Sand ist nicht gerade ein Material, auf dem viele Architekten hoffen ein Projekt zu realisieren, geschweige denn eine Karriere aufzubauen. Man könnte allerdings sagen, dass dies dem Architekten und Designer Arne Jacobsen gelungen ist.
Am 11. Februar 1902 in Kopenhagen geboren, studierte Arne Emile Jacobsen Architektur an der "Kongelige Danske Kunstakademi" - der Königlichen Kunstakademie - und machte 1927 seinen Abschluss. Als einer von Dänemarks ersten und führenden Funktionalisten war Jacobsen für einige der wichtigsten Bauwerke der Nachkriegszeit verantwortlich, darunter das Rathaus von Rødovre, Toms Chocolate Factory in Ballerup und das SAS Royal Hotel in Kopenhagen, das bis zu seiner Fertigstellung 1960 das höchste Gebäude in Skandinavien war und heute als herausragendes Monument für die utopischen Visionen dieser Epoche steht. In späteren Jahren realisierte Jacobsen zunehmend Gebäude außerhalb der Grenzen Dänemarks, am berüchtigtsten vielleicht das St Catherine's Collge in Oxford oder das Mainzer Rathaus. Trotz seiner Bedeutung für die Architektur ist Arne Jacobsen vielen aufgrund seiner Möbeldesigns bekannt: Das Portfolio mit den aktuellen Klassikern umfasst Egg Chair, Swan Chair und die Ameise 3105. Allesamt Klassiker, bei denen der stolze Arne Jacobsen nicht vergessen würde daran zu erinnern, dass sie alle im Kontext von Architekturprojekten entstanden sind. Im eisernen Glauben an die Idee des Gesamtkunstwerkes befasste sich Arne Jacobsen mit allen Aspekten eines Projektes, also auch mit Möbeln, Armaturen und Einbauten. Gestorben ist Jacobsen am 24. März 1971. Er hinterließ als sein Erbe eine Reihe von Architektur- und Designprojekten, die einen sehr persönlichen und individuellen Blick auf die Ideen der Moderne offenlegen und weiterhin Architekten und Designer beeinflussen und inspirieren.
Seine ersten professionellen Schritte ging Arne Jacobsen allerdings auf Sand: Den ersten Wettbewerbserfolg baute er nämlich auf diesem für die Architektur wohl am wenigsten verheißungsvollen Material.
Im Jahr 1930 verlegte die Stadtverwaltung von Klampenborg die Strandvejen Hauptstraße von der Küste ins Inland und schuf so Platz für einen neuen Strandkomplex ungefähr 10 Kilometer nördlich von Kopenhagen. Getauft auf den Namen Bellevue Strandbad, beauftragte man den Landschaftsarchitekten C.Th. Sorensen mit der Begrünung und lotete einen Architekturwettbewerb für die notwendigen Umkleidekabinen, Kioske, Rettungsschwimmerbereiche etc. aus. Diesen Wettbewerb gewann Arne Jacobsen. Es lässt sich nicht ignorieren: Das Glück hat auf seinen verschlungenen Wegen bei Jacobsens Siegeszug eine gewisse Rolle gespielt. Jacobsens Diplomprojekt, für das er die Goldmedaille der Academy of Fine Arts gewann, bestand nämlich aus einem Konzept für ein Dänisches Nationalmuseum an genau der Stelle des Bellevue Strandbads. Sein Museumskonzept war allerdings in strikt neoklassizistischem Stil gehalten, während Bellevue ohne Frage unter dem Einfluss des internationalen Stils stand.
Vor Bellevue hatte Jacobsen ausschließlich Privathäuser gebaut, anfänglich in einem sehr konservativen, Neorenaissance-Stil. Allerdings, und ähnlich wie bei seinem finnischen Zeitgenossen Alvar Aalto, vollzog sich bei Jacobsen in den späten 1920er-Jahren ein Übergang zur Moderne. Im Gegensatz zu Alvar Aaltos ziemlich abrupten Konversion handelte es sich bei Jacobsen um einen längeren Prozess, sodass dieser Übergang besser dokumentiert ist. Im Jahr 1925, also immer noch als Student, nahm Jacobsen an der Exposition Internationale des Arts Décoratifs et Industriel Moderne in Paris teil, wo er Le Corbusiers sagenumwobenen L'Esprit Nouveau Pavillon und Konstantin Melnikovs umso legendäreren konstruktivistischen sowjetischen Pavillon zu sehen bekam. Zudem besuchte Jacobsen Deutschland in den späten 1920er-Jahren, wo er Ernst Mays Neues Frankfurt Projekt erlebte sowie Arbeiten von Persönlichkeiten wie Mies van der Rohe oder Walter Gropius. Die Konsequenz daraus war, dass Arne Jacobsens neoklassizistischer, skandinavischer Stil während der 1920er-Jahre durch die klaren Linien und bescheidenen Kurven der Moderne ersetzt wurde - eines der besten Beispiele dafür ist Bellevue, bzw. war Bellevue. Vieles ist seitdem leider verschwunden, allerdings stehen die Umkleidekabinen wie damals, unaufdringlich in Sorensens Gartenanlage gelegen, und geben einen verführerischen Eindruck davon, wie es einmal ausgesehen hat. Hinzu kommen die Rettungsschwimmertürme in ihren verblichenen Pastelltönen, die uns an den lang verblassten Glanz und zahllose sorglose Sommernachmittage erinnern.
In Folge der Eröffnung der Strandanlage Bellevue baute Arne Jacobsen den Bellavista Wohnkomplex, das Bellevue Theater und die Mattson Reitschule, und verwandelte so einen Teil der dänischen Küste in seine persönliche Version moderner Konstruktion und Planung.
Eine Vison, die ohne eines von Arne Jacobsens größeren Projekten auskommen musste. Jacobsens Hinwendung zur Moderne hing mit einer Faszination für Technologie zusammen und mit einer zunehmenden Wertschätzung dessen, was die Technik der Architektur bringen könnte. So umfassten die ursprünglichen Entwicklungspläne für Bellevue einen sublim monumentalen Überwachungsturm, der von einem rotierenden Restaurant gekrönt werden sollte. Ein Plan, der leider aufgrund der Bedenken von Umweltschützern nicht realisiert werden konnte. Jacobsen gelang es allerdings ein einziehbares Dach in das Bellevue Theater zu integrieren, sodass Vorstellungen unter freiem Himmel und bei angenehmer Meeresbrise möglich waren.
In den späten 1950er-Jahren dann war Jacobsen für die Konstruktion der sogenannten Soholm Reihenhäuser am südlichen Ende des Bellevue Komplexes verantwortlich. Eines von diesen Häusern gehörte ihm selbst und im Keller befand sich sein Studio. Er hatte von dort aus also direkten Zugang zu einem seiner frühesten und wunderbarsten Projekte.
Ab dem Zeitpunkt ihrer Eröffnung im Juni 1932 erwies sich die Bellevue Strandanlage als ein voller Erfolg, die Kopenhagener Gesellschaft scharte sich um die neue Attraktion. Und noch heute zieht es die Kopenhagener an diesen Ort. Allen Berichten zufolge - verifizieren können wir keinen - ist Bellevue nach wie vor eines der populärsten Tagesausflugsziele bei den Bewohnern Kopenhagens und der Umgebung. Es ist auch ein Ausflugsziel, das auf dem Reiseplan aller Touristen stehen sollte, die nach Kopenhagen kommen.
Während zugegebenermaßen vieles vom abenteuerlichen Geist und der Heiterkeit der frühen 1930er-Jahre von diesem Ort verschwunden ist und viele der Gebäude der Bellavista Anlagen uns ganz deutlich die Grenzen von Technologie, Materialien und Bauwesen der 1930er-Jahre aufzeigen, ist Bellevue noch immer ein belebender und faszinierender Ort für einen Besuch. Außerdem ein Ort, der unter Beweis stellt, dass Sand ein durchaus zuverlässiger und stabiler Baugrund sein kann.
Herzlichen Glückwunsch Arne Jacobsen!