Der deutsche Designer und Silberschmied Christian Dell ist wohl am bekanntesten für seine zahlreichen Leuchtendesigns, die er in den 1920er- und 1930er-Jahren entwickelte.
Christian Dell war allerdings auch ein Pionier des Kunststoffdesigns - wenn auch nur für sehr kurze Zeit.
Der am 24. Februar 1893 in Offenbach am Main geborene Christian Dell schloss anfänglich eine Ausbildung zum Silberschmied ab, bevor er an der Königlichen Zeichenakademie Hanau studierte und danach als Geselle zuerst in Dresden und dann unter Henry van de Velde an der Großherzoglich-Sächsischen Kunstgewerbeschule in Weimar tätig war. Nach einer Unterbrechung durch Krieg und Wehrdienst führte Christian Dell seine Gesellenlaufbahn in München und Berlin weiter und schloss danach sein Meisterstudium in Hanau ab. Im Jahr 1922 kehrte Christian Dell als Werkstattleiter der Metallwerkstatt ans Bauhaus nach Weimar zurück und prägte dort im Kreise von Kollegen wie Marianne Brandt, Wilhelm Wagenfeld und Carl Jacob Jucker den Ansatz und die Philosophie des Bauhauses in Sachen Produkt- und Leuchtendesign entscheidend mit.
Als das Bauhaus 1925 gezwungen war nach Dessau umzuziehen entschied sich Christian Dell stattdessen an den Main zurückzukehren und den Posten als Werkstattleiter der Metallwerkstatt an der Kunsthochschule Frankfurt zu übernehmen. Dabei handelt es sich um eine Institution, die zu dieser Zeit gerade entsprechend neuer industrieller Richtlinien reorganisiert wurde und die ähnlich wie das Bauhaus Dessau nach einer Verbindung von Handarbeit und Industrie suchte. Parallel dazu entwickelte Ernst May sein Stadtplanungsprojekt Neues Frankfurt, eines der größten modernen/funktionalistischen Projekte dieser Periode, und eines, in das Christian Dell direkt involviert war: Seine Leuchtendesigns zieren nicht nur die Musterhäuser der zahlreichen neuen Anwesen, sondern auch die Büros und die Räume zahlreicher Unternehmen der Stadt.
Nach der Machtergreifung der NSDAP wurde Christian Dell als Vertreter eines modernen, funktionalen, anti-germanischen Designansatzes zwangsläufig von seinen Verpflichtungen an der Kunsthochschule entbunden. Trotz zahlreicher Angebote nach Amerika zu emigrieren entschied sich Christian Dell für das "Innere Exil" in Deutschland und arbeitete weiter als freischaffender Designer. In dieser Zeit entstand seine Idell Kollektion für Gebrüder Kaiser & Co, Christian Dells wohl bekanntesten Arbeiten - und leider die einzigen Christian Dell Leuchten, die heute noch in Produktion sind. Nach dem Krieg unterhielt Christian Dell ein Juweliergeschäft mit Silberschmiedewerkstatt in Wiesbaden, von wo aus er in Zusammenarbeit mit einem regionalen Tischler auch die sogenannten "Dell_Mü_Uhren" entwickelte. Christian Dell starb am 18. Juli 1974 im Alter von 81 Jahren in Wiesbaden.
Die Jahre zwischen den beiden Weltkriegen waren nicht nur eine Phase formaler und funktionaler Evolution in Architektur und Design, sondern auch eine Zeit neuer Materialien. Gebogenes Stahlrohr ist darunter das wohl bekannteste Beispiel, allerdings kamen zu dieser Zeit auch synthetische Materialien auf, die Vorläufer unserer heutigen Kunststoffe.
Im Jahr 1970 meldete Leo Hendrik Baekland sein Patent für Bakelite an, das erste vollständig synthetische Harz und ein Material, das in vielerlei Hinsicht synonym für eine ganze Klasse von Phenolharzen stehen sollte. Diese synthetischen Materialien waren aufgrund ihrer Nichtleitfähigkeit; ihrer Hitzebeständigkeit und der leichten Formbarkeit ideal für die Produktion einer Myriade moderner, elektrischer Objekte, die zu dieser Zeit auf den Markt drängten.
Im Jahr 1908 meldete Hermann Römmler in Deutschland ein Patent für das Phenolharz Hares an und begann mit seiner Firma H. Römmler AG in Spremberg Niederlausitz mit der Produktion von Komponenten für die Elektronikindustrie. Zuerst aus dem Material Hares und anschließend, nach Klärung eines Patentstreites, aus Bakelite - und zwar als einzige Firma in Deutschland mit einer gebührenfreien Lizenz. Diese Vereinbarung gab Römmler einen großen Vorteil gegenüber seinen Wettbewerbern, erlaubte es der Firma sich schnell zu differenzieren und führte dazu, dass man sich immer weiter von Elektrokomponenten auf Konsumgüter verlagerte, darunter Telefonapparate, Radiogehäuse, Autoarmaturen. Hinzu kam im Jahr 1929 durch die Zusammenarbeit mit dem Frankfurter Leuchtenhersteller Kontakt die erste Tischleuchte, die vollständig aus synthetischem Material konstruiert war und die von Christian Dell designt wurde. Oder zumindest aller Wahrscheinlichkeit nach von Christian Dell designt wurde. Denn wie Dr. Günter Lattermann exzellent dokumentiert hat: Wenn es auch keine direkte Verbindung zwischen der Leuchte und Dell gab, so gibt es doch mehr als genug Indizien, die dafür sprechen, dass es sich um eine Dell Leuchte handelt. Für uns sind die überzeugendsten Argumente einerseits die mühelose und einfache Funktionalität durch die Scharniere am Leuchtenfuß und Leuchtenkopf, die eine freie Positionierung mit einem Minimum an technischem Aufwand möglich machen, während des Weiteren die Form des Leuchtenkopfes eindeutig dem muschelförmigen, parabolischen Reflektor entspricht, für den Dell, wie schon erwähnt, so leidenschaftlich Partei ergriff.
So revolutionär diese Phenolharze auch waren, sie hatten einen ernstzunehmenden Nachteil: Hergestellt werden konnten sie nur in einer Vielzahl schlammiger Brauntöne.
Dass es also neuer Farben bedurfte, lag auf der Hand - möglich wurden diese durch die Entwicklung des sogenannten Aminoplastharzes.
1930 entwickelte die Römmler AG ein neues Aminoplastharz, das auf der Leipziger Frühjahrsmesse als sogenanntes Alboresin seine Premiere hatte, bevor es 1931 in Resopal umbenannt wurde.
Während die Ursprünge der "Pheonplast Leuchte" unklar sind, besteht kein Zweifel daran, dass Christian Dell zahlreiche Resopal Objekte für Römmler entwarf, überwiegend Teller, Schüsseln, Kaffeeservice, Tabletts, Servierplatten, Eierbecher, Einweggefäße etc. ..., ähnliche Objekte also wie jene, die er aus Metall entworfen hätte. Ähnlich allerdings nicht nur in Bezug auf das Genre sondern auch in formaler Hinsicht. Beim Anblick der Arbeiten fällt einem nicht nur die deutliche Referenz auf frühere Metallarbeiten auf, ins Auge stechen vor allem auch Elemente, die seiner grundlegenden Designauffassung entsprechen: Mit ihrer reduzierten Interpretation neoklassizistischer Erhabenheit entsprechen Dells Designs ganz ihrer Zeit und hätten genauso aus Silber produziert werden können. Kunststoff machte allerdings nicht nur eine günstigere Massenproduktion möglich, sondern war auch ein Material, das sehr viel besser zur neuen Architektur und Inneneinrichtung dieser Zeit passte. Hinzu kam die Möglichkeit, die Designs in lebendigen Rot-, Gelb- und Grüntönen zu realisieren. Ein Picknick-Set aus Plastik spielte zudem wunderbar auf die gesellschaftlichen Veränderungen dieser Zeit an - immer mehr Menschen hatten die Zeit und Möglichkeit für ein Picknick, nicht länger handelte es sich um einen Zeitvertreib für die Klasse der Landeigentümer.
Die Versuchungen des neuen Materials führten nicht dazu, dass Christian Dell völlig seine Wurzeln vergaß: Eine Kollektion war mit Elfenbeinhenkeln und Silberbeschlägen versehen, eine wunderbar freche Kombination, die heute ohne Frage als Überspitzung des Gegensatzes von billig und wertvoll bezeichnet werden würde und so unsere Vorstellungen der beiden hinterfragen würde. Wir nehmen mal an, Christian Dell wollte einerseits die Gleichberechtigung der Materialien demonstrieren und darüber hinaus auch auf die echte Handarbeitskunst hinweisen, die in diesen einfachen Plastiktassen steckte - wenn man so will ein bisschen Marketing für das neue Material.
So erfand Dell gewissermaßen den neuen Beruf des Plastikschmiedes.
Ein wichtiger Aspekt von Christian Dells Resopal-Geschirrkonzepten war die Stapelbarkeit, am schönsten wird dieser Aspekt vielleicht von dem sogenannten Sportservice demonstriert, bei dem sechs Tassen, sechs Untertassen sowie Zucker- und Sahneschalen in die Kaffeekanne passen, ein Design, das in der Werbung des Unternehmens mit Fug und Recht als Wunderkanne bezeichnet wurde. Wie wir alle von der Ausstellung "Stapeln. Ein Prinzip der Moderne" im Wilhelm Wagenfeld Haus Bremen gelernt haben, entwickelte sich das Stapeln als Designprinzip analog zur Entwicklung neuer Materialien und Herstellungsprozesse, die es den Funktionalisten in den Jahren zwischen den Weltkriegen erlaubten standardisierte Lösungen zu entwickeln. Mit seinen Resopal-Designs für Römmler befand sich Christian Dell gewissermaßen an der Spitze dieser Entwicklung.
Wenn auch nur für sehr kurze Zeit.
Mitte der 1930er-Jahre stellte Römmler die Produktion der Haushaltsgegenstände aus Resopal ein und ging dazu über Resopal in Platten für Bautechnik und Innenausbau zu produzieren, vor allem als Küchen- und Arbeitsoberflächen. In den Nachkriegsjahren entfernte sich Christian Dell nicht nur vom industriellen Produktdesign, es kamen auch neue Generationen von Kunststoffen auf, die sehr viel widerstandsfähigere Objekte und neue Herstellungsverfahren ermöglichten. So entstanden letztlich Formen, die diesen neuen Materialien angemessen waren. Es folgte die Explosion des Plastiks als Material für Möbel, Ausbauten und Accessoires.
In diesem Prozess ist Christian Dells Beitrag zu einer Fußnote verkümmert und auch das Römmler-Buch von 1938, das die Geschichte der Firma, der Produkte und Prozesse detailliert schildert, fand keinen Platz für Christian Dell.
Durch die Gründlichkeit seiner Designs, die Art und Weise, wie er formale Probleme und Probleme der Produktion löste um Objekte zu realisieren, die den erwarteten ästhetischen und funktionalen Standards gerecht wurden, und vor allem durch seine intelligente Verbindung eines neuen Materials mit neuen sozialen, kulturellen und ökonomischen Gedanken, illustrierte Christian Dell wunderbar die Möglichkeiten eines neuen synthetischen Materials und hat so den Weg zu unserer heutigen Zeit geebnet.
Happy Birthday Christian Dell!