Die letzten Tage des Sommers sind vorüber. Jetzt gilt es sich daran zu erinnern, dass der Winter nicht nur kalt, nass, dunkel und trostlos ist, sondern seine ganz eigenen Freuden und Vergnügungen mit sich bringt. Den frischen Tagen, langen angenehmen Abenden und wärmenden Kaminfeuern wollen wir einige ausgedehnte Besuche von Architektur- und Designausstellungen hinzufügen. Unsere Empfehlungen für neue Ausstellungen führen im Oktober 2020 nach München, Mailand, Rotterdam, Philadelphia und Brüssel. Und wie immer in diesen Zeiten: Machen Sie sich bitte im Voraus mit den aktuellen Regeln bezüglich Eintrittskarten, Einlass, Sicherheit, Hygiene, Garderobe usw. vertraut.
Die Verwendung von Computern in der Architektur ist tatsächlich relativ neu, eine Feststellung, die einen über all jene Werke der Architektur nachdenken lässt, die im Laufe der Jahrhunderte ohne die Hilfe von Computern entstanden sind. Es schließt sich die Frage an, wo unsere zeitgenössische Architektur ohne Computer wäre. Im Wesentlichen ist das auch die zentrale Frage der Ausstellung "Architekturmaschine" im Architekturmuseum der TU München.
Computer kamen im Bereich Architektur erstmals im Hoch- und Tiefbau in den 1950er Jahren zum Einsatz. Von dort ausgehend verspricht die Ausstellung den Fortschritt und die sich entwickelnde Rolle von Computern in der Architektur aufzuzeigen. Zu diesem Zweck ist die Ausstellung in vier Kapitel unterteilt, die Computer jeweils als Zeichenmaschinen, Designwerkzeuge, Erzählmedien und interaktive Kommunikationsplattformen untersuchen. Damit nähert sich die Ausstellung dem Computer nicht nur im Zusammenhang mit seinem technischen Beitrag zur Entwicklung und Visualisierung von Architekturprojekten, sondern nimmt auch seinen Beitrag hinsichtlich der sich entwickelnden formalen Ausdrucksformen von Architektur in den Blick. "Architekturmaschine" verspricht damit nicht nur eine neue Perspektive auf die Architekturgeschichte seit den 1950er Jahren, sondern stellt auch die breitere Rolle und den Einfluss von Computern in der heutigen Gesellschaft heraus.
"Die Architekturmaschine. Die Rolle des Computers in der Architektur" wird am Dienstag, den 13. Oktober im Architekturmuseum der TU München in der Pinakothek der Moderne, Barer Str. 40, 80333 München eröffnet und läuft bis Sonntag, den 10. Januar.
Im Zusammenhang mit der Ausstellung "Italy: The New Domestic Landscape" des MoMA New York im Jahr 1972 wurden einige italienische DesignerInnen, bzw. DesignerInnenkollektive gebeten, eine Installation für die Sektion "Environments" beizusteuern. Genauer gesagt waren es 11, zum zwölften eingeladenen Designer ist im Ausstellungskatalog nämlich vermerkt: "in Kenntnis der Position von Herrn Mari erteilte ihm das Museum eine formelle Einladung, keine Umgebung zu entwerfen. Er willigte ein und verfasste den folgenden Essay..."2
Dieser Essay bestätigte einmal mehr, dass Enzo Mari ein Designer ist, dem es nicht darum geht, Produkte zu entwickeln, um den unersättlichen Appetit des Marktes zu stillen, sondern darum, Rahmenbedingungen und Werkzeuge für die individuelle und kollektive soziale und kulturelle Aufwertung und Entwicklung zu entwerfen. In der Sektion "Objects" wurden jedoch auch zahlreiche, nun ja, Objekte von Enzo Mari vorgestellt, die zeigen, dass er durchaus fähig und geschickt darin war, Produkte zu entwickeln, die den Appetit des Marktes stillen und entfachen. Werke, die von Firmen produziert wurden, deren ganze Existenz vom Appetit des Marktes abhängt.
Sich diesem offensichtlichen Widerspruch anzunähern und ihn zu erforschen ist ein interessanter Versuch zu einem besseren Verständnis des italienischen Nachkriegsdesigns zu gelangen.
Wir gehen auch davon aus, dass sich dieser Widerspruch wie ein roter Faden durch die von Hans Ulrich Obrist kuratierte Ausstellung "Enzo Mari" zieht. Eine Ausstellung, die Enzo Maris 60 Jahren in Design, Designtheorie und Anti-Design erforscht und zu diesem Zweck eine Mischung aus Projekten, Modellen, Skizzen usw. verspricht, darunter viele bisher nicht ausgestellte Objekte und Materialien. So soll "Enzo Mari" nicht nur eine umfassende Einführung liefern, sondern auch einige neue Perspektiven auf einen der eigenwilligsten Protagonisten des italienischen Nachkriegsdesigns, der Designtheorie und des Anti-Designs eröffnen.
Zugegebenermaßen sind wir etwas unsicher, was den Ausstellungstitel angeht. Vielleicht übersehen wir etwas ganz Offensichtliches. Es wäre nicht das erste Mal, aber für uns klingt es, als würde das Triennale Museum mit großen Namen protzen. Beschäftigt sich die Ausstellung mit Enzo Mari oder mit Hans Ulrich Obrist? Warum werden beide genannt? Vielleicht haben wir irgendetwas ganz Einfaches nicht verstanden...
"Enzo Mari Curated by Hans Ulrich Obrist" wird am Samstag, den 17. Oktober im Triennale Museum Mailand, Viale Alemagna, 6, 20121 Mailand eröffnet und läuft bis Sonntag, den 18. April
Der Erfolg einer Ausstellung, das heißt, ob es ihr gelingt, mit den BesucherInnen in Kontakt zu treten, ihren Inhalt zu vermitteln und so mehr als nur den Wunsch zu wecken, möglichst schnell ins Museumscafé zu gelangen, hängt wesentlich von der Ausstellungsgestaltung ab. Selbst das interessanteste Thema wird in einer schlecht entwickelten Szenografie zur Qual. Mit "Art on Display 1949-69" will das Het Nieuwe Instituut Ausstellungsentwürfe von ArchitektInnen wie u.a. Lina Bo Bardi, Carlo Scarpa oder Alison und Peter Smithson zum Ausgangspunkt machen, um die Entwicklungen in der Herangehensweise an die Ausstellungsgestaltung in den unmittelbaren Nachkriegsjahrzehnten und womöglich im übertragenen Sinne bis heute zu erforschen.
Gezeigt werden die vorgestellten Ausstellungen als 1:1-Rekonstruktionen, genauer gesagt als partielle 1:1-Rekonstruktionen, das Het Nieuwe Instituut ist nicht so groß. "Art on Display 1949-69" verspricht nicht nur Überlegungen darüber zuzulassen, wie Ausstellungsdesign als Instrument der Informationsvermittlung eingesetzt werden kann, sondern geht auch der Frage nach, wie uns das Design eines Raumes beeinflusst, wie wir ihn erleben, auf ihn reagieren, mit ihm interagieren. Hinzu kommen in diesen Tagen auch Überlegungen zur Ausstellungsgestaltung im Kontext von Social Distancing und aktuellen Hygienevorschriften.
"Art on Display 1949-69" wird am Sonntag, den 4. Oktober im Het Nieuwe Instituut, Museumpark 25, 3015 CB Rotterdam eröffnet und läuft bis Sonntag, den 7. März.
"Shofuso und die Moderne" wurde im September eröffnet, ist aber gerade erst auf unserem Radar aufgetaucht. Deshalb werden wir so tun, als würde die Ausstellung im Oktober eröffnet.
Shofuso wurde 1953 in Nagoya, Japan, erbaut und 1954/55 im MoMA New York im Rahmen der Ausstellungsreihe "The House in the Museum Garden" des Instituts ausgestellt, bevor es an seinen jetzigen Standort in Philadelphia verlegt wurde. Das Haus basiert auf japanischen Hausbaumethoden und -prinzipien des 17. Jahrhunderts und wurde im Kontext der Versuche, die Nachkriegsbeziehungen zwischen Japan und Amerika zu kitten, realisiert. In der Ausstellung "Shofuso and Modernism" dient es als Ausgangspunkt für die Erforschung der Verbindungen hinsichtlich Architektur und Gestaltung zwischen Japan und Amerika.
Genauer gesagt handelt es sich um Verbindungen in den Bereichen Architektur und Design. Repräsentiert werden diese durch Junzo Yoshimura, dem für Shofuso verantwortlichen Architekten, George Nakashima, der wohl am besten für seine Möbelentwürfe der Nachkriegszeit und für seine Anwendung traditioneller Handwerkstechniken auf das modernistisch beeinflusste Möbeldesign bekannt ist, und durch Noémi Pernessin Raymond und Antonin Raymond, zwei ArchitektInnen, die einen Großteil der 1920er und 1930er Jahre in Japan arbeiteten und wichtige VermittlerInnen im Architektur- und Design-Dialog zwischen den USA und Japan waren.
Auf diese Weise sollte den BesucherInnen nicht nur ein konzentrierter Einblick in den Austausch zwischen Japan und Amerika während der Zwischen- und Nachkriegszeit ermöglicht werden, er sollte auch ein Verständnis für die Entwicklung der modernen Architektur und des Designs in Amerika bekommen, bei dem Europa mal nicht die Hauptrolle spielt. Die übliche Narration geht von einer Moderne aus, die mit ArchitektInnen wie Neutra, Mies van der Rohe, dem Bauhaus usw. nach Amerika gelangte. "Shofuso and Modernism" sollte nicht nur helfen, diese Verbindung zu lockern, sondern durch die Verbindungen der vier ArchitektInnen mit Frank Lloyd Wright seine Bedeutung für die Entwicklung der amerikanischen Moderne zu unterstreichen.
"Shofuso and Modernism" läuft bis Sonntag, den 29. November im Shofuso Japanese House and Garden, Lansdowne and Horticultural Drives, West Fairmount Park, Philadelphia, PA, 19131.
Das 1966 in Florenz gegründete Kollektiv Superstudio gehörte zu den führenden ProtagonistInnen der radikalen italienischen Architektur der 1960er Jahre. Ein Zeitpunkt in der Architekturgeschichte, an dem man in vielerlei Hinsicht aufhörte, Lebens- und Arbeitsräume zu entwickeln, und stattdessen Räume schuf, in denen man über Architektur, Stadtplanung, Design und ihre Beziehungen zur Welt nachdenken und reflektieren konnte. Architektur und Design wurden so kritischer, theoretischer und spekulativer aufgefasst und praktiziert als zuvor.
"Superstudio Migrazioni" verspricht neben Objekten des Industrie- und Möbeldesigns die Präsentation von Zeichnungen, Modellen, Filmen und Fotocollagen, die typisch für Superstudios Schaffen sind. Die Ausstellung will sowohl Superstudios Werk vorstellen, erforschen und untersuchen als auch versuchen, den zeitgenössischen Einfluss und die zeitgenössische Relevanz der Gruppe herauszustellen. Zu diesem Zweck werden auch die Arbeiten und Auffassungen von Zeitgenossen wie u.a. Hans Hollein, 9999 oder Rem Koolhaas herangezogen.
"Superstudio Migrazioni" wird am Freitag, den 30. Oktober im CIVA, Rue de l'Ermitage 55, 1050 Brüssel, eröffnet und läuft bis Sonntag, den 24. Januar.
1A.A. Milne, A Word for Autumn, in Not that it Matters, 1919 Available online at various sites, including https://books.google.de/A word for autumn
2quoted in Emilio Ambasz [Ed.], Italy: the new domestic landscape achievements and problems of Italian design, Museum of Modern Art, New York, 1972