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Laut den in der Stadt großflächig verteilten Plakaten wollte die IMM Cologne 2019, "1000 Einrichtungsideen für Ihr Zuhause" präsentieren. Das mag so gewesen sein. Wir haben aber nicht nachgezählt, denn welche Bedeutung hat diese Zahl, wenn die eigentlichen Ideen nicht sinnvoll, logisch und vertretbar sind? Jedenfalls können wir nicht bestätigen, dass es 1000 Ideen gab. Klar ist, dass die Grundidee der IMM Cologne 2019 "Konsolidierung" war, das heißt die Präsentation bekannter Linien in verschiedenen Farben, Materialien, Höhen, Breiten, etc..
Das ist natürlich ein Kommentar, den wir immer öfter zu Möbelmessen abgeben, und wahrscheinlich wird dieser Eindruck am Ende auch dazu führen, dass wir nicht mehr teilnehmen. Wie immer wollen wir uns nicht beschweren. Es sollte aber nicht immer alles neu, neu, neu sein müssen - schließlich geht es um Möbel und nicht um Mode.
Allerdings gab es auf der IMM Cologne einige sehr intelligente, sinnvolle, logische und absolut gerechtfertigte Konsolidierungen. Trotz allem muss es auch Neues geben, denn einerseits entwickeln sich Technologie und Materialien immer wieder neu und Möbeldesigner, genauer gesagt die Designmöbelindustrie, ist verpflichtet, auf diese Veränderungen zu reagieren. Andererseits verändert sich auch die Gesellschaft immer wieder und so auch die Anforderungen, die wir an unsere Möbel stellen, sei es in funktionaler, ästhetischer oder ökologischer Hinsicht. Auf neue Realitäten zu reagieren, Konventionen herauszufordern, Lösungen zu präsentieren, ist die Grundlage dessen, was die Designmöbelindustrie und Möbeldesigner ausmacht, ihre Zukunft kann nur dort liegen.
In diesem Sinne und wie immer mit dem Hinweis, dass uns einiges entgangen sein mag, unsere High Five der IMM Cologne 2019.
Der ehemalige Bauhaus-Architekt Herbert Hirche ist trotz der Wiederentdeckung durch Richard Lampert eher eine Schattengestalt in der Geschichte des Möbeldesigns geblieben. Für uns gehört er aber zu den interessantesten und engagiertesten Designern der Nachkriegszeit.
Und gerade in diesem einmaligen Bauhaus-Jahr führt uns Richard Lampert zu einem weiteren "verlorenen" Hirche-Design. Der Hirche 350 wurde 1974 für Mauser entwickelt, ein Unternehmen, das wie Hirche seinen Ursprung in der Möbelproduktion der 1920/30er-Jahre hat. Es handelt sich dabei um einen quadratischen Polsterstuhl, der ursprünglich Teil eines Systems mit aufeinander abgestimmten Komponenten war, darunter auch ein Tisch, der in Köln präsentiert wurde. Obwohl dieser auf den ersten Blick nicht unbedingt zu dem passt, was man von Hirche erwarten würde, vereint er doch alle Komponenten eines für Hirche typischen Designs: Klare Geometrie, leichte Zugänglichkeit, materielle und visuelle Reduktion gepaart mit einer leichten Eigenartigkeit.
Obgleich ursprünglich und auch in der Neuauflage unmissverständlich als Büro-/Wartezimmerstuhl gedacht, können wir uns den Hirche Stuhl 350 auch im Wohnbereich vorstellen. In die Bereiche Einzelhandel oder Gastronomie bzw. eben in Büros oder Wartezimmer passt er auch sehr gut.
Die Tatsache, dass der Hirche Sessel 350 auf dem Richard-Lampert-Stand auf der IMM Cologne 2019 zu finden war, macht wieder mal deutlich, dass Lampert eben nicht zu den Herstellern gehört, die Lücken im Portfolio schließen möchten, sondern zu denen, die echtes Interesse und eine klare Position in Sachen Möbeldesign haben.
Das Physical Sketchbook von Mu Hau Kao wurde für den Pure Talents Wettbewerb nominiert und ist ein mobiler, temporärer Hocker, der hauptsächlich für öffentliche Räume, aber auch, wie wir finden, fürs Büro, den heimischen Balkon und alle Orte, an denen ein lagerfähiger, pflegeleichter Hocker benötigt wird, geeignet ist.
Trotz seines scheinbar wackligen Charakters bietet Physical Sketchbook eine überraschend hohe Sitzstabilität. Der Nutzer stützt sich wahrscheinlich unbewusst mit den Beinen ab, was nicht sein muss, allerdings dazu führt, dass man aufrechter und ergonomisch aktiver sitzt.
Abgesehen von der Einfachheit der Konstruktion und der Art und Weise, wie das Objekt den Nutzer leise anleitet, hat es uns die schamlose Extravaganz des sattelförmigen Sitzes besonders angetan. Ja, er sorgt für Sitzkomfort, aber angesichts des ansonsten so reduzierten, klaren, unkomplizierten Objekts ist der Sitz fast eine Provokation - eine Provokation, der wir absolut zustimmen!
Physical Sketchbook ist stapelbar, leicht zu verstauen und wenn die Hocker nicht in Gebrauch sind, gehen besonders die farbigen Versionen und die Varianten aus verschiedenen Hölzern als absolut dekorativ durch. Der Hocker ist ein sehr schönes Beispiel dafür, wie man seiner Intuition bei der Entwicklung einer Idee hin zu einem Objekt folgen kann, ohne sich übermäßig von konzeptionellen und funktionellen Erwägungen ablenken zu lassen.
Angesichts der Tatsache, dass das in Dänemark ansässige Unternehmen mit dem finnischen Namen "Muuto" immer bestrebt ist, auf seine skandinavischen Wurzeln hinzuweisen, und man mit Skandinavien ja auch klare Luft und angenehmes Licht verbindet, ist es seltsam, dass die Linear-Steel-Serie Muutos ersten Ausflug ins Freie darstellt.
Es ist aber so.
Die von Thomas Bentzen entworfene Kollektion Linear Steel wird ihrem Namen gerecht: Sie ist linear, aus Stahl gefertigt und zudem angenehm und sofort zugänglich. Die Möbel der Serie wirken leicht vertraut, ihre Form ist funktional und optisch gut durchdacht, und so besitzt die Muuto Kollektion eine visuelle Leichtigkeit, die ihrer physikalischen Masse widerspricht. Man möchte wirklich nicht mit den Zehen dagegen schlagen. Was allerdings nicht heißt, dass sich die Bänke nicht problemlos von einer Person verschieben lassen. Um sie über weitere Strecken zu tragen, bedarf es allerdings mehr als einer Person, was natürlich umso besser ist, fördert es doch letztlich die soziale Interaktion.
Es war einmal in Berlin, da verliebten sich ein Adirondack Stuhl und eine Schubkarre, heirateten und gründeten eine Familie... so denken wir uns gern den Beginn der Geschichte des Takahashi Lounge Chair von Objekte unserer Tage.
Zwar ist der Takahashi Lounge Chair bereits seit 2016 im Portfolio des Berliner Labels vertreten, wir haben ihn allerdings erstmals auf der Kölner Möbelmesse 2019 gesehen, was beweist, dass auch uns manches entgeht, wir aber irgendwann trotzdem mitbekommen, was wir mitbekommen sollen. Trotz seiner starken physischen Präsenz hat der Takahashi Chair etwas charmant Bescheidenes an sich - er vermittelt Leichtigkeit, Selbstvertrauen und Unschuld, verknüpft mit einem angenehmen, wenn auch unnötig überdimensionalen, Volumen und einer sehr angenehmen Sitzposition. Aus diesem Grund können wir uns den Takahashi Chair in so ziemlich jedem Raum, ob Büro oder Haushalt, vorstellen. Im Bürokontext vielleicht als Ruhepol in einem Relax-Bereich, zu Hause entweder mit Kissen und Decken als gemütlicher Rückzugsort oder, spartanischer, ohne solchen Komfort, als Ergänzung zur heimischen Bibliothek.
Die Geschichte des High-Density Chairs beginnt, wie viele gute Dinge im Leben, mit Wein. Hier allerdings, wie wir annehmen, in erster Linie mit Weinfässern. Aber man kann nie wissen.
Im Rahmen eines Projekts für einen High-End-Küchenartikelhersteller begann Magnus Mewes, dessen eigentliches Spezialgebiet Möbel aus gebrauchten Weinfässern sind, mit Walter Amrhyn zusammenzuarbeiten, der damals an der Entwicklung eines Verfahrens zum Prägen von Massivholz arbeitete. Aus dieser Forschung entstand ein Verfahren, mit dem Massivholz an einer bestimmten Stelle kontrolliert verformt werden kann. Dabei ist es wichtig zu betonen, dass es sich um Massivholz handelt - nicht um Furnier oder Sperrholz.
Wie bei Michael Thonets Bugholzverfahren, ist die Sache viel komplizierter, als sie klingt. Und so widerspricht das Ergebnis, auch wieder wie bei Michael Thonets Verfahren, in seiner Einfachheit den Komplikationen der Anfertigung. Wie in der Kunst, der Musik und der Literatur ist es auch im Design besonders erfreulich, mit anspruchsvollen Verfahren eine einfache, offensichtliche Form zu kreieren.
Der High-Density-Stuhl befindet sich noch in der Entwicklung, es handelt sich also bisher im Wesentlichen um ein Experiment. Thomas Schnur zeigt mit dem High-Density-Stuhl allerdings, dass vieles nicht nur möglich, sondern auch sinnvoll und begrüßenswert ist: Die Verformung des Holzes an der Stelle, an der es mit der Rückenlehne/dem Sitz verbunden ist, ermöglicht eine saubere, effiziente Verbindung, die dem Produkt viel mehr Charakter verleiht, als herkömmliche Varianten. Darüber hinaus eröffnet die Prägung von Massivholz nahezu unbegrenzte dekorative Möglichkeiten. Das Verfahren beschränkt sich dabei keineswegs auf Stühle, sondern ließe sich, wie wir uns vorstellen können, auf alle Möbelgenres anwenden.
Abgesehen vom Herstellungsverfahren reduziert Thomas Schnur, wie so oft bei seinen Designs, die Anzahl der Arbeitsschritte auf ein Minimum, wodurch nicht nur der Arbeitsaufwand, sondern auch der Ressourceneinsatz und die Abfallmenge reduziert werden: Sitz- und Rückenplatten sind ein und dasselbe und ermöglichen so einen sehr effizienten, reduzierten, wenn auch aus maschinenbaulicher Sicht sehr komplexen Produktionsprozess.
Wir freuen uns sehr darauf zu erfahren, wie und wo sich das Projekt weiterentwickelt.