Aus allseits bekannten Gründen fiel in diesem Jahr nicht nur die internationale Möbel- und Einrichtungsmesse imm cologne aus, die für Mitte Januar 2021 geplant war, sondern auch die Passagen Interior Design Week Köln. Das bedeutet allerdings keinesfalls, dass Mitte Januar nicht trotzdem frisches zeitgenössisches Design in Köln zu finden war. In einer offline realisierten und online präsentierten Ausstellung stellte die Assemblage Generation Köln die Ergebnisse ihrer Zusammenarbeit mit der Glashütte CIAV Meisenthal vor. Eine virtuelle Ausstellung und ein Projekt zum Anfassen, das nun in einem kurzen Film erkundet werden kann.
2017 als Plattform für zeitgenössische Designerinnen und Designer aus und in Köln eröffnet, hat sich Generation Köln nicht etwa zu einer Gruppe, einem Kollektiv oder einer Marke, sondern zu einer sogenannten Assemblage zusammengetan: Eine lose, aber symbiotische Zusammenkunft der Kölner Designerinnen und Designer Karoline Fesser, Tim Kerp, Thomas Schnur und Klemens Grund. Von einer Projektpräsentation hat sich die Sache zu einem Jahresprojekt entwickelt, bei dem die vier mit Kunsthandwerkerinnen und -handwerkern kooperieren. Man könnte auch sagen, es handelt sich um ein Jahresprojekt in Kooperation mit Kunsthandwerkerinnen und -handwerkern, bei dem die vier nicht nur Objekte entwickeln, sondern auch Materialien und handwerkliche Prozesse im Kontext ihrer Designposition erforschen und mit ihnen experimentieren, einzeln und in Form einer symbiotischen Assemblage. Im Jahr 2019 handelte es sich um eine Zusammenarbeit mit Tischlerinnen und Tischlern im österreichischen Bregenzerwald, 2020 kooperierte Generation Köln mit Glasmachern im Centre International d'Art Verrier, CIAV, in Meisenthal, Ostfrankreich.
Das 1992 gegründete CIAV hat seinen Ursprung in La Verrerie de Meisenthal, einer 1704 gegründeten Glashütte, die Gebrauchsglas herstellte und im 19. Jahrhundert internationale Berühmtheit erlangte. Diese verdankte die Glashütte dem Grand Doyen des französischen Jugendstils, Emile Gallé, der die Fähigkeiten und das Fachwissen der Meisenthaler Glasmacherinnen und Glasmacher, der Verriers und Verrières, nutzte und sich bei der Entwicklung dekorativer Glaswaren von ihnen unterstützen ließ. Die Glashütte wurde 1969 geschlossen, weil sich die handwerkliche Produktion in der schönen neuen industrialisierten Konsumwelt nicht mehr aufrechterhalten ließ. Oder anders ausgedrückt: Das, was der Glashütte zu internationalem Ruhm verholfen hatte, sollte auch ihr Untergang sein. Daraus ließe sich durchaus eine Metapher ableiten.
1978 wurde aus der ehemaligen Glasfabrik ein Glasmuseum, aus dem wiederum das CIAV hervorging. Gedacht war CIAV weniger als historisches Reenactment. Es wurde vielmehr mit der Absicht ins Leben gerufen, die handwerkliche Glasproduktion in der Region wiederzubeleben und darüber hinaus als Ort der Entwicklung des Glashandwerks in zeitgenössischen Kontexten zu fungieren. Wenn man so will, handelte es sich um eine Fortsetzung jener Experimente, die Emile Gallé eineinhalb Jahrhunderte zuvor begonnen hatte. Dieses Selbstverständnis hat dazu geführt, dass, wie wir bei der Ausstellung "Le Feu Sacré" in Mailand 2014 feststellen konnten, CIAV oft zum Partner internationaler Designerinnen und Designer unterschiedlichster Couleur geworden ist, die mit Glas experimentieren, ihr eigenes Verständnis von Glas entwickeln, aber auch die Möglichkeiten des Glasmacherhandwerks erkunden wollen.
Diese Kooperationen haben oft Ergebnisse hervorgebracht, die, wie wir im Zusammenhang mit "Le Feu Sacré" erwähnten, vielleicht "keine Zukunft als Massenmarktprodukte haben, aber alle Forschung und Experimente enthalten, die anderswo verwendet werden können". Der inhärente, langfristige Wert solcher Forschung und Experimente ist unbestreitbar genauso wichtig wie jedes Objekt, das aus einer solchen Zusammenarbeit entstehen kann. Das betrifft nicht nur die Designerinnen und Handwerker, sondern auch die Entwicklung, Vitalität und Relevanz von Glas und Glaswaren, ganz gleich ob dekorativer oder funktionaler Natur.
Das geht uns mit Generation Köln x CIAV Meisenthal ähnlich: Zwar haben einige der Objekte zweifellos unsere Neugierde geweckt und sie machen den Eindruck, als hätten sie einen Platz in einem kommerziellen Portfolio verdient, genauso wichtig ist aber, was die vier Designerinnen und Designer aus der Erfahrung gelernt haben und was sie in Meisenthal hinterlassen haben. Darüber hinaus, wir haben es bereits bei der Präsentation von Generation Köln trifft Bregenzerwald festgestellt, machen solche Projekte/Ausstellungen auch sehr deutlich, dass ein Designer oder eine Designerin nicht mit einsamer, kreativer Kraft arbeitet und Werke aus dem Nichts geschaffen werden, sondern dass Design, oder genauer gesagt die Umsetzung von Designkonzepten, ein kooperativer Prozess ist, an dem eine Reihe von Akteurinnen und Akteuren beteiligt ist. Hier wird deutlich, dass es in vielerlei Hinsicht die Aufgabe der Designerinnen und Designer ist, diesen unterschiedlichen Input zusammenzubringen und in ein kohärentes, sinnvolles, ansprechendes Objekt oder System zu verwandeln. Ein besseres Verständnis der Rolle und Funktion eines Designers oder einer Designerin ist unabdingbar, um Design besser zu verstehen.
Da wir keines der Objekte, die das Quartett in Zusammenarbeit mit den Meisenthaler Glasmacherinnen und Glasmachern entwickelt hat, tatsächlich gesehen haben und wir grundsätzlich nie über Objekte sprechen, die wir nicht persönlich in Augenschein genommen haben, heben wir uns unsere Überlegungen zu den einzelnen Arbeiten auf, bis es wieder möglich ist, gewissenhaft und verantwortungsbewusst Köln zu besuchen. Oder bis die Ausstellung die Öffentlichkeit bekommt, die sie verdient, möglicherweise im Kontext irgendeiner Designmesse/Woche im kommenden Herbst... wenn alles gut geht.
Bis dahin empfehlen wir hier einen kurzen Film, der Sie nicht nur durch die Ausstellung in der immer fröhlichen und erholsamen Kirche St. Gertrud in Köln führt, sondern auch nach Meisenthal, und ausgewählte Objekte zeigt, die aus dem Projekt entstanden sind.
Ausführliche Informationen zu Generation Köln finden Sie gesammelt hier und einzeln unter www.karolinefesser.de, www.klemensgrund.de, www.tim-kerp.de und www.thomasschnur.com.