und neue Beleuchtungskonzepte müssen also gefragt gewesen sein.
Bedenkt man, dass ein Großteil der Arbeiten von Charles und Ray Eames aus der Auseinandersetzung mit den Unzulänglichkeiten des Designs, Materials, der Produktion und Erschwinglichkeit unserer Innenräume und Möbel entstanden sind, stellt sich die Frage nach den Eames Leuchten um so dringender.
Eine Antwort könnte möglicherweise, in einem ganz bestimmten amerikanischen Haus der späten 1940er und frühen 1950er Jahre zu finden sein.
Das in den späten 1940er Jahren von Charles und Ray Eames entwickelte Eames House, das an der Küste von Los Angeles zwischen Santa Monica und Malibu steht und stand, ist aus Materialien und Techniken gebaut, die laut Charles "Standard in der Bauindustrie, aber in vielen Fällen nicht Standard in der Wohnarchitektur"18 waren. Im Wesentlichen handelte es sich dabei um Materialien von der Stange, die überwiegend in industriellen Kontexten verwendet werden. Der höchst experimenteller Charakter dieses Gebäudes lässt sich unserer Meinung nach am besten durch die Kommentare eines nicht näher bekannten örtlichen Planungsbeamten zusammenfassen: Als Ray Eames anrief, um sich dafür zu bedanken, dass die Pläne für das Haus genehmigt wurden, erwiderte dieser: "Nun, wir haben kein Haus genehmigt, wir haben entschieden, dass es kein Haus ist. Wir wissen nicht, was es ist."19
Für Charles und Ray war es ein Haus, in das sie im Dezember 1949 einzogen und in dem sie für den Rest ihres Lebens blieben. Ein Haus, das, soweit wir feststellen können, frei von tragbaren Tisch- und Stehlampen war.20
Die Beleuchtung des Hauses wird vielmehr durch eine Kombination von Deckeneinbauleuchten, Wandleuchten und sehr niedrig hängenden Pendelleuchten gewährleistet. Die niedrig hängenden Pendelleuchten nehmen in vielerlei Hinsicht den Platz von Steh- und/oder Tischlampen ein. Sie bieten direkte Beleuchtung als Ergänzung zur eher indirekten Decken- und Wandbeleuchtung, ohne dass ein physisches Objekt auf dem Boden oder Tisch benötigt wird.
Darüber hinaus war die Beleuchtung des Eames House weitgehend von Kerzen abhängig. Neuhart & Neuhart bemerken, dass "Kerzen in einer Vielzahl von Kerzenhaltern [...] immer in jedem Raum platziert" wurden bemerken21. So sieht man auf fast jedem Foto der Inneneinrichtung des Eames House Kerzenständer. Ähnlich wie in dem Kurzfilm “House: After Five Years of Living” von 1955, in dem Kerzen in vielen Szenen fast eine Hauptrolle spielen. (Den Film gibt es am Ende des Posts zusehen).
Für viele Zeitgenossen der Eames muss es ein Schock gewesen sein, als sie einen ansonsten lehrbuchmäßigen funktionalistisch-modernistischen Bau mit Kissen, Pflanzen, Volkskunst und anderen Gegenständen ausgestattet sahen, die einfach nicht in die idealisierte aufgeräumte Ordnung des funktionalistisch-modernistischen Interieurs passen wollten. Ähnlich wird es sich mit den Kerzen verhalten haben. Kerzen kamen schon damals aus vergangenen Jahrhunderten und stellten in einer zeitgenössischen Wohnung einen Anachronismus dar. Kerzen sind und waren damals jedoch schon mehr als nur Lichtspender. Sie haben emotionale Konnotationen, eine emotionale Funktion jenseits ihrer technischen Funktion. Dabei geht es um genau jene psychologischen Aspekte von Beleuchtung, die laut Breuer im zeitgenössischen amerikanischen Beleuchtungsdesign vernachlässigt wurden. Die Kerzen können im Kontext des Eames House also, als Versuch verstanden werden, die härteren Aspekte einer dogmatischen funktionalistischen Moderne menschlicher zu machen.
Die andere Hauptrolle in dem Eames-Film spielt das Haus selbst und spielen vor allem die riesigen Glasflächen, vor allem im Zusammenhang mit den Wänden des 5 Meter hohen Wohnzimmers. Das Haus verfügt über eine gläserne, schwere Fassade, die Unmengen von Licht hereinlässt und ist so selbst eine effiziente Beleuchtungsmaschine - das Gebäude ist so konzipiert, dass es das an der kalifornischen Küste so reichlich vorhandene Licht optimal nutzt. Und das sowohl technisch in Form eines Oberlichts über dem Treppenhaus als auch emotional durch die ständigen Veränderungen des Lichts, die nicht nur durch den Tagesverlauf und die Launen des Wetters, sondern auch durch die Mischung aus verschiedenen Glastypen und Oberflächen, die Charles und Ray in und für die Fassade gewählt haben, hervorgerufen werden.
Und obwohl wir nicht alle in gläsernen Häusern an der ewig sonnigen kalifornischen Küste leben können, wie John Entenza, der Gründungsredakteur von Arts & Architecture, anmerkt, liegen die "Beiträge des Hauses eher [bei den] Dinge[n], die von ihm abgeleitet werden können, als [bei den] Dinge[n], die genau in ihm existieren"22.
Es geht nicht darum, was das Haus ist, sondern darum, was es repräsentiert. Und das erinnert uns wiederum an Alexander Girards Kommentar zur Eames-Rauminstallation in “An Exhibition for Modern Living”. Auch das Eames House kann als "eine Haltung gegenüber dem Raum und den Objekten, mit denen man lebt", und das Lichtkonzept des Eames House als eine Haltung gegenüber dem Raum und seiner Beleuchtung verstanden werden. Die Art und Weise der Beleuchtung des Eames House entspricht Charles und Ray Eames Verständnis von Lichtdesign. Und damit repräsentiert die Beleuchtung des Eames House das Lichtdesign im Portfolio von Charles und Ray Eames, nicht in Form eines physischen Objektes, sondern als konzeptionelle Position.
Allerdings können es nur Charles und Ray Eames sicher wissen, und wir können sie leider nicht mehr nach dem Wie, Warum und Wozu des Lichtdesignkonzepts für das Eames House fragen.
Die Frage, warum es keine Lampen im kommerziellen Eames Portfolio gibt, bleibt also offen.
Allerdings äußern sowohl Alexander Girard als auch Marcel Breuer die Hoffnung, dass das Lampendesign im Laufe der Zeit besser, angemessener und sinnvoller wird.
Angesichts der Bandbreite des Werks von Charles und Ray Eames, ihrer Designphilosophie und dem Bedarf an elektronischen Lampen zu dieser Zeit - Marcel Breuer selbst beklagt die Tatsache, dass sein Wohnzimmer dringend eine tragbare Lampe zum Lesen und Arbeiten benötigte23 -, würden wir sagen, dass es sich hier um eine merkwürdige Lücke im Portfolio der Eames handelt, der man weiter auf den Grund gehen sollte.
1A week before writing to the Eames Fraser also contacted Alexander Girard regarding Galaxy
2John Neuhart, Marilyn Neuhart & Ray Eames, Eames Design, The work of the office of Charles and Ray Eames, Ernst & Sohn, 1989, page 125
3Alexander Girard, Catalogue, An exhibition for modern living, Detroit Institute of Arts, 11th September - 20th November 1949 page 5
4see, Alexander Girard, For Modern Living, New York Times, September 25th 1949 page XX3
5It goes without saying that room installation was officially listed as Charles Eames alone although Ray was very much involved... As oft noted in these dispatches until the launch of the Lounge Chair in 1956 Ray Eames wasn't part of the public Eames brand, and that despite Charles noting her contribution at every opportunity. And even after 1956 Ray was often omitted in articles and texts....
6Alexander Girard, Catalogue, An exhibition for modern living, Detroit Institute of Arts, 11th September - 20th November 1949 page 80-81
7Pat Kirkham, Charles and Ray Eames: Designers of the Twentieth Century, Page 437 Footnote 21
8Virginia Stith, St Louis Oral History Project, Interview with Charles Eames October 13th 1977, reproduced in Daniel Ostroff [Ed] An Eames Anthology, Yale University Press, 2015 366-381 here page 368
9Eames Demetrios, An Eames primer, Universe Publishing, New York, 2001, page 84
10New Modern House Opens Without Portable Lamps see also Architect's Criticism Holds No Fears for Lamp Industry, New Light on Those Portables / Chicago Comments It's Just Too Bad; Home Lighting Debatted
11Although undated it was clearly written after the controversy surrounding his MoMA house, because he refers to that. Why he wrote it is unclear, but it could be a draft for an article that was never completed/published
12Alexander Girard, For Modern Living, New York Times, September 25th 1949 page XX3
13New Modern House Opens Without Portable Lamps
14Museum of Modern Art Press Release 51-312 - 20a https://assets.moma.org/documents/moma_press-Release_325770.pdf pdf!!! (accessed 27.02.2021)
15see, for example, New Light on Those Portables / Chicago Comments It's Just Too Bad; Home Lighting Debatted; Architect's Criticism Holds No Fears for Lamp Industry
16Museum of Modern Art, New Lamps Master Checklist, https://assets.moma.org/documents/moma_master-checklist_325769.pdf pdf!!! (accessed 27.02.2021)
17As far as we are aware the competition wasn't limited to students, but it may have been.....
18Case Study House for 1949. Designed by Charles Eames, Art & Architecture, December 1949, page 29
19Marilyn Neuhart & John Neuhart, Eames House, Ernst & Sohn, 1994, page 56
20We can't be 100% certain that Charles and Ray never had portable lamps in the house, just can't find any evidence that they ever did. In the studio there are/were spring articulated lamps that clipped onto tables, but such are clearly more a work tool than a lighting object as such. And also in the studio one finds large lamps for film-making/photography, and which remind that for all the popular focus on Eames furniture, film-making/photography were huge components of the Eames oeuvre and disciplines where lighting is more than just technical but also part of the emotion. And so Charles and Ray by necessity thought an awful lot about lighting... just didn't design any commercial illuminating objects.
21Marilyn Neuhart & John Neuhart, Eames House, Ernst & Sohn, 1994, page 50
22Case Study House for 1949. Designed by Charles Eames, Art & Architecture, December 1949, page 27
23New Modern House Opens Without Portable Lamps