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Wahrscheinlich sind nicht alle über unsere ständigen Besuche in Chemnitz erfreut. Auf jeden Fall weiß aber die Mehrheit, dass sich unser Benehmen irgendwo zwischen jugendlicher Unreife und dem Gerede eines verbitterten Häftlings bewegt. Und tatsächlich begann alles, als wir noch unreife Jugendliche waren. Seitdem haben wir schon lange den beneidenswerten Status gehässiger, älterer Bürger.
Aber mal davon abgesehen haben die meisten, auch wenn ihnen unsere Einwände nicht gefallen, akzeptiert und verstanden, dass es nichts Persönliches ist, sondern nur eine historische Wunde, die wir tragen.
Als wir uns also an einem Samstag von einem der Marianne-Brandt-Wettbewerbs-Organisatoren verabschieden wollten, erwiderte der mit wissendem Blick: "Bis zum nächsten Mal also. In Chemnitz". Woraufhin ich, "Das wird dann in drei Jahren sein", antwortete und es im nächsten Moment bereute.
Ich bereute es, weil es nicht nur die idiotischste aller Antworten war, sondern weil es an einem Tag wie dem 7. September 2013, mit Sonnenschein, den einladend leuchtenden Fassaden des neuen Museums und Karl Marx, der den Eindruck eines fürsorglichen alten Onkels mit einer Tüte Süßigkeiten machte, die er mit allen teilen würde, eigentlich Zeit gewesen wäre einen Schritt weiter zu gehen und Chemnitz eine Chance zu geben.
Einen gewissen Verdienst an unserem Meinungsumschwung hatte fraglos der Internationale Marianne Brandt Wettbewerb.
Bis zum 1. Oktober 2013 waren alle Nominierungen des Marianne Brandt Wettbewerbs in einer Ausstellung im Industriemuseum Chemnitz zu sehen.
Die Ausstellung des Marianne Brandt Wettbewerbs war eine verhältnismäßig simple Angelegenheit, eine kuratorische Entscheidung, die den Besuchern Zeit und Raum ließ die Objekte wirklich genau unter die Lupe zu nehmen.
Thema des Wettbewerbs war "Die Poesie des Funktionalen", ein Slogan, der natürlich vor allem die Frage aufwirft, ob Funktionalität überhaupt poetisch sein kann. Verdrängt Funktion nicht die Poesie?
Die Antwort hängt natürlich von der jeweiligen Definition des Begriffs Poesie ab.
Die delikate Porzellankollektion "Lumos" von Claudia Biehne und Stefan Passig, ist beispielsweise eine feine Elegie in der Tradition von Percy Bysshe Shelley oder Thomas Gray. Alexander Penkins "Thinking outside the bag" spielt mit den feineren Aspekten satirischer Poesie, während Veronika Gruber mit dem Tisch "Janus" eine sehr erzählerische Arbeit zeigte.
Der scharfsinnige literarisch Gelehrte wird also eine Fülle an unausweichlichen Referenzen in der Ausstellung des Marianne Brandt Wettbewerbs gefunden haben.
Zu den Produktdesign-Highlights gehörte für uns Anna Albertine Baronius "2tables". Der Tisch mit integrierter Lampe ist zwar in seiner Offensichtlichkeit ziemlich albern, das schön gearbeitete Stück bereitete uns allerdings ein zuvor unerreichtes Vergnügen. Es gab wohl Klagen, dass obwohl die beiden Formen des 2tables "offen" und "geschlossen" sind, man den Tisch in der geschlossenen Variante nicht nutzen könne, um Dinge darauf abzustellen, weil man sie dann, um die offene Form zu nutzen, erst beiseite räumen müsse. Für uns ist das eher Teil der Schönheit. Der Benutzer wird so gezwungen etwas ordentlicher zu sein und etwas genauer zu überlegen, wie er den Platz nutzt. Alle Objekte, die einen dazu bringen, werden uns immer gefallen.
Über das Kräuterregal "Kitchen Herbs 2.0" von Tina Schönheit haben wir uns, trotz der etwas zu verspielten Idee, ähnlich gefreut. Und auch die "Modulare Parkgarage" von Thomas Wagner hat es uns angetan. Zudem war es sehr schön mal wieder auf so alte Bekannte zu treffen wie Sample Avenue von Karoline Fessner oder die Stuhl-Tischkombination Sam und Suzie von Gesine Hillmann und Jan Regett - Objekte, die in der exklusiven Atmosphäre des Industrie Museums Chemnitz wirklich brillierten.
Wie ja alle wissen, hatten wir so unsere Probleme die Regeln für die Kategorie Cradle-to-Cradle vollständig zu verstehen. Die Wettbewerbsausstellung machte allerdings alles einigermaßen klar. Einigermaßen insofern als der "Cradle-to-Cradle"-Aspekt nicht immer so ganz ersichtlich schien. Neben Objekten, die uns schon bekannt waren, darunter der wundervolle Max Trill Stuhl von Katharina Schwarz - ein Stück, das wir zuletzt in der sehr vermissten Galerie dieschönestadt in Halle gesehen haben, gehörten für uns zu den Cadle-to-Cradle-Highlights "AntikKOMBO" von Björn Kendelbacher und Stephan Eggers und BugBox von Franziska Callensee, Vera Aldejohann und Adrian Meseck.
Wenn die Wettbewerbsausstellung 2013 für uns einen Schwachpunkt hatte, dann war es zweifellos die Fotografie. Wir haben viel Zeit damit zugebracht uns Fotos anzuschauen, und es langweilt uns wirklich, Bilder zu sehen, die vielleicht technisch perfekt gemacht, in gleicherweise aber komplett stumpfsinnig sind - oder schlimmer noch: klischeehaft, offensichtlich, ermüdend. Warum quält ihr uns damit? Erst kürzlich haben wir uns über die Allgegenwart von Schwarzweißfotografien von Zigarre rauchenden Kubanern mit alten, faltigen Gesichtern beklagt. Metaphorisch gesehen zeigten für uns zu viele der in Chemnitz ausgestellten Arbeiten rauchende, zerknitterte Bewohner des alten Havannas.
Natürlich gab es Ausnahmen, die deutlich unter Beweis stellten, dass Fotografie möglich ist. "Eldorado" von Jan Mammy war sehr erfreulich, und das nicht nur wegen des mehr als offensichtlichen Bezugs zur Bauhaus Fotografie. Weitere Fotografieprojekte, die es Wert sind genannt zu werden, waren "Aprés une Architecture" von Marget Hoppe und die perverserweise süchtig machenden, dokumentarischen Aufnahmen aus Kirill Golovchenkos "Kachalka"-Projekt.
Um ehrlich zu sein haben uns die Nominierten von 2013 im Ganzen nicht so mitgenommen wie die des Wettbewerbs von 2010. Es gab für uns beispielweise nichts, das Objekten wie Damensattel oder Mechthild gleichgekommen wäre. Es geht aber nicht darum die Nominierten von 2013 schlecht zu machen. Die Qualität war fraglos sehr hoch und sicherlich besser als bei den meisten Designwettbewerben.
Neben der Tatsache, dass durch den Marianne Brandt Wettbewerb das Erbe einer der interessanteren Designerinnen/Künstlerinnen der Moderne am Leben erhalten wird, gibt es eine Menge Gründe den Wettbewerb zu würdigen: zum einen der sehr vernünftige Eintrittspreis und die wirklich nützlichen Nicht-Geld-Preise einiger Sponsoren, andererseits besteht kein Druck Lizenzgebühren zu zahlen, sollte man gewinnen und an erster Steller natürlich: das wunderbare Thema des Wettbewerbs.
Wahrscheinlich nahmen deshalb so viele, wirklich talentierte, innovative und aufmerksame junge Designer an dem Wettbewerb teil.
Alle Details zur Ausstellung gibt es unter http://marianne-brandt-wettbewerb.de. Für alle, die es nicht dorthin geschafft haben, außerdem ein paar unserer Eindrücke. Eine größere Auswahl an Bildern ist unter pinterest board zu finden.
Wie gewohnt der Offenheit und Transparenz zuliebe: (smow) Chemnitz ist ein Sponsor des Internationalen Marianne Brandt Wettbewerbs.