"Guten Abend Berlin"
Boing Boing
"Street's like a jungle, so call the police.... "
So eröffnet man eine Veranstaltung.
Leider sah niemand vom Bundespreis Ecodesign und/oder Bundesumweltministerium den Auftritt von Blur beim Berlin Festival 2013. Anstatt mit einem Überschallknall eröffnete die Preisverleihung des Bundespreises Ecodesign 2013 in Berlin so damit, alle Nominierten auf die Bühne zu holen. Alle auf einmal....
Preisverleihungen sind von Natur aus öde, trockene Veranstaltungen, besonders wenn, wie beim Bundespreis Ecodesign, die Gewinner schon im Voraus feststehen. Dann sollte das Ziel der Veranstalter immer sein, das Ganze so schnell wie möglich über die Bühne zu bringen. Und sie nicht durch einen gut gemeinten, aber unpassenden Gerechtigkeitssinn unnötig in die Länge zu ziehen. Weniger ist mehr!
Neben der dadurch entstandenen Eintönigkeit war die gewählte Präsentationsform unglücklich, weil der Bundespreis Ecodesign als einer der interessanteren und wichtigeren Preise für zeitgenössisches Design eigentlich etwas besseres verdient hat.
Wie wir in unseren nicht ganz korrekten Überlegungen zur Cradle-to-Cradle-Kategorie beim Internationalen Marianne Brandt Wettbewerb 2013 geschrieben haben, sollte Nachhaltigkeit ein selbsterklärender Aspekte im zeitgenössischen Design sein. Die Tage, in denen es beim Design nur darum ging, attraktive Formen zu gestalten, sind längst vorbei. Und wer das noch nicht verstanden hat, sollte nach einem neuen Job suchen.
Das Problem ist natürlich, dass Marketingabteilungen die Realität verstanden haben; aber anstatt ihre Geldgeber zu ermutigen, nachhaltigere Produkte und Projekte zu entwickeln, haben sie immer ausgefeiltere Methoden entwickelt, ihren Projekten ein grünes Image zu geben. Und die weltweite Designpreis-Industrie spielt dabei mit, indem sie immer mehr "Nachhaltigkeits"-Kategorien in ihre Preise integrieren, wobei dabei Nachhaltigkeit mehr als hilfreiches Marketinginstrument denn als streng definiertes Konzept verstanden wird.
Der Bundespreis Ecodesign ist da anders.
2012 vom Bundesministerium für Umwelt und dem Umwelt Bundesamt gegründet, will der Bundespreis Ecodesign ökologisch und sozial verantwortliches Design erkennen und auszeichnen. Dafür haben die Organisatoren in Zusammenarbeit mit dem Internationalen Design Zentrum Berlin eine "Kriterien Matrix" entwickelt. Mit der Prüfung von Aspekten wie z.B. Material, Energieverbrauch, soziale Verantwortung oder Werbung in Sachen Vorproduktion, Herstellung, Vertrieb, Weiter- und Wiederverwendung, dient die Matrix nicht nur der Jury, um die unterschiedlichen Projekte zu bewerten, sondern kann auch von der Designindustrie als Richtlinie für die Bewertung von Projekten vor ihrem Start genutzt werden.
Vorzugsweise in Zusammenhang mit Max Borkas Aufruf, dass "Designer, bevor sie irgendetwas anderes tun, mit dem Designen aufhören sollten, wenn klar ist, dass nur Mist dabei rauskommen kann".
Unter den Nominierungen von 2013 war z.B. Revolver, eine private Windturbine von Frog Design. Ein Objekt so groß wie ein Regenschirm, kann Revolver laut Frog Design - wir haben es selbst nicht gesehen und getestet - mit dem kleinsten Windstoß genug Elektrizität produzieren, um einen Laptop, ein Mobiltelefon oder eine Lampe mit Energie zu versorgen. Auf der einen Seite ist das natürlich beim Campen sehr nützlich, auf der anderen aber auch bei der Energieversorgung in Krisengebieten und Slums. Gedanken, die uns zurück zu Lightopia im Vitra Design Museum und Fragen nach Lichtarmut einer gerechteren Lichtverteilung bringen.
Ein gleichwertiger Versuch Licht in die dunkleren Ecken unseres Planeten zu bringen, ist der Solarkiosk von den Berliner Architekten Graft, einem Projekt, das wir als Teil der Ausstellung "Aus allen Richtungen. Positionen junger Architekten im BDA" kennenlernten. Der Vorteil von Solarkiosk, einem modularen, mobilen solarbetriebenen Kiosk, nicht nur, dass er überall dort verwendet werden kann, wo die Sonne scheint, sondern viel mehr, dass er als Lichtquelle für Stadtteile ohne Strom genutzt werden kann. Daneben eignet sich Solarkiosk auch zum Aufladen z.B. von Mobiltelefonen.
Außerdem waren wir sehr begeistert von Cubile, einem ohne Strom funktionierenden Lebensmittellagersystem von Anne Ziegler von der Hochschule Wismar; Luftpaket, einem vielfältig einsetzbaren Briefumschlag von Julia Oberndörfer von der Fachhochschule Potsdam; und Integrated Urban Morphologies von Florian Krampe und Christopher Voss von der Universität Stuttgart, was man wahrscheinlich am besten als computerbasiertes System beschreiben kann, das Architekten und Stadtplanern bei der Optimierung der Planungsprozesse unterstützen soll.
Während ihrer Eröffnungsrede bemerkte Ministerin Ursula Heinen-Esser, dass die Verwendung umweltfreundlicherer Produkte nicht allein die Antwort auf unsre sozialen und ökologischen Probleme ist, sondern dass der Konsumstopp die einzige Antwort sein kann. Dass wir alle aufhören zu Konsumieren ist jedoch unwahrscheinlich und so bleiben umweltfreundliche Produkte die wichtigste Handlungsmöglichkeit, die wir haben.
Und das heißt, Preise wie der Bundespreis Ecodesign werden hoffentlich im Hinblick auf die Vorgabe einer Richtlinie, mit der Konsumenten zwischen verantwortungsbewussten Produkten/Dienstleistungen und solchen unterscheiden können, die nur stark an der Vortäuschung eines grünen Images gearbeitet haben, zunehmend relevant.
Die Preisträger des Bundespreises Ecodesign 2013:
Kategorie: Produkt
Bionic Fire von Attika Feuer AG
Hilti TE-YX von Hilti AG
LifeCycle Tower von Cree GmbH
Metro-Plattform Inspiro von Siemens AG
Pyua – Ecorrect Outerwear von Sportsman‘s Delight GmbH
Second Life Rugs von Ute Ketelhake
ZAwheel von Ziehl-Abegg SE
Kategorie: Service
Solarkiosk von Graft - Gesellschaft von Architekten mbH
Kategorie: Konzept
Revolver – Personal Wind Turbine von Frog Design Europe GmbH
Kategorie: Junge Designer
Integrated Urban Morphologies von Florian Krampe, Christopher Voss
Startklar von Esther Bätschmann
Pumpipumpe – an analogue Sharing System von Meteor Collectif