Wie die treuen Leser unseres Blogs sicher wissen werden, machen uns nur wenige Dinge so fertig wie die Möbelmesse Mailand. Jedes Jahr ist unser einziger Wunsch auf dem Weg über die Alpen, dass wir etwas finden werden, für das sich der Weg gelohnt haben wird. Die Möbelmesse Mailand 2017 hat sehr viel mehr solcher Momente hervorgebracht als üblich und so werden wir wohl auch im nächsten Jahr wieder dabei sein!
Unsere High Five der Mailänder Möbelmesse 2017!
Damals auf der Neocon 2016 haben wir uns über einen Mangel an Objekten, auf denen sich die Besucher kurz ausruhen können, beschwert. Beim Warten oder einfachen Zeit totschlagen will man sich nicht immer gleich hinsetzen anstatt zu stehen. Manchmal will man sich einfach nur kurz auf einem Hocker niederlassen. Das "Hockerproblem" betrifft nicht nur öffentliche Räume, auch im Wohnbereich fehlen solche "Sitzgelegenheiten" häufig. Viele kennen die Situation: Man hat den Mantel an, will gerade zur Arbeit, da postet jemand das ultimative Foto, woraufhin man die nächsten 5 Minuten damit zubringt, den Post zu kommentieren und zu teilen. Man will sich aber nicht hinsetzen, weil man eigentlich gerade auf dem Weg durch die Tür war. Oder man ist gerade beim Abwasch, wenn die letzte Autovermietung anruft und um eine Kundenbewertung bittet und verbringt die nächsten 5 Minuten damit "Danke, sehr gut" zu sagen, will sich aber nicht hinsetzen. Oder aber man wartet auf seine bessere Hälfte, die einfach nicht fertig wird, ist selber aber schon ausgehbereit - will sich aber nicht hinsetzen, sondern nur kurz auf einem Hocker warten. Das Objekt Linea von Wesley Walters und Salla Luthasela für den finnischen Hersteller Nikari ermöglicht einem genau das.
Wir behaupten nicht, dass solche Stehhocker etwas neues sind - der Barhocker ist vielmehr eine sehr sehr alte Erfindung. Aber Linea ist ein besonders feiner Vertreter seines Genres. Ordentlich proportioniert, intelligent konstruiert, leicht und unaufdringlich fordert Linea wenig Aufmerksamkeit ein und wird nie mehr sein als er sein soll. Aber vor allem der kleine knopfartige Sitz ist komfortabel, ohne ein richtiger Sitzplatz zu sein. Ein wirklich fesselndes Projekt und eines, das beweist: Stehhocker müssen nicht wackeln.
Wir haben wirklich nie daran gedacht, dass USM in einem unserer High Five Posts auftauchen könnte. Nicht weil wir USM nicht mögen, sondern weil einer der faszinierenden Aspekte des Systems seine Vollständigkeit ist. Wie könnte man dieses schlichte System weiterentwickeln? Was wäre USM Haller noch hinzuzufügen?
Licht.
USB Aufladestationen.
Was uns an der neuen Entwicklung am meisten amüsiert, ist, dass man derzeit keine Studentenausstellung und kein Designfestival findet, ohne auf Objekte zu stoßen, bei denen jemand LEDs in einem Stück Metall oder Holz platziert hat. Obwohl wir solche Konzepte schon unzählige Male gesehen haben und obwohl an unserem Schreibtisch ein USM Metallrohr angebracht ist (das ist eine andere, etwas längere Geschichte) und obwohl wir häufig nichts weiter zu tun haben, als auf dieses USM Metallrohr zu starren, ist uns nie in den Sinn gekommen, dass man dieses Rohr benutzen könnte, um elektrische Drähte und so auch Leuchtkörper und USB Ladestationen zu integrieren. USM hingegen ist auf die Idee gekommen und während der letzten sieben Jahre wurde die Idee weiterentwickelt und schließlich eine Lösung gefunden, die so simpel, schön und patent ist wie das System selbst.
Durch die Adaption der Verbindungskugeln und Konnektoren - sie wurden gewissermaßen auch im elektonischen Sinne zu Verbindungselementen gemacht - kann der Strom durch speziell adaptierte Rohre geleitet werden, in die USB Ladestationen oder LED Lichtstreifen mit kühlem oder warmweißen Licht integriert werden können. Es handelt sich also um eine Lösung, die auch auf jede bereits existierende USM Einheit angewendet werden kann, ohne die Ästhetik zu stören. Besonders erfreulich ist die automatische On/Off-Funktion für die Türen: praktisch für dunkle Nächte im Büro, wenn man keine Lust hat, die Deckenbeleuchtung anzuschalten, aber dringend einen Gin aus dem USM Barschrank oder irgendein Dokument benötigt. Ansonsten können wir uns so etwas gut an Ausstellungsständen vorstellen oder einfach als diffuse Hintergrundbeleuchtung. Die USB Aufladestation ist heutzutage hingegen unverzichtbar und daher ist es mehr als erfreulich, wenn diese so mühelos und logisch ins häusliche USM Regal integriert ist.
Jetzt da es die USM Aufladestation gibt, warten wir sehnsüchtig auf die USM Discokugel...
Es entspricht der Wahrheit, wenn wir behaupten, dass uns nur wenige Objekte auf der Möbelmesse Mailand 2017 so beschäftigt haben wie der Primo Chair von Konstantin Gricic für Mattiazzi. Wir haben uns Primo 4 oder 5 mal angesehen und kamen jedes Mal etwas begeisterter von diesem Stuhl zurück. Wie bei so vielen von Konstantin Grcics Objekten gibt es auch hier nichts Besonderes bezüglich des Genres oder Konzepts zu sehen, aber eine Menge Besonderes in Sachen Realisation und Form. In gewisser Weise übertrifft Konstantin Grcic mit dem Primo Chair Oswald Mathias Unger, dessen wenige Stuhldesigns es nie zu einer derart unerbittlich quadratischen Haltung gebracht haben. Eine unerbittliche quadratische Haltung, die im Falle des Primo Chairs ihr wunderbares Gegenstück in der geschwungenen, sehr komfortablen Rückenlehne findet. Solide in den vertikalen Hinterbeinen verankert, löst die Rückenlehne das quadratische Konstruktionsprinzip nicht auf, sondern verstärkt es vielmehr und betont es auf eine ganz besondere Weise.
Und was ist an alldem so besonders? Mit seiner Schlichtheit, Ernsthaftigkeit und der bloßen Anforderung an seine Umgebung ist der Primo Chair ein wirklich herrschaftliches Objekt in einem unaufdringlichen Gewand. Eine Arbeit mit der Konstantin Grcic ein simples Objekt des täglichen Lebens entsprechend sehr feiner und kultivierter Parameter neu interpretiert hat und am Ende ein Stuhl, der mehr ist als nur die Summe seiner Teile - mehr als nur quadratische Stücke Holz, auch wenn diese zentral sind und das Design definieren. Stapelbar bis zu drei Stühle und mit oder ohne Sitzpolster erhältlich, ist an Primo vor allem die Kompaktheit besonders erfreulich: Mit nur 40 Zentimetern Breite, 45 Zentimetern Tiefe und 78 Zentimetern Höhe ist Primo kleiner als vergleichbare Stühle und bietet dennoch mehr als genug Platz für eine sichere, stabile und komfortable Sitzerfahrung. Alles in allem ein wirklich tolles Projekt.
Eines der Highlights von Mailand im Jahr 2012 war für uns, dass wir auf das französische Label La Chance aufmerksam wurden. Das mag daran gelegen haben, dass La Chance in der Bahnhofshalle des Nationalmuseums für Wissenschaft und Technologie ausgestellt hat - wir hoffen aber, es lag an der Möbelpräsentation. Seitdem haben wir La Chance etwas aus den Augen verloren. Nicht zuletzt weil wir den Eindruck hatten, das Label sei eher aufs Abstellgleis geraten. Vor dem Aus hat sich der Wind offenbar gedreht und jetzt bewegt man sich in eine sehr viel erfreulichere Richtung und entwickelt ein schönes Portfolio mit sehr selbstbewussten, autonomen, wenn auch nicht immer einfachen Objekten.
Eines der Zugpferde von La Chance ist die X-Ray Kollektion des in Brüssel ansässigen Designers Alain Gilles. Selbstbewusst ohne aufdringlich oder überheblich zu sein, begann X-Ray als Sofa Kollektion. 2017 präsentierten Alain und La Chance ein passendes Tagesbett, sowie den Sessel und Ottoman/Beistelltisch, wobei vor allem die Liege unsere Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat, und das, obwohl uns das Konzept Tagesbett grundsätzlich eher suspekt ist. Besonders schön am X-Ray Tagesbett ist die Holzstange, die die Matratze umrahmt, ohne dominant zu sein und dem Bett Proportion und Stabilität verleiht. Außerdem wurde die Stange marginal oberhalb der "Matratzenhöhe" angebracht, sodass sie als Barriere für ein Kissen dienen kann. Weniger schön sind die gelben Bezüge, das aber auch nur, weil sie das Fotografieren bei Messebeleuchtung zu einem Alptraum machen.
Als die Ausstellung "Ronan und Erwan Bouroullec: 17 Screens" in Tel Aviv eröffnet wurde, wandten wir ein, dass die eine oder andere Idee aus der Forschung sich an irgendeinem Punkt ihren Weg in die Produkte der Bourroulecs bahnen würde. Wir hatten dabei eher an Verbindungssysteme gedacht und weniger an die Typolopgie eines hängenden Objektes. Aber warum nicht? Das sehr schöne, präzise proportionierte und ruhige Objekt Verticale, das den Ton angibt, ohne dominant oder aufgeblasen zu wirken, sperrt das Licht im Grunde genommen in einen Rahmen aus Aluminium - oder versucht es zumindest, denn wie es in der Natur des Lichtes liegt, breitet es sich aus; und das tut es bei Verticale auf wunderbare Art und Weise.
Ein sehr elegantes Objekt, das genauso gut ein Jahrhundert früher hätte entwickelt werden können - wir können uns gut vorstellen wie Verticale den Eingang eines frühen Museums für Angewandte Kunst oder das Vestibule eines progressiven Industriellenstadthauses aus dem frühen 20. Jahrhundert ziert. Die vertikalen Module können einzeln oder in Gruppen eingesetzt werden und sind gute drei Meter hoch; so passt Verticale nicht in jedes Haus, bzw. nehmen wir mal an, nicht in jedes Haushaltsbudget, und wird so wohl eher im öffentlichen Raum, in Rezeptionen, Hotels etc. ... zu finden sein.
Leider haben wir Verticale nicht im ausgeschalteten Zustand gesehen und können deshalb nicht sagen, ob die Leuchte auch ausgeschaltet über die gleiche Eleganz und diesen Zauber verfügt, aber wir gehen mal davon aus.