Tulga Beyerle, die Direktorin des Kunstgewerbemuseums Dresden, gab uns mal einen guten Rat (in welchem Zusammenhang haben wir ganz vergessen): "Arbeite nur mit Leuten, die du magst."
So sehr wir auch versucht haben ihrem Rat zu folgen, es ist uns nicht geglückt - das Schicksal durchkreuzt immer wieder unsere Pläne. Bei ihr ist das offenbar ganz anders: Tulga Beyerle ist noch einen Schritt weitergegangen und hat aus ihrem Grundsatz die Ausstellung "Friends + Design" gemacht.
Die von Tulga Beyerle und Maria Christina Didero kuratierte Ausstellung "Friends + Design" begann und vertiefte das Thema mit einer Diskussion unter Freunden: "Tulga und ich haben einen ähnlichen Hintergrund, wir teilen eine gemeinsame Vorstellung vom Leben, haben ähnliche Berufe, einen ähnlichen Arbeitsansatz, und sind wirklich sehr gut befreundet", erklärt Maria Christina Didero, "wir haben immer wieder darüber gesprochen zusammenzuarbeiten. Eines Tages begannen wir über das Thema Freundschaft zu sprechen und waren uns sicher, dass wir die richtigen Leute, das heißt echte Freunde, für die Ausstellung haben - dass es funktionieren könnte."
Zu diesem Zweck wurden sieben internationale Designer gefragt, ob sie Interesse hätten etwas zu einer Ausstellung beizutragen - nicht individuell, sondern gemeinsam mit einem Freund. Die "richtigen Leute" sind: Tomás Alonso mit Mathias Hahn, Bethan Laura Wood mit Philippe Malouin und Richard Hutten mit Michael Young und Jerszy Seymour. Das Resultat sind drei Projekte, die nicht nur drei verschiedene Designtypen repräsentieren - Produkt-, Konzept- und Interieur Design -, sondern auch für drei unterschiedliche Aspekte stehen, auf denen Freundschaft basiert, die die Qualität einer Freundschaft ausmachen: Vertrauen, gemeinsame Zeit und Erfahrungen, außerdem Verständnis für und echtes Interesse am anderen.
Das auf den ersten Blick zugänglichste der drei Projekte ist ohne Frage der Tisch mit dem unzugänglichen Namen Youhutseymatic von Richard Hutten, Michael Young und Jerszy Seymour. Entstanden nach einer kurzen Beratung zum gemeinsamen Projekt, wurde der Youhutseymaticals Esstisch aus drei Elementen konzipiert, jedes wiederum designt von einem Designer des Dreigespanns. Das Resultat ist ein Objekt, das nicht nur das nötige Vertrauen zwischen den Partnern für eine erfolgreiche Zusammenarbeit sowie die unterschiedlichen Vorstellungen von Design und Ästhetik reflektiert. Das Objekt spiegelt auch wider, was Jerszy die "anarchische" Natur ihrer Freundschaft nennt bzw. wie Richard Hutten erklärt, die Tatsache, dass die drei "nicht Freunde sind, weil wir uns gleichen, sondern weil wir verschieden sind." "Diese Diversität der Individuen wird auch im Tisch sichtbar." Wenn man so will also eine Freundschaft, die von einem Objekt eingefangen und verkörpert wird, das, wie die Freundschaft selbst, ein einzigartiges, einmaliges Einzelstück ist.
Eine Antwort auf die Frage, was es für die Freundschaft hieße den Tisch zu verkaufen, überlassen wir anderen.
Den Designern zufolge entstand der Tisch zu einem Großteil in einer Bar in Dresden - die drei Designer leben in drei verschiedenen Ländern und können sich deshalb nicht so problemlos treffen, wie die anderen Paare. Deshalb hat jeder Designer seinen Teil im Geheimen entwickelt, ohne sich auf die anderen zu beziehen oder mit ihnen in Kontakt zu treten. Könnten Sie sich denn vorstellen, den einen oder anderen um Rat bei einem Projekt zu fragen? "Nein", antworten da Jerszy und Richard simultan, bevor Jerszy ergänzend hinzufügt: "Das liegt größtenteils daran, dass sich unsere Arbeitsprozesse sehr unterscheiden, und deshalb kommt es dazu einfach nicht." Richard entgegnet, dass er zwar nicht Jerszy anrufen würde, um ihn um seinen Rat zu bitten, er allerdings ein Team habe, das er ganz bewusst nach seiner Meinung frage. Am Ende sei er allerdings der Kopf des Ganzen und treffe die Entscheidungen.
Oder anders gesagt: Der Designprozess mag ein Solotrip sein, das heißt allerdings nicht, dass einen andere nicht begleiten können und sollten.
Diese Metapher wurde von Tomás und Mathias Hahn auf eine andere Ebene gehoben.
Verbringt man sein Berufsleben damit Produkte zu designen, kann es passieren, dass einen Produkte im Privatleben eher ermüden. Als also die in London ansässigen Designer Tomás Alonso und Mathias Hahn gebeten wurden jeweils ein Geschenk für den anderen zu kreieren, entschieden sie sich - mit Tomás Worten - dafür "nichts zu machen", und sich stattdessen gegenseitig Zeit zu schenken. Genauer gesagt entschieden sie sich dafür Zeit und Erfahrungen auf einer gemeinsamen Autofahrt von London nach Dresden miteinander zu teilen. Da die beiden in England ansässig sind, bedeutet das natürlich eine Autofahrt in einem Mini Cooper. Und da es sich bei den beiden um Produktdesigner handelt, gehörten dazu natürlich Besuche von Fabriken und Werkstätten auf dem Weg - große, kleine, high-tech Unternehmen, traditionelle, analoge Betriebe. Diese Eindrücke kamen also zu Tomás' und Mathias' individuellen Eindrücken und Erinnerungen hinzu. Aus dieser gemeinsamen Erfahrung ist ein Video entstanden, das in der Ausstellung zu sehen ist, ergänzt durch eine Sammlung von Gegenständen, die die beiden von ihren Besuchen mitgebracht haben. Zumindest wird man das zu sehen bekommen - als wir die Ausstellung besucht haben, waren die beiden noch am Aufbauen - wie bei allen guten Roadtrips brauchen Tomás und Mathias länger als geplant.
Von den drei Projekten macht The Trip vielleicht einen der interessantesten Aspekte von "Friends + Design" am deutlichsten: nämlich, dass die beteiligten Designer alle grundsätzlich alleine arbeiten, und wie Phillip Malouin feststellt, nicht nur das: "Wenn man sein eigenes Designstudio hat, gewöhnt man sich daran für sich selbst zu designen." Die Einladung von Tulga und Maria ist so für die Designer genauso eine gute Übung, um von diesem Einzelkämpfertum Abstand zu nehmen, wie eine Aufgabe als solche.
Das bedeutet allerdings auch mit jemandem kooperieren und einen gemeinsamen Ansatz finden zu müssen, der kein abstrakter Kunde oder Anbieter, sondern ein Freund ist. Da haben wir uns gefragt, ob es nicht seitens der Kuratoren auch Bedenken gab, dass die ganze Sache vollkommen schief gehen könnte, dass die Designer die Aufgabe leichtfertig annehmen würden, ohne sich der Konsequenzen bewusst zu sein, und dass die Sache die Freundschaft am Ende mehr auf die Probe stellen könnte, als es gesund sei?
"Nein, da haben wir uns nie Sorgen gemacht", antwortet Maria ohne zu zögern und erklärt, "weil wir wussten, dass die beteiligten Designer echte Freunde sind. Es geht in mehrfacher Hinsicht bei diesem Projekt darum Freunde herauszufordern, die normalerweise getrennt voneinander arbeiten Zeit miteinander zu verbringen und gemeinsam zu arbeiten. Das heißt also, ja man könnte sagen die Aufgabe ist etwas aufdringlich aber echte Freunde sind robust, mit echten Freunden kann man schließlich die höchsten Gipfel erklimmen."
Mag sein, aber überleben echte Freund auch ein fünftägige Autofahrt in einem Mini Cooper?
"Das Auto war so laut, dass wir uns gar nicht richtig unterhalten konnten, die meiste Zeit haben wir uns also um uns selbst gekümmert", lacht Thomás Alonso und liefert so einen guten Tipp für alle, die einen gemeinsamen Roadtrip planen.
Während Designer im physischen, geografischen Sinne auf Reisen gehen - nicht zuletzt im Kontext der alljährlichen, angeborenen Wanderung zu den Wasserlöchern Mailands - geht das Design eher in Sachen Stil, Philosophie und hinsichtlich der Materialien auf Reisen. Wo sich zwei Reisende treffen ist eine Interaktion, sind Austausch und Fusion möglich. Dort, wo sich die Wege von Betahn Laura Wood und Phillippe Malouin kreuzen, ist indes wohl eher mit Teilung als mit Fusion zu rechnen, vor allem wenn man Phillippe über den Charakter dieser Paarung reden hört: "Ich denke ich bin minimal und Bethan ist maximal."
Von Tulga und Maria gebeten ein Objekt für den Anderen zu entwickeln, entschieden sich die dekadent extravagante Bethan und der dekadent reservierte Phillipe beide das gleiche Objekt zu entwickeln, Bedingung war zudem, dass das Objekt nicht nur etwas über den Autor aussagen, sondern sich auch auf den Empfänger beziehen würde.
Die letztliche Entscheidung für ein Bett und Bettwäsche hatte viel mit Gedanken zum Privaten, mit Gedanken über Intimität und Abgeschiedenheit zu tun, die man mit Betten und Schlafzimmern in Verbindung bringt. Schließlich ist das Bett der eine Ort, an dem man man selbst sein kann, ohne sich bedroht zu fühlen. Jedes Bett wird in der Ausstellung durch Objekte ergänzt, die Philippe und Bethan aus der Sammlung des Kunstgewerbemuseums ausgewählt haben. Diese Objekte werden also im Kontext einer "realistischen" Szene präsentiert - in einem persönlichen, privaten Raum. Dabei geht es weniger darum die Eindrücke zu reflektieren, die Philippe und Bethan von sich selbst haben, vielmehr karikieren und betonen die beiden mit viel Witz Elemente, die ihnen an der Arbeit des anderen auffallen und die sie schätzen.
Das ist natürlich nur möglich, wenn man die Arbeit des anderen kennt und schätzt. Und natürlich kommt es dabei zu einer Verbindung und nicht zur befürchteten Trennung.
In Anbetracht der sehr unterschiedlichen, entgegengesetzten Stile, ist es sehr unwahrscheinlich, dass Philippe und Bethan jemals direkte Konkurrenten werden; genauso haben Jerszy Seymour, Michael Young und Richard Hutten alle ihren eigenen Ansatz, ihren eigenen Stil und so auch ihren eigenen Markt. Die Situation ist allerdings bei Tomás Alonso und Mathias Hahn etwas komplizierter, vor allem auch in Anbetracht ihres ausgedehnten Freundeskreises. Tomás und Mathias haben gemeinsam am Royal College of Art London studiert und nach ihrem Abschluss 2006 einen gemeinsamen Atelierkomplex mit 6 weiteren Kommilitonen vom Royal College bezogen. In der Zwischenzeit kamen neue hinzu, und so beherbergt der Komplex inzwischen 12 befreundete Designstudios, die mehr oder weniger in ähnlichen Bereichen und manchmal mit den gleichen Klienten zusammen arbeiten. Kommt da nicht ein gewisses Gefühl der Konkurrenz zwischen Freunden auf?
"Nein, nicht wirklich", antwortet Tomás, "ich kann mich an ein paar, sagen wir mal unangenehme Situationen erinnern, aber nichts Ernstes. Und ich denke, wenn das wirklich ein Problem wäre, würden wir uns nach 10 Jahren nicht immer noch einen gemeinsamen Raum teilen"
Die Situation erfordert also gegenseitigen Respekt. Und der ist nicht nur ein wichtiges Element jeder Freundschaft, sondern auch etwas, das in den drei Projekten, die "Friends + Design" präsentiert sehr präsent ist.
Das Freunde erfolgreich gemeinsam etwas designen können, ist keine allzu große Überraschung - das zeitgenössische Design und auch die Designgeschichte sind voller, exzellenter Beispiele dafür. Allerdings entscheiden sich die Designer für solche Kooperationen ganz bewusst - sie fühlen sich wohl damit. "Friends + Design" versucht im Gegensatz dazu herauszubekommen, was passiert, wenn man Leute dazu bringt zusammenzuarbeiten, die es nicht gewohnt sind mit anderen zusammenzuarbeiten und die zudem auch noch befreundet sind.
Folglich geht es bei der Ausstellung "Friends + Design" nicht in erster Linie um die Resultate - so interessant die auch sein mögen. Vielmehr geht es darum, was uns diese Resultate über die Ansätze der sieben Protagonisten, über ihr Designverständnis erzählen und um eine Erforschung der Freundschaft - die Art und Weise, wie und warum Freundschaften funktionieren. All das lehrt uns in erster Linie: vive la difference!
Zudem macht "Friends + Design" auch sehr deutlich, was ein Designmuseum sein kann und wie ein Designmuseum zeitgenössisches Design relevant und zugänglich machen kann. Unterstützt wurde diese Tatsache noch durch die Entscheidung die Aufmachung der Ausstellung an der TV Serie "Friends" auszurichten; eine Entscheidung, die der Sache zusätzlich eine angenehm respektlose, fast schon unpassende etwas unmoralische Leichtigkeit verleiht, und die dafür sorgt, dass man sich der Ausstellung weniger über das "Design", als vielmehr über die "Freunde" nähert.
Als Ausstellung mit sehr viel mehr Tiefe als Umfang lohnt es sich nicht gerade extra für "Friends + Design" nach Dresden zu fahren, aber in Kombination mit dem, was das Kunstgewerbemuseum ansonsten noch zu bieten hat, ist die Ausstellung auf jeden Fall ein weiteres überzeugendes Argument in diesem Sommer eine Tour entlang der Elbe zu unternehmen - und natürlich auch über die Elbe mit der Schlossfähre.
Eine mögliche Erklärung, aus welchem Grund "Friends + Design" so gut funktioniert, ist, dass die Ausstellung nicht nur auf der Freundschaft der beiden Kuratorinnen basiert, sondern auch auf der Freundschaft zwischen den beteiligten Designern und den Kuratorinnen, die häufig Jahre zurückgeht und zahlreiche Zusammenarbeiten miteinschließt. Jerszy Seymour meint, dass die Designer den Kuratorinnen einfach vertrauen könnten, dass sie das Projekt erfolgreich managen und organisieren würden. Als solche baut die Ausstellung also auf Vertrauen, geneseitigem Verständnis, geteilten Erfahrungen und auf der Zusammenarbeit von Menschen, die sich mögen, auf.
"Friends + Design" läuft im Kunstgewerbemuseum, Schloss Pillnitz, August-Böckstiegel-Straße 2, 01326 Dresden bis zum 1.November.
Alle Details, darunter auch Information zur parallel laufenden Ausstellung "Der eigene Antrieb. Oder wie uns das Rad bewegt" sind unter www.skd.museum zu finden.