Bei dem ganzen Hype um "Bauhaus Stil", "Bauhaus Klassik" und "Bauhaus Design" wird allzu oft vergessen, dass das Bauhaus eine Universität war. Und wenn auch viele, wenn nicht gar die meisten von uns, höchstens ein halbes Dutzend Bauhaus Absolventen nennen können, so waren es doch hunderte, die ein Studium am Bauhaus abgeschlossen haben.
Dabei ging es nicht nur um Partys und Theater - die Studenten lernten auch etwas. Aber was lernten sie? Wie lernten sie? Und was lernen wir daraus?
Mit dem Versuch solche Fragen zu beantworten, präsentiert das Bauhaus Archiv Berlin derzeit eine Ausstellung, die sich dem am längsten aktiven Mitglied des Lehrpersonals am Bauhaus widmet: Wassily Kandinsky.
Der am 4. Dezember 1866 in Moskau geborene Wassily Kandinsky studierte Jura, Wirtschaftslehre und Statistik in Moskau, bevor er 1896 nach München zog, wo er die Malereiklasse unter Leitung von Anton Ažbe besuchte. 1901 war Kandinsky Mitbegründer des progressiven Künstlerkollektivs und der privaten Malschule Phalanx, die 1904 geschlossen wurde, woraufhin Kandinsky eine Reihe von Studienreisen in die Niederlande, Frankreich, Tunesien, Italien und die Schweiz unternahm. Nach seiner Rückkehr nach Moskau im Jahr 1914 hatte Kandinsky zahlreiche Lehraufträge und administrative Positionen in Kultur- und Kunstinstitutionen inne - am bedeutendsten darunter wohl das Volkskommissariat für Bildungswesen (Narkompros) und das Institut für Künstlerische Kultur (INCHUK). Ans Bauhaus kam Kandinsky auf Walter Gropius' Einladung hin im Jahr 1922. Nach der Schließung im Jahr 1933 emigrierte Kandinsky dann nach Paris, wo er am 13. Dezember im Alter von 78 Jahren starb.
Die Ausstellung präsentiert eine Mischung aus Arbeiten von Kandinsky selbst, von seinen Studenten und seinen Lehrerkollegen am Bauhaus, und wird durch Publikationen von Kandinsky, Original-Dokumenten und Lehrmaterialien untermauert und ergänzt. "Wassily Kandinsky - Lehrer am Bauhaus" zeigt so nicht nur, wie Kandinsky zahlreiche Kurse in Weimar, Dessau und Berlin leitete, und was er von seinen Studenten erwartete, sondern macht auch deutlich, wie sich Kandinsky als Künstler während seiner Jahre am Bauhaus entwickelte.
Wie zu erwarten bei einer Ausstellung, die Wassily Kandinsky und seiner Lehre am Bauhaus gewidmet ist, sind die Wände voll von geometrischen Formen und Primärfarben. Die Farben und Muster wurden von Kandinskys Studenten im Rahmen des Seminars "Abstrakte Elemente der Form" entwickelt und stehen zum einen für Kandinskys eigene Forschungen zu Form und Farbe, illustrieren aber andererseits auch, wie Kandinsky seine Studenten dazu anregte eigene Gedanken zu entwickeln.
Auf welche Art und Weise die Erkenntnisse aus solchen Untersuchungen in Kandinskys Arbeiten einflossen, lässt sich auf zahlreichen der ausgestellten Kandinsky Arbeiten nachvollziehen. Wie die Studenten allerdings mit dem, was sie bei Kandinsky lernten, in ihren Berufen nach dem Bauhaus umgingen - welche Rolle das Studium für ihre jeweilige Karriere spielte - ist leider nicht dokumentiert. Wäre allerdings ebenso interessant.
Ein weiterer Schwerpunkt der Ausstellung ist Kandinskys "analytisches Zeichnen"-Seminar, eine zentrale Komponente seiner Lehre und ein Seminar, das den Studenten zeigte, durch einen Prozess der Vereinfachung der Form die Verhältnismäßigkeiten zwischen Objekten besser zu verstehen. Auch hier illustriert wieder eine Reihe von Studentenarbeiten, wie die Studenten angehalten wurden sich durch den Prozess einer sequenziellen Reduktion auf das Essentielle zu konzentrieren und aufgerufen waren, von dort aus etwas neues zu entwickeln.
Ein Ansatz, von dem wir möglicherweise in allen Bereichen profitieren könnten.
Neben den eher abstrakten Arbeiten und Ideologien widmet sich "Wassily Kandinsky - Lehrer am Bauhaus" auch der Klasse für bildenden Kunst, die gemeinsam von Kandinsky und Paul Klee geleitet wurde. In diesem Zusammenhang ist eine beachtliche Arbeit von Hajo Rose aus dem Jahr 1932 zu sehen. In ähnlicher Manier endet die Ausstellung dann auch jeweils mit einer Arbeit von László Moholy-Nagy, Paul Klee, Georg Muche und Lyonel Feininger. Diese Arbeiten wurden zum 60. Geburtstag von Kandinsky präsentiert und machen gut deutlich, wie talentiert und kreativ das Lehrpersonal am Bauhaus war.
Wassily Kandinsky war nicht nur wegen der Dauer seiner Beschäftigung ein wichtiger Lehrer des Bauhauses, sondern vor allem auch weil Kandinskys Vorkurs in der Zeit von 1922 bis 1930, also während der wichtigsten Bauhaus Jahre, für alle Studenten verpflichtend war.
Was sehr vereinfacht bedeutet, dass man das Bauhaus durch Kandinsky verstehen lernt.
"Wassily Kandinsky – Lehrer am Bauhaus" ist die umfassendste Untersuchung zu Kandinskys Lehre, die überhaupt jemals angestellt wurde, und wird rund 30 Jahre nach der letzten Ausstellung zu diesem Thema gezeigt. Die Ausstellung ist eine zeitgemäße und sehr unterhaltsame Untersuchung des Themas, vor allem ist sie aber auch eine sehr zugängliche, die mit einfachen, manchmal fast schon zu simplen Präsentationsmethoden auskommt.
"Wassily Kandinsky - Lehrer am Bauhaus" ist bis Montag, den 8. September 2014 im Bauhaus Archiv, Klingelhöferstr.14, 10785 Berlin zu sehen.
Neben der Ausstellung hat das Bauhaus Archiv Berlin ein begleitendes Programm mit Gesprächen und Führungen organisiert. Alle Details sind unter www.bauhaus.de zu finden.