"Hast du jemals einen Roboter getroffen?" fragt das Vitra Design Museum.
Die Antwort ist Ja.
Auf die anderen 13 Fragen, die die Ausstellung "Hello, Robot. Design zwischen Mensch und Maschine" stellt, findet man nicht unbedingt so leicht eine Antwort. Sie sind aber wichtig, wenn es darum geht unsere Beziehung zu digitaler Technologie zu bestimmen.
Das Vitra Design Museum öffnet eine seiner großen Ausstellungen namens ''Hallo, Robot. Design zwischen Mensch und Maschine'', die den aktuellen Boom in der Robotik im Detail zum ersten Mal untersucht. Die Roboter-Show des Museums umfasst mehr als 200 Exponate aus den Bereichen Design und Kunst und umfasst Roboter, die im Haushalt, in der Pflege und in der Industrie sowie in Computerspielen, Medieninstallationen und Beispielen von Filmen und Literatur eingesetzt werden. Die Ausstellung wird bis 14. Mai 2017 im Vitra Design Museum in Weil am Rhein, Basel, stattfinden und zeigt die vielfältigen Formen, die Robotik heute übernimmt und gleichzeitig das Bewusstsein für die damit verbundenen ethischen, sozialen, und politische Fragen.
Den letzten Absatz haben nicht wir verfasst, sondern er wurde automatisch von einem Computer generiert. Dass ihr solche computergenerierten Texte sehr viel häufiger lest als ihr es wisst, ist sehr wahrscheinlich: der Aufstieg der Roboter betrifft nämlich nicht nur die Bereiche Produktion, Wohnung, das Gesundheitswesen und den Transport, sondern auch die Medien. Dabei geht es vielleicht nicht um Roboter im traditionellen Sinne, sondern um Systeme, die in der Lage sind zu lernen, zu adaptieren, automatisch zu agieren und beispielsweise Wettervorhersagen, Finanzberichte, Produktbeschreibungen, und auch SEO-optimierte Blogposts weltweit, auf täglicher Basis und in ungeahnter Quantität zu produzieren. Darüber hinaus gibt es die diversen "Bots", die mit uns in Foren, als Onlinekundenberater und auch in den sozialen Netzwerken kommunizieren. Ganz offensichtlich sind sie dort in der Lage Meinungen zu beeinflussen und Wahlen eine Richtung zu geben.
Wie es der Kollege oben schon so wunderbar auf den Punkt gebracht hat, hofft das Vitra Design Museum darauf mit "Hello Robot" unser "Bewusstsein zu erweitern"; und das nicht nur im Hinblick auf die "ethischen, sozialen, und politischen Probleme, die die aktuelle Roboterkultur mit sich bringt, sondern auch hinsichtlich des zunehmenden Umfangs des Begriffs "Roboter" in der aktuellen Zeit. Vor allem handelt es sich um ein Thema, in das wir alle sehr viel mehr Zeit investieren müssen.
Die in Kooperation zwischen dem Vitra Design Museum, dem MAK Wien und dem Design Museum Gent organisierte und kuratierte Ausstellung "Hello Robot. Design zwischen Mensch und Maschine" beginnt mit einem Überblick über Roboter im kulturhistorischen Kontext. Literatur, Kunst, Film, Musik und Kindheit werden genutzt, um die Entwicklung unserer Beziehungen zu Robotern zu untersuchen. Weiter betrachtet die Ausstellung Roboter im zeitgenössischen Kontext von Arbeit, Wohnung, Gesundheitswesen sowie bezüglich unserer emotionalen Bedürfnisse. "Hello Robot" schließt mit einem Blick auf zukünftige Szenarien und die Verwendung von Robotertechnologie beispielsweise in sogenannten Smart Homes, Wearables und "lernenden" Gebäuden.
Eingewoben in die Ausstellung sind 14 Fragen, mit denen die Kuratoren hoffen die Besucher mit ihren eigenen Gedanken und Meinungen zu Robotern, Robotertechnologie und digitaler Evolution zu konfrontieren.
Oder besser gesagt: eingewoben in die 14 Fragen sind Beispiele von Robotern, Robotertechnologie und digitaler Evolution. Für uns sind die 14 Fragen nämlich der eigentliche Kern der Ausstellung.
Ein wiederkehrendes Thema in den Gesprächen während der Ausstellungseröffnung war die Ambivalenz. Für die Kuratorin des Vitra Design Museums, Amelie Klein, war die Ambivalenz der öffentlichen Haltung gegenüber Robotern, einer der ersten Anstöße für diese Ausstellung. Und für uns ist eben dieses ambivalente Verhältnis sicherlich der wichtigste Aspekt der Ausstellung, und hat uns tatsächlich als erstes daran interessiert.
Technologie entwickelt sich, wird immer klüger, und greift auf immer mehr Bereiche unseres Lebens zu - wer fällt also eigentlich noch die Entscheidungen? Und inwiefern sind die Entscheidungen betreffend neuer Technologien, die wir alle individuell treffen, bewusste, aktive Entscheidungen?
Wie wir schon in einem früheren Post festgehalten haben: niemand hat uns jemals gefragt, ob wir mit einem Himmel voller Versanddrohnen einverstanden sind. Wir sind es nicht! Die Idee ist einfach grauenhaft. Es ist unfassbar arrogant von Amazon, DHL etc. ... einfach davon auszugehen, dass wir mit diesen Drohnen einverstanden wären. Und sie scheinen sich ihren Weg zu bahnen. Billy Bragg sang bekanntermaßen über einen schwarzen Himmel voller Bomber... heute sieht es eher nach einem verdunkelten Himmel voller Drohnen aus... auch wenn sich alle, denen diese Idee zuwider ist, beschweren.
Zuerst aber muss man sich eine Meinung bilden, und dazu benötigt man Fragen. Die 14 Fragen, die "Hello Robot" stellt sind dafür ein wunderbarer Ausgangspunkt. Dabei handelt es sich manchmal um Fragen nach dem persönlichen Verhältnis zu Robotern, wie "Was war deine erste Erfahrung mit einem Roboter?", dann wieder um Fragen nach der grundsätzlichen Meinung über Roboter: "Brauchen wir Roboter?", und dann geht es wiederum eher um fundamentale Fragen nach der Interaktion zwischen Mensch und Roboter: "Hättest du gern einen Roboter, der sich um dich kümmert?", "Vertraust du Robotern?" Das sind nicht die einzigen Fragen, die man sich in diesem Kontext stellen sollte, sie helfen aber dabei die Dinge in den Fokus zu rücken.
Was uns an "Hello, Robot" wirklich amüsiert, ist, dass viele der Themen, die abgedeckt und debattiert werden, die gleichen sind, mit denen sich auch Leute wie William Morris im späten 19. Jahrhundert vor dem Hintergrund der wachsenden Fabrikproduktion beschäftigt haben.
Als Gesellschaft haben wir uns nicht wirklich weiter bewegt. Alles, was sich verändert hat, ist der Kontext: damals war es der Durchbruch analoger Maschinen, heute ist es der der digitalen Maschinen. Hinzu kommt natürlich, dass die digitalen Maschinen in unsere Leben integriert sind. Sie sind nicht einfach nur so etwas wie "unsere Fabriken". Eine Wahrheit, die "Hello Robot" wunderbar herausstellt, indem betont wird, dass Roboter heute nicht mehr sind, was sie einmal waren. Roboter sind nicht nur Maschinen, die uns nachahmen oder bestimmte Tätigkeiten für uns wiederholen. Die Tage von "Ja tvoi sluga, Ja tvoi Rabotnik" sind lange gezählt und das Konzept des Roboters wurde um eine ganze Bandbreite selbstlernender, autonomer Systeme erweitert.
Nicht dass Morris in all seinen Ausführungen gegen Maschinen gewesen wäre - er sah ungeahnte Vorteile beim Gebrauch neuer Technologien, warnte allerdings auch vor den Risiken. Er warnte davor, denen, die die Maschinen "besitzen" zu viel Macht und Kontrolle zu geben, und vor den potenziellen Konsequenzen für das Individuum, die soziale Gerechtigkeit und die Gleichberechtigung. Maschinen sollten unsere Freiheit stützen, anstatt uns durch neue Abhängigkeiten zu versklaven oder neue Unterschichten von Entrechteten zu kreieren.
Damals war es der Fabrikbesitzer heute ist es der Technologiekonzern.
Aber wie Morris ist auch "Hello Robot" nicht gegen Roboter, neue Technologien oder Technologiekonzerne. Weit gefehlt! Die Ausstellung bewertet unser Zeitalter vielmehr ganz positiv und feiert alle Helden, die uns helfen Wege zu finden, uns mit den neuen Möglichkeiten zu arrangieren und so die mutige neue Wende zu schaffen, nach der es uns alle so sehnt. Das, was die Roboter in den 50er Jahren schon versprachen, ist auch eine Warnung: das Thema ist zweischneidig, gerade weil die neuen Technologien zunehmend in unser tägliches Leben integriert werden.
Die Frage ist und war eine der Balance. Dabei geht es nicht so sehr darum, ob man zu weit geht - Grenzen sind dazu da übertreten zu werden -, sondern darum, ob man blind Begriffe wie "neu" und "möglich" mit "wünschenswert" gleichsetzen sollte. Das mag oft, aber eben nicht immer zutreffen.
Was uns zurückbringt zu den Versanddronen.
Mit selbstfahrenden Autos wollen wir gar nicht erst anfangen.
Als Designausstellung befasst sich "Hello, Robot" auch mit Fragen der Form und der Produktion unserer (nahen) Zukunft. Diese Fragen stehen nicht im Vordergrund der Ausstellung und werden auch nicht direkt gestellt, sie sind aber sehr präsent. Eines von William Morris' zahlreichen Problemen mit Maschinen, und eines das eine Generation später von Leuten wie Wilhelm Wagenfeld wieder aufgegriffen wurde, war ein Verlust von Schönheit durch maschinelle Produktion. Analoge Maschinen verfügen natürlich nur über eine begrenzte Funktionalität, aber haben Roboter ein Gespür für Schönheit? Oder Ästhetik? Können Roboter aktive Entscheidungen bezüglich der Form treffen? Können Roboter "designen"?
Dirk van der Kooijs immer wieder entzückender Endless Chair wird von einer Maschine produziert, die strikt einem festgelegten Programm folgt - ein Beispiel also für einen Roboter im klassischen Sinne. Ein Algorithmus allerdings, der sich bestimmter Konzepte wie beispielsweise der Fibonacci Folge oder der Proportionalität "bewusst" ist, könnte auch in der Lage sein aktive formale Entscheidungen zu fällen, die etwas zur Form und Gestalt des endgültigen Objektes beitragen. Wo steht dabei der Designer?
In ähnlicher Hinsicht präsentiert "Hello, Robot" zahllose roboter- bzw. computergesteuerte Architekturprojekte; am greifbarsten vielleicht der Elytra Filament Pavillon, der vor dem VitraHaus steht. Entwickelt wurde der Pavillon von einem Team des Instituts für computerbasiertes Entwerfen (ICD) an der Uni Stuttgart. Er besteht aus Glas- und Carbonfasern. Die einzelnen Module sind durch einen Algorithmus definiert und wurden von einem Industrieroboter gebaut. Sollte in Zukunft ein Algorithmus in der Lage sein, über eine Form zu entscheiden, die die zukünftige Form eines Gebäudes bestimmt? Wo bleibt da der Architekt?
Roboter haben bereits viele manuelle Aufgaben übernommen, warum also nicht auch kreative Aufgaben?
Das auf einem 2D-Level diese Frage sehr real ist, wird nicht nur wunderbar durch die bereits erwähnten computergenerierten Texte demonstriert, sondern auch durch den "Hello, Robot"-Ausstellungskatalog. Das Layout des in Zusammenarbeit mit der Berliner Designagentur Double Standards realisierten Katalogs wurde von einem Algorithmus bestimmt. Wo bleibt da der Grafikdesigner?
Die künstlerische Integrität, Individualität und Freiheit des Layouters ersetzt durch eine Maschine. Beim Gang durch die Ausstellung hört man sprichwörtlich, wie sich William Morris in seinem Grab umdreht.
In Anbetracht des Umfangs der Ausstellung ist "Hello, Robot" notwendigerweise eine relativ oberflächliche Ausstellung, zumindest nach der Einführung am Beginn der Ausstellung: es gibt einfach nicht die Möglichkeit der Unzahl der präsentierten Themen richtig auf den Grund zu gehen. Dem würden wir ganz klar zustimmen: um relevant und interessant zu sein, muss eine solche Ausstellung individuelle Gedanken und Überlegungen anregen und unterstützen. Dass gelingt "Hello, Robot" sehr gut. Die Ausstellung ist dabei wie gesagt eher zweitrangig - an erster Stelle stehen die Fragen. Das erklärt möglicherweise auch den Mangel an einer erkennbaren Szenografie, einem klaren Ausstellungsdesign: die Exponate sind klar und logisch um die einzelnen Themen herum arrangiert - mehr aber auch nicht.
Alles weitere ist dem Besucher selbst überlassen.
Wir können euch also nur raten die Gelegenheit zu nutzen und euch eine eigene Meinung zu bilden. Bevor diese Aufgabe noch ein Roboter übernimmt ...
"Hello, Robot. Design zwischen Mensch und Maschine" läuft im Vitra Design Museum, Charles-Eames-Strasse 2, 79576 Weil am Rhein bis Sonntag, den 14. Mai.
Alle Details, darunter die Informationen zum Rahmenprogramm sind unter www.design-museum.de zu finden.