Wir hätten es kommen sehen müssen: Nach der Übernahme durch Vitra 2013 hat Artek jetzt begonnen, mit führenden Designern aus dem Vitra Kader zusammenzuarbeiten.
In Mailand stellte Artek einen neuen Stuhl von Konstantin Grcic und neue Farb- und Stoffmuster von Hella Jongerius für die Alvar Aalto Klassiker Sessel 400 und 401 sowie seinen Hocker 60 vor.
Wir hoffen nur, dass sie es nicht übertreiben werden!
In der Mailänder Pressemitteilung zeigte sich die Artek Geschäftsführerin Mirkku Kullberg sehr erfreut darüber, dass Artek jetzt durch Vitra Teil einer Infrastruktur sei, die der Firma erlaube, sich auf Produktentwicklung und die Ausweitung des Vertriebsnetzwerks zu konzentrieren. Mit den Worten Kullbergs, "die Grundvoraussetzungen für Wachstum".
In Anbetracht der Selbstverständlichkeit, mit der die Außendienstmitarbeiter von Vitra zum benachbarten Artek Stand gewechselt sind, um ihren Kunden die Artek Kollektion zu zeigen, wird es wohl kein größeres Problem für Artek sein, durch die neuen Vertriebsmöglichkeiten zu wachsen. Natürlich ist es für beide Unternehmen sinnvoll, die neue Situation zu nutzen, um ihre Verkaufs-, Marketing- und Vertriebsstrukturen zu optimieren.
Nichts gegen neue Kollaborationen und neue Produkte, aber unserer Meinung nach müsste Artek seinen Fokus in Sachen Produktpalette und Produktentwicklung weiterhin auf seine Kernkompetenzen legen: Alvar Aalto Möbel - genau so wie Alvar Aalto sie entwarf. Das kann Artek einfach am besten!
Über die Jahre hat Artek regelmäßig und sehr erfolgreich mit neuen Designern zusammengearbeitet und frisches Blut in das Unternehmen fließen lassen. Am bedeutendsten dabei wahrscheinlich die Zusammenarbeit mit Tom Dixon als Creative Director. Das sind alles sinnvolle Schritte, die die Firma jung und wettbewerbsfähig halten, allerdings wäre es schade, wenn sich Artek allzu sehr ablenken ließe. Nur weil es einen leichten Zugang zu führenden zeitgenössischen Designern gibt, heißt das nicht, dass man diese Option auch nutzen muss.
D.h. die beiden in Mailand präsentierten Kollaborationen wurden, wie wir glauben, ganz in Arteks Sinne abgeschlossen. Mit Konstantin Grcic hat Artek einen Designer gewählt, der sich mit der Seele und der Herkunft des Unternehmens auskennt. Das hat Grcic mit einem Prototypen, der noch in Arbeit ist und in Mailand durch Magis präsentiert wurde, vielleicht etwas zu elegant unter Beweis gestellt. Wir würden mal sagen, Alvar Aalto hätte eine ähnliche Idee gehabt, wäre er ein begeisterter Skifahrer gewesen.
Sein Verständnis von Aalto und Artek hat Grcic mit dem neuen Drehstuhl allerdings sehr poetisch demonstriert. Der Stuhl mit dem etwas kuriosen Namen Rival ist fürs Home Office gedacht, passt aber unserer Meinung nach besser in eine Bar, ein Restaurant oder in Konferenzräume. Der aus Birkenholz gefertigte Rival ist mit hoher und niedriger Rückenlehne, einer Auswahl an Sitzpolstern und in verschiedenen Farben erhältlich.
Hella Jongerius hat unterdessen kein neues Produkt entwickelt, sondern drei Aalto Klassiker aufgefrischt. Für Aaltos Hocker 60 sowie die Sessel 400 und 401 hat sie vier neue Holzfarben entwickelt - Silberbirke, Honig, Walnuss und Kohle - und für die Sessel 400 und 401 stellte sie neue Textilien vor. Durch die neuen Varianten werden die Möbel mit ziemlicher Sicherheit für ein breiteres Publikum zugänglich als es vielleicht bisher der Fall war.
Zwar verstehen wir die Theorie hinter den Überarbeitungen und würden auch sagen, dass es Hella Jongerius geschafft hat, den Objekten mehr Tiefe und Wärme zu verleihen, allerdings bleibt sie mit ihren Designs - vor allem beim 401 - zu nah an ihrer typischen, recht allgemeinen Jongerius-Ästhetik.
Der 401 würde beispielsweise zum Vitra Stand genauso gut passen, und dort auch genauso gut aussehen wie bei Artek. Und genau das sollten die beiden Unternehmen vermeiden. Vitra und Artek haben ganz unterschiedliche Hintergründe, ihre Identitäten und das jeweilige Designverständnis stammen aus ganz unterschiedlichen Zeiten und Kontexten. Folglich sollte jedes Unternehmen seinen eigenen Wege gehen und bei dem bleiben, was sie einzigartig macht.
Eine Verschmelzung der zwei Traditionen würde keinem von beiden nutzen.
Wie gesagt, der Start war gut, aber es wird spannend zu beobachten sein, wie sich die Dinge entwickeln!
Einige Eindrücke von Artek in Mailand: