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Eines der ersten Telefonate, das Mateo Kries und Marc Zehnter, nachdem sie 2011 die Leitung des Vitra Design Museums übernommen haben, geführt haben, ging an Konstantin Grcic. Es ging dabei um die Möglichkeit einer Ausstellung. Grcic war grundsätzlich offen für die Idee, wollte allerdings keine "statische Ausstellung, die seine Arbeit in der Zeit einfrieren würde, sondern etwas dynamisches."
Aus diesem "etwas dynamischem" wurde die Ausstellung "Konstantin Grcic - Panorama", die im Vitra Design Museum in Weil am Rhein, am 21. März 2014 eröffnet wurde.
Panorama präsentiert in vier thematischen Abschnitten ungefähr 200 Objekte und umfasst eigentlich zwei Ausstellungen in einer. Der erste Teil im Untergeschoss des Museums behandelt Designthemen, die für Konstantin Grcic von besonderer Bedeutung sind, und seiner Meinung nach für uns alle bedeutend sein sollten.
Die Ausstellung wird dabei mit "Life Space", einem Ausblick auf Konstantin Grcics Überlegungen zu zukünftigen Wohnsituationen, eröffnet, bevor im Abschnitt "Work Space" eine Erforschung von Konstantin Grcics Arbeitsprozess erfolgt. Dieser Punkt behandelt wiederum einerseits eine Diskussion zum Designprozess ganz allgemein und befasst sich andererseits mit der Zukunft urbaner Räume.
Im Obergeschoss befindet sich der mit "Object Space" betitelte zweite Hauptteil der Ausstellung, der detailliert auf Grcics Oeuvre eingeht. Es werden exemplarisch unterschiedliche Arbeiten von Grcic gezeigt, darunter Produkte für so unterschiedliche Hersteller wie Moormann, Magis, ClassiCon und Flos sowie Objekte, die in Kooperationen mit Galerien entstanden sind, und Projekte, die ohne Grcics Münchner Studio wohl niemals zustande gekommen wären. Zudem werden die Arbeiten anderen Objekten gegenübergestellt, die für Konstantin Grcic eine bestimmte Rolle spielen, die ihn z.B. für seine eigenen Arbeiten inspiriert haben.
Die Aufteilung der Ausstellung ist dabei nicht nur eine räumliche und konzeptuelle, sie gibt auch stilistisch unterschiedliche Richtungen vor. Getreu Grcics Motto, "meine Designs geben sich nicht sofort zu erkennen", ist der Besucher in den ersten drei Abschnitten eher gefordert, eigene Antworten auf die thematisierten Fragestellungen zu finden. Der letzte Abschnitt ist hingegen ganz museale, trockene und oberflächliche Präsentation. So sprechen auch beide, Konstantin Grcic und der Chefkurator des Vitra Design Museums Mateo Kries, vom vierten Abschnitt als einer Ausstellung in der Ausstellung, die sie absichtlich so eingängig und anspruchslos konzipiert haben.
Irgendwie wirkt das auf uns ziemlich ironisch.
Alles in allem ist die Ausstellung eine wunderbare, klar strukturierte Präsentation, die einiges über Konstantin Grcic und seine Art zu arbeiten zu berichten weiß, die wir allerdings, um ehrlich zu sein, nicht wirklich ernst nehmen können - ein Umstand, den wir jedoch absolut gutheißen.
Wie schon bei der Ausstellung "Lightopia" war der Platzmangel im Vitra Design Museum für uns das größte Problem. Zwar hält Konstantin Grcic Frank Gehrys Gebäude für eine Herausforderung - es habe Charakter mit seinen groben Ecken - es besteht allerdings auch kein Zweifel an der Tatsache, dass ein Charakteristikum des Vitra Design Museums der Platzmangel ist.
Für die konservativen Ausstellungsformate, wie auch den zweiten Ausstellungsteil "Object Space" mag der Platz ausreichen, ein ambitioniertes Projekt in der Größenordnung von "Panorama" benötigt jedoch eigentlich mehr Raum.
Jeder der vier Abschnitte hätte für sich genommen eine komplette Ausstellung werden können. Wir haben zwar schon Ausstellungen in sehr viel kleineren Räumlichkeiten gesehen, bei "Panorama" hat man aber, auch wenn der Umfang während der Ausstellungsplanung sicher bereits eingegrenzt wurde, ein explizit eingeengtes und unwillkommenes Gefühl. Als wünschten sich alle, man würde doch nur einen Text über die Ausstellung lesen, anstatt den Raum mit seiner Anwesenheit zu überfüllen.
Der Abschnitt "Life Space" beispielsweise hätte eindeutig so präsentiert werden müssen, dass man herumlaufen, alles untersuchen, anfassen und sich auf die Stühle setzen kann, anstatt sich die Ausstellung aus der Distanz von einer der komfortablen Bench B Bänke anzuschauen. Hingegen hätte "Work Space" gewissermaßen Platz zum arbeiten benötigt - die Anordnung erinnert eher an ein Lager als an eine Werkstatt - eher einschläfernd als dynamisch. Und das liegt nicht daran, dass den Kuratoren keine bessere Lösung eingefallen wäre, der Platzmangel bot einfach keine bessere Möglichkeit, all die Themen unterzubringen.
All das sollte aber nicht für eine Kritik an der Ausstellung selbst gehalten werden!
"Panorama" ist keine Ausstellung, die Konstantin Grcics Arbeit grundsätzlich erklärt. Grcic selbst vielleicht schon, aber nicht seine Arbeit. Allerdings soll das auch gar nicht der Schwerpunkt sein. Die Ausstellung handelt weniger von Konstantin Grcics Arbeit als von ganz grundsätzlichen Fragen zum aktuellen Design und zeitgenössischen Designern.
Konstantin Grcic ist dabei lediglich der Kanal.
Der Begriff "Design" wird heute ziemlich inflationär gebraucht. Es gibt immer mehr "Design", weil immer mehr Aspekte unseres Lebens als "Design" verstanden, präsentiert und verkauft werden. Folglich sind der Begriff "Design" und die Aufgabe des "Designers" unklar, verworren, widersprüchlich und letztlich bedeutungslos geworden. "Panorama" fokussiert, was Design wirklich ist bzw. was zeitgenössisches Design sein sollte.
Was ist wirklich wichtig für die Wohnräume der Zukunft? Wie können neue Technologien am besten integriert, statt einfach nur angewendet werden? Welche Formen werden neue Technologien ermöglichen? Welche wären wünschenswert und welche sind sinnvoll? Was bedeutet es heute an einem Ort zu "leben"? Was ist Arbeit? Sind wir bereit unsere Privatsphäre für den häuslichen Komfort zu opfern? Wie kann uns Design helfen zu erreichen, was wir wollen und was wir benötigen? Welche Verantwortung haben die Designer innerhalb solcher Prozesse?
Solche Fragen werden auf Schautafeln thematisiert und von Artikeln sowie wissenschaftlichen Arbeiten begleitet, die sich mit verwandten sozialen, kulturellen und ökonomischen Problemen befassen: Können Wüsten die Erde mit Strom versorgen? Ist eine Welt ohne Unternehmen und Fabriken vorstellbar? Was sind die Vorteile des Häuser-Besetzens? ...
Die Ausstellung geht weder an einer Stelle sonderlich in die Tiefe noch streift sie alle Probleme des zeitgenössischen Designs oder wirft komplett neue Fragen auf - das ist aber auch nicht das Ziel. "Panorama" ist eine Ausstellung von Konstatin Grcic über Konstantin Grcic bzw. Dinge, die für ihn wichtig sind und über die nachzudenken er anregen will. Diesem Anliegen folgt "Panorama" auf sehr effektive Weise, mit einfachen Mitteln und in einer zugänglichen, aber fordernden Art.
"Panorama" macht dabei absolut deutlich, dass in Zukunft jeder von uns seinen persönlichen Anteil an einer kollektiven Verantwortung akzeptieren werden muss. Verantwortung kann man jedoch erst übernehmen, wenn man seine Umwelt versteht und zu schätzen weiß. Das wird besonders im Abschnitt "Public Space" deutlich, der im größten Raum des Vitra Design Museums präsentiert wird und den eine 30 Meter lange und 4,4 Meter hohe Fantasie-Stadtansicht des Londoner Künstlers Neil Campbell Ross dominiert. Vor dieser Stadtlandschaft sind einige Chair Ones auf Betonsockeln und Gricics experimentelles Projekt "Landen" von 2007 zu sehen. Dazu kommt ein Zaun, von dem wir dachten, er wäre nur zu Dekorationszwecken installiert, der aber gewissermaßen eine 3D-Erweiterung des Gemäldes ist. Der eigentliche Gedanke dahinter ist allerdings ein ziemlich deprimierendes Klischee. Insofern ignorieren wir den Zaun mal.
Der Fokus des Raumes liegt ohnehin auf der Stadtansicht und den dadurch aufgeworfenen Fragen zum Stand der urbanen Umwelt und ihren Entwicklungen. Auf den Schautafeln wirft Grcic beispielsweise Fragen nach den Besitzverhältnissen urbaner Räume, der Notwendigkeit humaner urbaner Lebensformen und der zukünftigen Fortbewegung in Städten auf. Was erwarten wir von den Städten der Zukunft? Letztendlich haben die Antworten, die jeder für sich auf diese Fragen findet, Auswirkungen auf den Charakter unserer Städte und bestimmen, ob wir in einer Zukunft leben werden, die wir uns gewünscht haben. Wollen wir solche Entscheidungen wirklich Designern überlassen? Wer bezahlt eigentlich Designer?
Konzeptuelle Ausstellungen wie "Panorama" laufen immer Gefahr zum intellektuellen Steckenpferd der Organisatoren zu werden. Die Kuratoren betreiben eine endlose Nabelschau und entwickeln ein großes Konzept aus den edelsten Theorien, gespickt mit Doktrinen und Ideologien, die Massen strömen hinzu und zeigen sich überwältigt vom Glanz des Spektakels. Aber am Ende bleibt nur ein enormer narzisstischer Pomp.
"Panorama" entkommt diesem Schicksal, indem vermieden wird alle Fragen zu beantworten, geschweige denn eine Vision der Zukunft zu präsentieren. Das bleibt Aufgabe der Besucher. "Ich hoffe", so Grcic, "die Besucher verstehen die Ausstellung als Ausgangspunkt für eine Diskussion und denken darüber nach, was ihnen gezeigt wurde. Und entscheiden dann ob sie mit unseren Anschauungen einverstanden sind oder nicht."
All das bedeutet natürlich, dass "Konstantin Grcic - Panorama" nichts für einen faulen, verkaterten Sonntagnachmittag ist - jedenfalls nicht die ersten drei Abschnitte. Aber mal ganz im Ernst, wenn man irgendetwas aus dieser Ausstellung mitnehmen möchte, sollte man Zeit und etwas Geistesanstrengung investieren.
Die Ausstellung läuft bis September - also keine faulen Ausreden.
"Konstantin Grcic - Panorama" ist bis Sonntag, den 14. September 2014, im Vitra Design Museum, Charles Eames Strasse 2, 79576 Weil am Rhein zu sehen. Alle Details, wie Öffnungszeiten, Eintrittspreise und Informationen zum Begleitprogramm sind unter www.design-museum.de zu finden.