Im September zieht langsam aber sicher der Sommer in Europa ein.
Während Juli und August weniger sommerlich waren, können wir uns immer auf lange milde Nachmittage und noch längere, mildere Abende im September verlassen. Oft in Verbindung mit frischen, nebeligen Morgen unter blauem Himmel. Es ist fast so, als wüsste der September, dass der Herbst uns an den Schultern packen und uns selbstsüchtig in den Winter bugsieren wird, sobald der Monat vorbei ist. Als wüsste er, dass er unsere letzte Zuflucht darstellt. "Geht hinaus in die Welt und genießt es, solange ihr könnt", sagt der September.
Unsere fünf Empfehlungen zu Architektur- und Designausstellungen im September 2016 in Stuttgart, Johannesburg, New York, Falkenberg und Paris rufen genau dazu auf.
Wenn Schönheit in der Perfektion der Form liegt und diese perfekte Form der Funktion folgt, dann muss ein Objekt mit größter Sorgfalt und Liebe zum Detail gestaltet werden, um optisch und praktisch ansprechend zu sein.
Natürlich. Oder?
In den letzten Jahren sind viele Designer Projekten nachgegangen, die ein gewisses Maß an Willkür oder zumindest an unkontrollierbarer Unvorhersehbarkeit im kreativen Prozess aufwiesen. Oft mit sehr guten und beeindruckenden Ergebnissen.
Die Ausstellung "[un]erwartet. Die Kunst des Zufalls" im Kunstmuseum Stuttgart zeigt Werke von Künstlern, bei denen Willkür entweder zum Kreativprozess gehört, oder die selbst Willkür hervorrufen.
Sie umfasst 120 Objekte, beginnt in den 1920er Jahren mit Arbeiten von Hans Arp und den Surrealisten und geht bis hin zu zeitgenössischen Werken des 21. Jahrhunderts. So deckt "[un]erwartet. Die Kunst des Zufalls" ein Jahrhundert beliebiger Kunst ab und verspricht so nicht nur, eine unterhaltsame und informative Kunstausstellung zu sein. Hoffentlich wird auch gezeigt, dass man wenn man alles etwas lockerer angeht und die Kontrolle über einen Prozess oder eine Situation abgibt, gute - wenn nicht sogar bessere - Ergebnisse erzielen kann, als es in einem komplett kontrollierten Zustand möglich wäre. Wir denken, dass das eine wichtige Lektion für unsere gegenwärtige Welt wäre.
"[un]erwartet. Die Kunst des Zufalls" wird am Samstag, den 24. September im Kunstmuseum Stuttgart, Kleiner Schlossplatz 1, 70173 Stuttgart eröffnet und läuft bis Sonntag, den 19. Februar.
Wie wir auf dem Blog schon öfter erwähnt haben, muss jedes Museum lokale Talente fördern. Je kompetenter ein Museum eine Balance zwischen lokalen, nationalen und internationalen Arbeiten herstellen kann, desto erfolgreicher und relevanter ist es. Wir wollen jetzt nicht mit Kolonialthematik anfangen und behaupten, Togo wäre Südafrika, aber für uns ist logisch, dass ein Museum für Afrikanisches Design wie das MOAD in Johannesburg afrikanische Designer fördert. So zum Beispiel Kossi Aguessy aus Togo, der in London lebt, dessen Arbeiten aber im Allgemeinen in Afrika sind. Und damit meinen wir nicht die abgedroschenen Diskussionen um eine "spirituelle" Basis, sondern die physische Anwesenheit, zum Beispiel die Hilfe bei der Gründung von Benins erstem FabLab und somit die Unterstützung lokaler Kreativer bei lokalen Projekten. Mit einer Soloausstellung seiner "funktionalen Kunst", wie Kossi Aguessy sie bezeichnet, bietet das MOAD die Gelegenheit, die Arbeiten eines zeitgenössischen afrikanischen Künstlers eher im kompletten Kontext zu entdecken und zu verstehen, denn als Einzelstücke in einer Ausstellung über "Afrikanisches Design". So wird bekräftigt, dass afrikanische Designer genauso kreativ, künstlerisch, kritisch und innovativ sein können wie ihre nicht-afrikanischen Kollegen. Oder genauso klischeehaft, allgemein und langweilig. Das muss wie immer jeder selbst entscheiden und wenn sich die Gelegenheit dazu bietet, sollte man sie ergreifen.
"Perfect Futures" wird am Freitag, den 16. September im Museum of African Design, 281 Commissioner St, Johannesburg 2094 eröffnet und läuft bis Sonntag, den 18. Dezember.
Obgleich es eine der Geburtsstätten der industriellen Fertigung, der republikanischen, parlamentarischen Demokratie und Standort einiger führender Forschungseinrichtungen aus dem wissenschaftlichen und Ingenieursbereich ist und trotz des Wohlstands des Landes gibt es wenige Orte, an denen Ungleichheit so offensichtlich ist und so unbekümmert akzeptiert wird, wie in Amerika. Und somit auch wenige bedrückendere Länder. Wo viele Risse zur Blütezeit der industriellen Fertigung durch den Aufruf, den "American Dream" zu ehren überdeckt werden konnten, macht der gegenwärtige Rückgang der weltweiten Industrie die Ungleichheiten noch sichtbarer und akut. Es stellt sich die Frage, wie man dem entgegenwirken kann? Dies oder Ähnliches war die Motivation hinter der Ausstellung "By the People: Designing a Better America", die Cynthia E. Smith, die Kuratorin für sozialverantwortliches Design, durch Amerika fahren ließ, um nach lokalen, gemeinsamen Designprojekten zu suchen, die darauf abzielten, eine integrativere, fairere und nachhaltigere Gemeinschaft zu schaffen. Das Ergebnis sind 60 Projekte, die das Cooper Hewitt wahrscheinlich als mögliche Visionen eines zukünftigen Amerikas ansieht und die des oft zitierten und missbräuchlich verwendeten Traums würdig sind.
"By the People: Designing a Better America" wird am Freitag, den 30. September im Cooper Hewitt, Smithsonian Design Museum, 2 East 91st Street, New York, New York 10128 eröffnet und läuft bis Sonntag, den 26. Februar.
In jedem Kreativbereich ist es unvermeidbar, dass ein paar besonders talentierte, glückliche oder anders ausgewählte Personen besonders gelobt werden, während andere Namen einfach unter den Tisch fallen. Das mag normal und unvermeidbar sein, aber es ist sehr bedauerlich, denn man muss so vielen Stimmen und Positionen wie möglich ausgesetzt sein, um sich nicht nur ein komplettes Bild von etwas machen zu können, sondern auch, um die bekannten Werke in Beziehung zu setzen und so feststellen zu können, ob sie den Applaus wert sind. So unbeholfen der Titel der neuen Ausstellung im Falkenberg's Museum auch ist, zeigt sie einige dieser "unbekannten" Designer und Hersteller, die das Möbeldesign im Schweden der Nachkriegszeit mitprägten. "Folkhem Form" kann ein wichtiger Beitrag dazu sein, was man als eines der vielen "fehlenden Bindeglieder" in der Entwicklung des Möbeldesigns in Europa und Schweden bezeichnen könnte. Nicht zuletzt aufgrund der versprochenen Schwerpunkte auf Designerinnen und Experimenten mit neuen Materialien innerhalb der Ausstellung.
"Folkhem Form - Swedish furniture 1949 - 1970. An exhibition on the unknown designers" wird am Samstag, den 10. September im Falkenberg's Museum, Skepparesträtet 2, 311 74 Falkenberg eröffnet und läuft bis Sonntag, den 27. November.
Im französischen Designbewusstsein bewegt sich etwas. Man ist sich offenbar bewusst, dass das restliche Europa ein wenig mitleidig auf die scheinbar fehlenden französischen Designtalente von internationalem Ansehen schaut. Der Nationalstolz steigt und auf die Retrospektive des Centre Pompidou über Pierre Paulin folgt eine große Retrospektive eines anderen "Grandseigneur" des französischen Industriedesigns: Roger Tallon. Der ausgebildete Ingenieur begann seine Designkarriere als Berater für die US-amerikanischen Firmen Caterpillar und DuPont, bevor er sich der französischen Designagentur Technès anschloss, mit der er etwa 20 Jahre lang zusammenarbeitete, bevor er 1973 sein eigenes Studio gründete. Roger Tallon entwarf zahlreiche Weißwaren für den US-amerikanischen Hersteller Frigidaire, Industrieroboter für Peugeot, Möbelkollektionen für Sentou oder Galerie Lacloche, designte die Streckenkarten für das RER Bahnnetz in Paris und entwarf auch Objekte für sämtliche Haushalts-, Handels- und Industriebereiche sowie den TGV Atlantique, den TGV Duplex und Eurostar Züge. Neben seiner Designtätigkeit wurde er 1963 Gründungsprofessor des damals neu gegründeten Industriedesign-Bereichs der École nationale supérieure des arts décoratifs in Paris, einer Designschule, an der auch einer der Bouroullec-Brüder studierte. "Design in Motion" verspricht eine fulminante Reise durch Roger Tallons Werk und erfüllt alle Voraussetzungen für eine gute Präsentation einer der Hauptakteure der Industriedesign-Tradition Frankreichs der Nachkriegszeit. Und eine Erinnerung, dass diese existiert.
"Roger Tallon, Design in Motion" wird am Donnerstag, den 8. September im Musée des Arts Décoratifs, 107-111, rue de Rivoli, 75001 Paris eröffnet und läuft bis Sonntag, den 8. Januar.