Wir sind ziemlich sicher, dass die meisten Museumskuratoren nicht von Geburt an nachtaktiv sind, aber es ist trotzdem auffällig, dass man immer mehr Aktivität in Museen auf der ganzen Welt beobachten kann, je länger die Nächte werden. Und so, mit dem Herbst, der den Winter auf den Weg bringt, sollte es nicht weiter überraschen, dass der Oktober 2015 so eine Fülle von neuen Design- und Architekturausstellungen bereithält...
Art Nouveau. The Great Utopia im Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg, Deutschland
Eine wichtige Rolle in der Geschichte zeitgenössischen Designs spielte ohne Frage die Bewegung des Art Nouveau im späten 19./ frühen 20. Jahrhundert: Dafür, dass sie nur eine recht kurze Zeit existierte, führte Art Nouveau ästhetische Gedanken weg vom romantischen Historizismus des 19. Jahrhunderts und inspirierte Charaktere wie Henry van der Velde, Peter Behrens oder Eliel Saarinen, akzeptierte Normen infrage zu stellen, Alternativen vorzuschlagen und damit den Weg für die Moderne zu ebnen. Für den großen Rückblick auf Art Nouveau argumentiert das Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg damit, dass genau wie seine historische Relevanz, der Jugendstil auch eine zeitgemäße Bedeutung hat: Themen wie zum Beispiel die Bedingungen, unter denen Güter produziert wurden, relative Vorteile neuer Materialien oder ökologische Überlegungen in der Herstellung und im Vertrieb waren damals genauso relevant wie heute. Die Ausstellung verspricht mehr als 200 Objekte von internationalen Gestaltern zu zeigen, die so divers sind wie Emile Gallé, Richard Riemerschmid, William Morris oder Louis C. Tiffany und Art Nouveau. The Great Utopia bemüht sich außerdem, die Bewegung genauso sehr als soziale Reform zu zeigen, wie sie auch ästhetischer Wandel war und bietet damit eine neue Perspektive auf einen bekannten Inhalt.
Art Nouveau. The Great Utopia wird am Samstag, den 17. Oktober im Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg, Steintorplatz, 20099 Hamburg eröffnet und läuft bis Sonntag, den 7. Februar.
Ó in der National Craft Gallery, Kilkenny, Irland
Laut den Kuratoren der Ausstellung ist "Ó" Irisch für die Präposition "aus". Soweit es uns bewusst ist, ist es auch Irisch für den Ausdruck "Oh!" Die Kuratoren wählten den Titel, um auf den Fakt aufmerksam zu machen, dass die gezeigten Arbeiten aus Irland kommen. Wir vermuten, Besucher werden es in dem expressiven Sinne nutzen, so wie "Oh! Schau mal! Irland kann noch mehr als Aran Jumpers und geschnitzte Wanderstöcke!" Mit ausgestellten Arbeiten von ungefähr 20 zeitgenössischen irischen Gestaltern verspricht Ó eines der Highlights des selbsternannten Programms "Irish Design 2015" der Design & Handwerk Versammlung Irland zu werden und verspricht auch einen Mix verschiedener Genres, darunter Möbel, Keramik, Glas und Textilien. Aber vor allem verspricht es einen Eindruck zeitgenössischen irischen Designs fernab der üblichen stämmigen und spaßigen Klischees.
Ó wird am Freitag, den 9. Oktober in der National Craft Gallery, Castle Yard, Kilkenny eröffnet und läuft bis Sonntag, den 10. Januar.
The World of Charles and Ray Eames in der Barbican Art Gallery, London, UK
"Vereint über 380 Werke." Das war der Satz der Barbican Art Gallery, der in der Ankündigung zu ihrer bevorstehenden Eames Retrospektive erstmalig unsere Aufmerksamkeit erregte. Über 380. Eine Zahl, die markant den Umfang von Charles und Ray Eames Leistung demonstriert und die hohe Produktivität des Eames Office. Was sie leider nicht aussagt, ist, ob die Ausstellung Einblicke in die Kreativität von Charles und Ray Eames liefern wird, die über das Bekannte hinausgehen. Oder ob sie einfach wiederholt, was schon vorhanden ist. Denn abgesehen von der zentralen Rolle, die das Paar in der Entwicklung des Designs im 20. Jahrhundert gespielt hat, die philosophische Grundlage, die viele ihrer Arbeiten unterstrich und die fortwährende Beliebtheit ihrer Designs, ist die Geschichte von Charles und Ray Eames eine auffallend knapp erzählte. Es mag sein, dass es vielleicht wirklich nicht mehr zu erzählen gibt. Aber wenn doch, dann scheint die Barbican Ausstellung eine ausgezeichnete Möglichkeit zu sein, das zu präsentieren.
The World of Charles and Ray Eames wird am Mittwoch, den 21. Oktober in der Barbican Art Gallery, Silk St, London eröffnet und läuft bis Sonntag, den 14. Februar.
Ronan and Erwan Bouroullec: 17 Screens im Tel Aviv Museum of Art, Tel Aviv, Israel
Es liegt etwas sehr Liebenswertes in der Art, wie Ronan und Erwan Bouroullec an den unverhofftesten Orten und mit den unerwartetsten Projekten auftauchen. Nicht zuletzt da, im Allgemeinen, je unverhoffter der Ort und je unerwarteter das Projekt, desto größer ist die Chance, etwas zu erleben, das den echten Charakter des Designverständnisses der Bouroullecs wiedergibt - und nicht nur einfach ein Objekt, das als Antwort auf eine kommerzielle Anfrage entworfen wurde. Ronan und Erwan Bouroullec haben es nicht wirklich nötig, eine originäre Installation aus 17 Bestandteilen für das Tel Aviv Museum of Art zu kreieren. Womit wir dem Tel Aviv Museum of Art gegenüber keine Respektlosigkeit ausdrücken wollen, nicht im Geringsten; trotzdem ist es als Institution weit außerhalb des normalen Felds von Referenzen, die man den Bouroullecs sonst zuschreiben würde. Dass sie sich entschieden haben, den Auftrag anzunehmen und eine Serie von modularen Bauteilen versprachen, die aus einer Reihe von Materialien hergestellt werden und mittels eines speziell entwickelten Verbindungs- und Hängesystems verknüpft werden, ist ein gutes Zeichen. Ein wirklich sehr, sehr gutes.
Ronan and Erwan Bouroullec: 17 Screens wird am Samstag, den 31. Oktober im Tel Aviv Museum of Art, 27 Shaul Hamelech Boulevard, Tel Aviv eröffnet und läuft bis Samstag, den 26. März
Jacob A. Riis: Revealing New York's Other Half im Museum of the City of New York, USA
Mit seinem 1890 erschienenen Buch "How the Other Half Lives" enthüllte Jacob A. Riis nicht nur die brutale Realität über das Leben in New Yorks Slums, sondern demonstrierte auch gekonnt, dass Slums im Allgemeinen aufgrund schlechter Planung existieren. In Dänemark geboren, emigrierte Jacob A. Riis 1870 nach Amerika und nachdem er sich in vielerlei Jobs ausprobiert hatte, wurde er Polizeireporter für die New York Tribune, begleitete Officer und wagte sich auch allein in einige der schlimmsten, dunkelsten Slums, die die neue Welt zu bieten hatte. Mit seiner Kamera immer zur Hand dokumentierte Riis sorgfältig die Bedingungen, die er vorfand und das Elend, in dem die, größtenteils, Migrantengemeinschaften lebten. Zusätzlich zu "How the Other Half Lives" veröffentlichte Riis zahlreiche Texte und stand auch Theodore Roosevelt beratend zur Seite, anfangs in seiner Rolle als Präsident der New York City Police Commissioners und später als US Präsident, und während Riis' Arbeit nicht direkt zu bahnbrechenden infrastrukturellen Umbrüchen führte, machte sie doch die Realität in den Slums sichtbar und selbst für den glühendsten Skeptiker unabweisbar und beschleunigte damit zweifelsohne die Geschwindigkeit, in der die Behörden Veränderungen auf den Plan brachten. Als erste Retrospektive von Jacob A. Riis' Schaffen seit 1947, wie das Museum of the City of New York behauptet, verspricht Revealing New York's Other Half nicht nur eine Präsentation von Riis' Fotografien, sondern auch von Arbeiten seiner Zeitgenossen, zusätzlich dazu originale Texte, Zeitungen und Briefe und verspricht damit auch eine wichtige Wiederholung einer sehr einfachen Wahrheit zu sein: Im Allgemeinen existieren Slums aufgrund schlechter Planung.
Jacob A. Riis: Revealing New York's Other Half wird am Mittwoch, den 14. Oktober im Museum of the City of New York, 1220 Fifth Avenue (at 103rd Street), New York, NY 10029 eröffnet und läuft bis Sonntag, den 20. März