Mit den Worten Goethes:
Wir würden mal sagen, das ist absoluter Blödsinn!
Unsere Empfehlungen für neue Architektur- und Designausstellungen im Februar 2020 führen uns nach Weil am Rhein, New York, Wien, Houston und Kerkrade, und stellen gekonnt unter Beweis, dass der Februar sehr viel mehr zu bieten hat als Karneval.
Seit Menschen Räume bewohnen, macht man sich Gedanken über deren Gestaltung und Einrichtung. Solche Überlegungen rückten - zumindest im europäischen Kontext - im Zuge der Renaissance zunehmend in den Vordergrund und wurden mit der Entwicklung des Jugendstils im späten 19. Jahrhundert und im Kontext der auf das sogenannte Gesamtkunstwerk fixierten ArchitektInnen immer professioneller. Diese Überlegungen waren nicht nur ästhetischer und/oder praktischer Art, sondern schlossen auch die sozialen, kulturellen, politischen, technischen und wirtschaftlichen Entwicklungen der Zeit mit ein.
Das Vitra Design Museum will genau diese Überlegungen im Verlauf des vergangenen Jahrhunderts verfolgen, aufzeichnen und sezieren, und sie anhand von zwanzig Fallstudien veranschaulichen.
Wenn wir die Informationen richtig verstanden haben, rollt die Ausstellung die Geschichte von hinten auf. Und zwar beginnend mit der Zeit zwischen dem Jahr 2000 und heute. Dazu gehören Projekte wie "Granby Four Streets Community Housing" in Liverpool von und mit dem Kollektiv Assemble oder "Yojigen Poketto" aus dem Jahr 2017 der in Madrid ansässigen Elii Architekten. Danach geht es in drei Schritten von je zwei Jahrzehnten zurück: Die Jahre 1960-1980 mit ihren PostmodernistInnen, ihren Radikalen, KünstlerInnen und FanatikerInnen, aber auch mit Andy Warhols Factory in New York. Dann 1940 - 1960, also die Kriegsjahre und die Frage, wie es weitergehen kann, veranschaulicht unter anderem durch Peter und Alison Smithsons "Haus der Zukunft", Finn Juhls eigenes Haus in Ordrup oder Lina Bo Bardis "Casa de Vidro". Es endet zu Beginn des Jahrhunderts mit 1920 - 1940, einer Periode, die durch Projekte wie "Das Neue Frankfurt", Mies van der Rohes "Villa Tugendhat" oder Elsie de Wolfes Buch "The House in Good Taste" von 1913 diskutiert werden soll.
Mit diesem breiten Spektrum an Projekten, Überlegungen und Erwägungen sollten die "Home Stories" nicht nur eine zum Nachdenken anregende Reise durch ein Jahrhundert der Innenarchitektur und des sich entwickelnden modernen Menschen bieten, sondern auch Reflexionen darüber ermöglichen, wie sich das vergangene Jahrhundert entwickelt hat und wie es sich hätte entwickeln sollen oder können.
"Home Stories: 100 Jahre, 20 visionäre Interieurs" wird am Samstag, den 8. Februar im Vitra Design Museum, Charles-Eames-Straße 2, 79576 Weil am Rhein eröffnet und läuft bis Sonntag, den 23. August.
Schon bei der Wiedereröffnung des Museums für Gestaltung Zürich im Jahr 2018 fiel uns in der neuen Dauerausstellung die regelmäßige Integration von Aschenbechern ins Möbeldesign des frühen 20. Jahrhunderts auf. Das erinnerte uns wiederum an die Zigarettenhalter, die Ferdinand Kramer als Teil seiner Inneneinrichtung für die Frankfurter Universität schuf. Und an die Tatsache, dass George Nelson auf jedem uns bekannten Foto von ihm raucht. Nelson war allerdings nicht der einzige Designer oder Architekt des frühen 20. Jahrhunderts, der eine Vorliebe fürs Rauchen hatte, fast alle rauchten ständig, soweit wir das feststellen können.
Wir erinnern uns daran, dass das Rauchen früher ein ganz normaler, mehr oder weniger erstrebenswerter Bestandteil des täglichen Lebens war, der nicht hinterfragt wurde. Der Aschenbecher war dementsprechend ein ganz alltäglicher Gegenstand und damit ein völlig normales Thema für DesignerInnen.
Basierend auf einem unveröffentlichten Artikel des Architectural Forum von ca. 1944 von Mary Mix mit dem Titel "The Sculptor and the Ashtray", verspricht die gleichnamige Ausstellung Isamu Noguchis Versuche der Entwicklung des perfekten Aschenbechers zu erforschen. Sie liefert damit hoffentlich einige konzentrierte, abstrakte und neue Einblicke in Noguchis Designprozesse und seine Vorstellungen der Beziehung zwischen Skulptur und Design, Handwerk und Industrie, zwischen Kunst und Leben. "The Sculptor and the Ashtray" wird so unser Verständnis von Isamu Noguchis Beitrag zum Design des 20. Jahrhunderts erweitern.
"The Sculptor and the Ashtray" wird am Mittwoch, den 12. Februar im The Isamu Noguchi Foundation and Garden Museum, 9-01 33rd Road, Long Island City, New York 11106 eröffnet und läuft bis Sonntag, den 23. August.
Aschenbecher-Prototypen von Isamu Noguchi ca. 1945 - 48 (Foto © INFGM/ARS, mit freundlicher Genehmigung des Isamu Noguchi Foundation and Garden Museum)
Mit Werken wie dem Miller House in Palm Springs, dem Ohara House, oder dem Mcintosh House in Silver Lake ist der Architekt Richard Neutra zum Symbol und zum Inbegriff einer offenen Wohnraumgestaltung geworden. Diese lädt das Äußere ins Innere ein und verlegt dabei gleichermaßen das Innere nach Außen und ist so spezifisch für Kalifornien geworden, dass man davon ausgeht, Richard Neutra sei in Kalifornien geboren und aufgewachsen. Stattdessen stammt Neutra aber aus Wien, wo er mit Persönlichkeiten wie Adolf Loos, Karl Mayreder oder Siegmund Freud bekannt war. Sein erstes Projekt war ein Friedhof in Luckenwalde, nahe Berlin.
Fünfzig Jahre nach Neutras Tod feiert das Wien Museum sein Leben und sein Werk auf zweifache Weise: Zum einen durch neue Fotos einiger seiner kalifornischen Häuser und zum anderen, indem Neutras Verbindungen zu seiner Heimatstadt Wien untersucht werden. All das klingt nach einer hervorragenden Einführung zu Richard Neutra, seinem Werk und vor allem zu seinen Theorien und Positionen. Die Ausstellung wird so hoffentlich unterstreichen, dass Neutras kalifornische Häuser, so fotogen sie auch sein mögen, sehr viel mehr sind und deutlich machen, wie ein Architekturverständnis, das sich in Wien und Luckenwalde zu Beginn des 20. Jahrhunderts entwickelte, in den Hollywood Hills und der kalifornischen Wüste zu einem so natürlichen Ausdruck fand.
"Richard Neutra. Wohnhäuser für Kalifornien" wird am Donnerstag, den 13. Februar im Wien Museum MUSA, Felderstraße 6-8, 1010 Wien eröffnet und läuft bis Sonntag, den 20. September.
Nachdem der Wiederaufbau und der wirtschaftliche Aufschwung der 1950er Jahre für ein Gefühl der Stabilität und Ruhe in Europa gesorgt hatten, war es unvermeidlich, dass eine neue Generation von Kreativen die Grundlage dieser Stabilität und die gesellschaftliche Zukunft in Frage stellen würde.
Zu den ausdrucksstärksten gehörten in diesem Kontext die VertreterInnen des italienischen "Radical Designs". Dabei handelte es sich überwiegend um ArchitektInnen oder als ArchitektInnen ausgebildete Personen, die nicht nur das vorherrschende Verständnis von Form, Funktion und Wert sowie die Beziehung zwischen BenutzerIn und Objekt in Frage stellten, sondern dabei völlig neue Vorstellungen entwickelten und das Vokabular von Design und Architektur grundlegend erweiterten. Die Bewegung des Radical Designs ist deshalb für die Entwicklung eines Großteils unserer zeitgenössischen Architektur und unseres Designs besonders relevant.
Die Ausstellung verspricht die Präsentation von etwa 70 Möbeldesigns, Lichtdesigns, Architekturmodellen und Gemälden von Einzelpersonen und Kollektiven wie, unter vielen, vielen anderen, Archizoom, Superstudio, Alessandro Mendini, Ettore Sottsass, Gae Aulenti oder Mario Bellini. "Radical: Italian Design 1965-1985" mag eine relativ kurze Ausstellung sein, aber sie verspricht eine gute Einführung und die Vertiefung eines sehr wichtigen und ausdrucksstarken Moments in der Geschichte von Architektur und Design.
"Radical: Italian Design 1965–1985" wird am Freitag, den 14. Februar im Museum of Fine Arts, 1001 Bissonnet, Houston, Texas 77005 eröffnet und läuft bis Sonntag, den 26. April.
Wie in der Ausstellung "Tod & Ritual - Kulturen von Abschied und Erinnerung" im Staatlichen Museum für Archäologie Chemnitz diskutiert wurde, war der Tod früher ein akzeptierter, normaler Teil des täglichen Lebens. Im Kontrast dazu haben wir in unserer heutigen Welt und sicherlich auch im europäischen Kontext kaum mehr Zugang zum Tod und doch werden wir alle sterben. Oder etwa nicht?
Mit "(Re)design Death" verspricht das Cube Designmuseum die Erforschung der zeitgenössischen und zukünftigen Beziehungen zum Tod in drei Kapiteln. Kapitel analog zu dem, was die KuratorInnen als "Prozess des Sterbens" bezeichnen - Vorbereitung, Abschied, Trauer & Leben nach dem Tod. Gezeigt wird, wie sich dieser Prozess in und durch Projekte von etwa 40 internationalen Kreativen widerspiegelt.
Doch so wie in vielen alten Zivilisationen der Tod nicht unbedingt das Ende bedeutete, so bleibt auch in unserer heutigen Zivilisation die Frage nach dem ewigen Leben bestehen. Eine Frage, die immer weniger philosophisch und immer mehr real beantwortet wird. In Anbetracht zunehmender Möglichkeiten wird "(Re)design Death" mit der Frage "Wollen wir ewig leben?" und den Ergebnissen eines Designwettbewerbs enden, bei dem junge DesignerInnen aufgefordert wurden, sich im Rahmen eines Projekts mit Gedanken und Reflexionen über das ewige Leben auseinanderzusetzen. Die drei Siegerprojekte werden realisiert und vorgestellt. Damit handelt es sich um ein Ausstellungskonzept, das eine breite Auswahl zeitgenössischer Designansätze anbietet und Raum und Zeit für Reflexionen über ausnahmsweise nicht den Sinn des Lebens, sondern den Sinn des Todes zur Verfügung stellt.
"(Re)design Death" wird am Donnerstag, den 11. Februar im Cube Design Museum, Museumplein 2, 6461 MA Kerkrade eröffnet und läuft bis Montag, den 26. Oktober.
1Johann Wolfgang von Goethe, Jahraus, jahrein