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smow Blog Interview: Gunnar Søren Petersen - Ich glaube, dass Designschulen sehr viel enger mit Industrie und Produzenten zusammenarbeiten müssen


Veröffentlicht am 29.09.2015

In unserem kürzlich erschienenen Bericht über die zeitgenössische Kunstszene in Berlin stellten wir fest, dass eines der Probleme, das Berlin immer stärker beschäftigt, das Halten der zunehmenden Zahl von Absolventen der vielen Designinstitutionen ist.

Daher scheint es angebracht, über das reale Leben eines frisch gebackenen Berliner Designabsolventen mit einem frisch gebackenen Berliner Designabsolventen zu sprechen.

Ein frisch gebackener Berliner Designabsolvent wie Gunnar Søren Petersen.

Geboren und aufgewachsen in Bonn, studierte Gunnar Søren Petersen Industriedesign an der Universität der Künste, UdK, Berlin; ein Studiengang, der ein Austauschjahr in Kopenhagen beinhaltete, in welchem er Möbeldesign an der Königlichen Dänischen Kunstakademie, Schule für Architektur, Design und Konservation studierte.

Wir stießen zum ersten Mal auf Gunnar Søren Petersen, als wir seine Lampe gren light auf dem UdK Berlin Rundgang 2014 sahen. Beim ersten Anblick von gren light waren wir zunächst sehr beeindruckt. Dann etwas unsicher. Dann beeindruckt. Dann...im Laufe des Nachmittags müssen wir den Raum, in dem gren light hing, mindestens zwölf Mal besucht haben, bevor wir entschieden, dass sie wirklich so gut war.

Weniger eine modulare Lampe, sondern eher ein frei konfigurierbares System bestehend aus einer kleinen Anzahl von Standard-Bauteilen, kombiniert gren light, wie wir schon in unserem Post von 2014 festhielten, "einen raffinierten, angenehmen Charme und dezente Schönheit in einem äußerst eleganten Objekt. Ein äußerst elegantes Objekt, das auf einem sehr simplen, einfach reproduzierbaren und endlos variablen Konstruktionsprinzip basiert." Und eine Arbeit, für die es etwas Zeit braucht, sich darauf einzustellen. Sofern man nicht darauf eingestellt ist, einfach seinem Bauchgefühl zu folgen. Gunnars jüngstes Projekt - snak - zu würdigen, erfordert sehr viel weniger Zeit. Als überaus zugängliches Objekt ist snak ein faltbarer Picknick- und/oder Campingtisch, der aus Holz und Polypropylen-Integralschaum hergestellt wird und mühelos zeitgemäße Formensprache mit zeitlosem Gespür verbindet. Und mit einem Tischtennisnetz.

Nachdem wir im Zuge seines Erfolgs beim Garden Unique Youngstars Wettbewerb 2015 bereits mit Gunnar Søren Petersen gesprochen haben, schlossen wir damit an, mit ihm die Gegebenheiten für einen frischen Designabsolventen in Berlin zu erörtern, sowie die Vor- und Nachteile von Berlin gegenüber Kopenhagen, aber begannen, wie es die Tradition in solchen Interviews verlangt, mit der Frage 'warum Design'?

Gunnar Søren Petersen: Solange ich zurückdenken kann, habe ich mich dafür interessiert, Dinge zu designen und zu erschaffen, später kam dann noch das Interesse an konstruktivem Denken hinzu und an der Herausarbeitung von Fragen zu Räumen, Objekten und der Beziehung zwischen Menschen, Räumen und Objekt und so war es eigentlich eine recht logische und einfache Schlussfolgerung, mich dafür zu entscheiden eine Designlaufbahn einzuschlagen.

smow blog: Der erste Schritt auf diesem Weg war dann Industriedesign an der Universität der Künste Berlin. Wie kam die Entscheidung für die UdK?

Gunnar Søren Petersen: Nachdem ich die Oberschule abgeschlossen hatte, zog ich nach Berlin, vor allem, weil es Berlin war und so war es irgendwie selbstverständlich, hier  zu studieren. Um ganz ehrlich zu sein, weil ich Zivildienst leistete, hatte ich die Bewerbungsfristen für die Kunsthochschule Weissensee und die FH Potsdam verpasst, die Frist der UdK war aber ein bisschen später und so setzte ich alles in diese Bewerbung und hatte das Glück, angenommen zu werden.

smow blog: Und trotz des ein wenig, sagen wir, nicht zielgerichteten Charakters deiner Bewerbung, gefiel dir der Studiengang anschließend dennoch, oder...?

Gunnar Søren Petersen: Sehr sogar. Was mir an dem Studiengang an der UdK besonders gefiel ist, dass er sehr praktisch ist und dass man innerhalb des Programms den Freiraum bekommt, sich in die Richtung zu entwickeln, die man sich vorstellt und man sich so entweder auf diese Bereiche und Fähigkeiten konzentriert, die einen besonders interessieren, oder man nutzt die vielfältigen Workshops und Kurse, um Erfahrung in einer ganzen Reihe von Fächern zu sammeln. Und was auch immer man tut, es ist immer jemand da, um einen zu unterstützen und zu beraten.

smow blog: Dennoch, und weil wir wissen, dass die Welt nicht immer rosig ist, gab es irgendetwas, das gefehlt hat oder besser gesagt, das du an dem Studiengang ändern würdest?

Gunnar Søren Petersen: Generell glaube ich, dass bei der Designausbildung die Designschulen viel enger mit der Industrie und mit Produzenten zusammenarbeiten müssen. An der UdK beispielsweise gab es Kooperationen, aber nur recht selten und sie waren kaum von solchem Umfang oder solcher Qualität, dass irgendetwas wirklich Positives für die Studenten dabei herauskam. Ich hatte zum Beispiel das Glück, Teil eines Projektes zu sein, das von Professor Axel Kufus in Zusammenarbeit mit dem italienischen Textilhersteller Alcantara organisiert wurde und das wirklich augezeichnet war. Im Zuge dessen wurden zahlreiche Gastdozenten eingeladen, um Workshops in Berlin zu leiten, wir machten einen Ausflug zur Alcantara Fabrik in Italien, wo wir aus erster Hand vieles über die Entwicklung und den Produktionsprozess erfuhren und zum Ende des Kurses hatten wir einen Stand auf der Qubique Handelsmesse, mit all der Organisation und Planung, die es für so etwas braucht. Was ziemlich viel Input für einen recht kurzen Kurs ist: aber wichtiger und interessanter Input und etwas, das nur durch diese Kooperation möglich war. Mehr solcher Projekte halte ich für wirklich nützlich, nicht zuletzt, weil man dort etwas über die reelle Zukunft lernt, für die man studiert.

smow blog: Was eine schöne Überleitung ist, du bist jetzt fertig, bist in die Realität eingetaucht und immer noch in Berlin, kann man daraus ableiten, dass Berlin für dich als Designer eine gute Basis ist?

Gunnar Søren Petersen: Ich glaube schon, ja. In meinem Fall hatte ich mich eigentlich schon vor dem Studium entschlossen, dass ich in Berlin leben wollte, aber als Stadt bietet Berlin viele Möglichkeiten, hat eine gute Größe und ist ein guter Ort, um sich persönlich zu entwickeln.

smow blog: Aber gibt es für einen jungen, freischaffenden Designer auch Arbeit?

Gunnar Søren Petersen: Ja, es gibt Arbeit in Berlin, aber ein gutes Netzwerk ist sehr hilfreich. In meinem Fall war es so, dass ich vor drei oder vier Jahren einige sehr gute Kontakte hatte und durch sie konnte ich einigermaßen regelmäßige Arbeiten und Aufträge organisieren. Aber nachdem ich dann einige Zeit in Kopenhagen verbracht habe und mich danach mehr aufs Studium konzentrierte, ist dieses Netzwerk nicht mehr ganz so, sagen wir, frisch, wie es mal war. Allerdings liegt mein momentaner Schwerpunkt nicht ausschließlich darauf, mein eigenes Studio einzurichten, sondern auch darauf, eine Stelle in einem etablierten Studio zu finden, hauptsächlich, damit ich mehr Erfahrungen sammeln kann, vor allem in den Bereichen der Branche, die man in der Uni nicht beigebracht bekommt.

smow blog: Wir nehmen mal an, du meinst all die unternehmerischen Aspekte, die Designstudenten bekannterweise nicht lernen...

Gunnar Søren Petersen: Genau! Im Bezug auf technische Fertigkeiten, praktisches Denken und gestalterische, kreative Aspekte des Berufs ist man als Designabsolvent sehr gut vorbereitet, aber die wirtschaftlichen Gesichtspunkte werden nicht genug gelehrt, genauso wie zum Beispiel die Kommunikation und die Öffentlichkeitsarbeit, also wie man sich selbst präsentiert und einen gewissen Grad an Sichtbarkeit sicherstellt.

smow blog: Und du hoffst, das in einer etablierten Agentur zu lernen...

Gunnar Søren Petersen: Das ist zumindest der Plan! Ich bewerbe mich zurzeit sowohl hier in Berlin als auch in Kopenhagen und in Berlin erhalte ich viel positives Feedback aber der Großteil der Studios hat einfach keine freien Stellen, zumindest keine bezahlten, sondern eher Stellen als Praktikum und mein Ziel ist ein Job, nicht zuletzt weil ich glaube, dass wenn man sein Studium abgeschlossen hat, das ja auch Praktika enthielt, man nicht noch mehr unbezahlte Praktika machen muss. Allerdings ist es im Design so, dass erwartet wird, dass es so abläuft, was eine Schande ist, nicht zuletzt weil das in anderen Branchen nicht der Fall ist. In den meisten anderen Berufen ist es selbstverständlich, dass man sein Studium abschließt und dann eine bezahlte Anstellung antritt.

smow blog: Interessant, dass du sagst, es gibt nur wenige bezahlte Möglichkeiten in Berlin, man könnte ja denken, dass mit der großen Zahl von Designstudios in Berlin auch genauso viele freie Stellen zu vergeben sind...

Gunnar Søren Petersen: Der hauptsächliche Grund ist, dass die Designstudios in Berlin generell sehr klein sind und die zusätzlichen Mitarbeiter nicht brauchen. Was nicht bedeutet, dass sie nicht erfolgreich sind, es gibt viele sehr erfolgreiche Ateliers in Berlin, aber die agieren in einem Umfang, mit dem sie sich wohlfühlen und über den sie nicht notwendigerweise hinauswachsen wollen oder zumindest nicht, bis sie sicher sind, dass es genug Arbeit gibt, die das rechtfertigen würde.

smow blog: Und in Kopenhagen, hat man dort bessere Chancen? Gibt es dort mehr größere Agenturen?

Gunnar Søren Petersen: Speziell im Hinblick auf Möbel, was mein Hauptaugenmerk ist, gibt es meiner Meinung nach mehr größere Agenturen als in Berlin auch auch mehr, die im internationalen Markt besser verankert sind, als es in Berlin der Fall ist. Und so gibt es in der Theorie wahrscheinlich zurzeit mehr Möglichkeiten für mich in Kopenhagen als in Berlin. Ich habe allerdings erst vor Kurzem angefangen, mich in Kopenhagen zu bewerben und vielleicht werde ich noch eines Besseren belehrt...

smow blog: Und generell gesehen, kann man Berlin und Kopenhagen vergleichen oder ist das unmöglich...?

Gunnar Søren Petersen: Im Großen und Ganzen denke ich man kann sagen, dass Kopenhagen ein wenig professioneller ist, was nicht unbedingt besser ist, nur die Einstellung ist anders. Beide funktionieren so wie sie sind sehr gut, nur sehr unterschiedlich. Obwohl man trotzdem auch sagen könnte, dass Berlin, wenn es kleiner wäre, in vielerlei Hinsicht sehr ähnlich wie Kopenhagen wäre, nicht genau gleich aber sehr ähnlich.

smow blog: Du hast vorhin erwähnt, dass du ursprünglich nach Berlin gezogen bist, weil es Berlin war und dass es für dich als Ort immer noch funktioniert, aber wir ahnen, dass es nicht unbedingt deine Zukunft sein muss?

Gunnar Søren Petersen: Nicht unbedingt, nein. Ich würde auch mit Freude nach Kopenhagen ziehen, ich habe dort ein tolles soziales Umfeld und fühle mich in Kopenhagen sehr zu Hause, also wenn mir ein guter Job angeboten werden würde, würde ich nicht zögern, umzuziehen. Aber gleichzeitig hat Berlin auf mich immer noch eine sehr starke Anziehung und Faszination und deshalb bin ich offen für beides. Und nicht, dass ich andere Orte ausschließen würde - Amsterdam, Hamburg und London haben alle ihre Vorteile, aber momentan liegt mein Schwerpunkt auf Kopenhagen und Berlin.

Mehr Informationen zu Gunnar Søren Petersen finden Sie unter www.gunnar-petersen.com

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