Wir sind zwar schon fast zu spät dran, aber noch bis zum 8. November zeigt der ArchitekturSalon Köln die Ausstellung "Alison and Peter Smithon - The Art of Inhabitation."
Als Neufassung der Ausstellung “Alison and Peter Smithson – From the House of the Future to a House of Today” des Londoner Design Museums aus dem Jahr 2003, erforscht "The Art of Inhabitation" die Arbeit und das Erbe zwei der wichtigsten britischen Nachkriegsarchitekten anhand nur eines Aspekts ihres umfangreichen Schaffens, den Privathäusern.
Ein Aspekt, der zwar einen zentralen Teil ihrer eigentlichen und realisierten Arbeit ausmacht, in der öffentlichen Wahrnehmung allerdings meist hinter ihren theoretischen Arbeiten und der Etablierung des Brutalismus als architektonisches Genre zurücktritt.
Alison Gill und Peter Smithon trafen sich während ihres Architekturstudiums an der Univerität of Durham, Newcastle-upon-Tyne. Im Jahr 1949 heiratete das Paar und erhielt im gleichen Jahr seinen ersten bedeutenden Auftrag, die Secondary Modern School in Hunstanton: ein Projekt, das damals für große Aufregung sorgte und mit seinen breiten Streifen aus Glas und der strengen, selbstbewussten, trotzdem irgendwie fragilen Form, als erste brutalistische Konstruktion gilt. Als Mitglieder des Congrès International d´Architecture Moderne, CIAM, nahmen Alison und Peter Smithson an verschiedensten Kongressen teil, bevor sie sich dann 1953 mit einer Gruppe Gleichgesinnter zusammenschlossen, um das sogenannte "Team 10" zu gründen - ein Zusammenschluss junger Architekten, die mit der Führung der modernen Bewegung durch die, wie man sagen könnte, "alte Garde" unzufrieden waren und sich nach einer Veränderung sehnten.
Team 10 kritisierte die Ideen führender CIAM-Mitglieder, wie Le Corbusier, und sagte den Untergang des CIAM, und damit den Untergang einer formalen, strukturierten Organisation der Moderne, voraus.
Wenngleich diese Geschichte offenbar tragisch erscheint, passt sie doch gut zu einer zentralen Komponente der Auffassung modernistischer Architektur, wie sie die Smithsons vertraten: dem Konzept der drei Generationen.
In der Theorie der Smithsons ist die Italienische Renaissance als eine Entwicklung über drei Generationen zu verstehen, die mit Filippo Brunelleschi (1377-1446) beginnt und über Leon Battista Alberti (1404-1472) zu Francesco di Giorgio (1439-1501) führt. "Durch diese drei Männer lief die Hauptströmung der Renaissance, eine Zeitspanne von drei Generationen für die Erfindung und Einführung einer Sprache, deren Intentionen gänzlich neu waren" wie es die Smithsons so poetisch formulierten.
In gleicher Weise begann die Entwicklung der Moderne, nach Alison und Peter Smithson, mit Walter Gropius, Ludwig Mies van der Rohe und Le Corbusier, ging in eine zweite Generation, vertreten durch beispielsweise Jean Prouvé oder Charles Eames über und erreichte eine dritte, die Alison und Peter Smithson selbst einschließt.
So wie auch während der Renaissance kopierte nicht etwa die jüngere Generation einfach die ältere, sondern übernahm ihre Erfahrungen und Ideen und nutzte sie als theoretisches Fundament für die Entwicklung eigener Ideen.
So erinnerte sich beispielsweise Peter Smithson an eine Mies-van-der-Rohe-Ausstellung im Museum of Modern Art New York aus dem Jahr 1947: "...was ich bis vor kurzem nicht wusste, ist, dass Eames die Ausstellung fotografierte, was meiner Meinung nach der Auslöser war, der ihn dazu brachte, den Entwurf seines eigenen Hauses von einer brückenartigen Gestaltung in ein Haus auf dem Boden umzuwandeln. Das war der Beginn einer amerikanischen Verbindung. Eames war Erbe einer Auffassung.”
In vielerlei Hinsicht referenziert der Titel der Ausstellung auf eine Auffassung, die die Smithsons von Charles und Ray Eames übernahmen. So wie in etwa der Eames'sche Interieurstil vom Konzept der Collage dominiert war - ein Konzept, das man vielleicht knapp mit: "wenn du willst, dass Dinge zusammenpassen, dann passen sie auch zusammen" beschreiben könnte - so war der Ansatz der Smithsons von der Formulierung geprägt: "dressing by the art of inhabitation" - den Benutzern sollte möglich sein, einen Raum in einer Weise zu gestalten, die ihren individuellen, persönlichen und emotionalen Anforderungen entspricht. Mit dieser Auffassung standen die Smithsons in bewusstem und direktem Kontrast zu Le Corbusier und seiner Vorstellung des Hauses als "lebender Maschine".
So kann man die Collage der Eames als eine weniger direkte Anfechtung des Le-Corbusier-Diktats verstehen und die Entwicklung von Le Corbusier zu Alison und Peter Smithon so, über Charles und Ray Eames beschreiben.
Also wieder drei Generationen.
Die Einbeziehung von Ray Eames und Alison Smithson ist auch deshalb wichtig, weil die Entwicklung der Moderne, anders als die der Renaissance, einen unverkennbar weiblichen Akzent hatte: Lily Reich mit Mies van der Rohe, Truus Schröder-Schräder mit Gerrit Rietveld, Charlotte Perriand mit Le Corbusier und, am einflussreichsten für die Smithsons, Ray Eames mit Charles Eames.
Alison und Peter Smithson - The Art of Inhabitation beginnt mit beispielhaftem Möbeldesign dieser drei Vertretergenerationen der Moderne und geht dann über zu Wohnprojekten von Alison und Peter Smithson. Dazu gehören Häuser, aber auch Ausstellungen, die das Paar kuratierte, wie zum Beispiel: "Patio and Pavilion" und "House of the future" von 1956. Ein weiterer Teil zeigt Beispiele der umfangreichen Schriften des Paares.
Ein besonders interessantes Moment der Ausstellung ist der abschließende Teil, der sich der Beziehung der Smithsons zu Axel Bruchhäuser, Inhaber und Direktor der Deutschen Möbelmanufaktur TECTA, widmet.
Die 1980er und 1990er Jahre hindurch, realisierten Alison und Peter Smithson zahlreiche Architekturprojekte für Axel Bruchhäuser - darunter das Kragstuhl Museum am TECTA Hauptsitz in Lauenförde und das sogenannte Hexenhaus, ein Privathaus für Axel Bruchhäuser in Bad Karlshafen. Dabei handelt es sich um ein hinreißend monströses Projekt, dessen ganze Exzellenz man nur vage erahnen kann, obwohl es durch Fotos, Skizzen und, besonders eindrucksvoll, durch ein maßstabsgetreues Modell im abschließenden Teil der Kölner Ausstellung, veranschaulicht wird.
In Ergänzung zur Architektur entwickelten Alison und Peter Smithson auch eine Reihe an Möbelprototypen für TECTA. Möbel denen, auch wenn sie in Köln gezeigt werden, glücklicherweise weniger Gewicht in der Ausstellungsgestaltung zukommt. Während der Robin Chair formal eine echte Freude ist, könnte man den Collectors Table und den violetten Kaffeetisch, dessen Namen wir vergessen haben, als Kuriositäten einer, milde gesagt, übermäßig enthusiastischen Fantasie bezeichnen. In dieser Hinsicht ist es ein wenig enttäuschend, dass keine Beispiele der wirklich charmanten Möbel gezeigt werden, die das Paar für die Ausstellung "Home of the Future" im Jahr 1956 entwickelte - Möbel mit so exotischen Namen wie "Egg" oder "Tulip".
Und ja, sie wurden entwickelt und benannt vor den Arbeiten Jacobsens und Saarinens.
Abgesehen von der, unserer Meinung nach, nicht ganz optimalen Präsentation der Smithson-Möbelentwürfe, liefert "The Art of Inhabitation" einen exzellenten Überblick zu Alison und Peter Smithson, ihrer Entwicklung, ihrer Philosophie, ihrer Kreativität und Energie und macht prägnant deutlich, wie wichtig die beiden waren und wie relevant sie immer noch sind.
Die Ausstellung zeigt auch sehr klar, was unter Brutalismus zu verstehen ist. Wenn man Gebäude wie, James Goldfingers Trellick Tower in London, Louis Kahns National Assembly Building in Dhaka, Bangladesh oder Le Corbusiers Unité d’Habitation in Marseille dem Brutalismus zuordnet, ist ein Besuch des AIT ArchitekturSalons Köln sehr zu empfehlen.
Die ursprüngliche Idee des Brutalismus, wenn man von einer solchen sprechen kann, führt zurück zu den Wurzeln und setzt sich für eine fast traditionelle Authentizität ein. Elemente und Komponenten der Gebäude sollten sichtbar gemacht werden. Eine Definition, die allerdings auch die SANAA Produktionshalle für Vitra brutalistisch erscheinen lässt.
Architekturausstellungen können beängstigende Veranstaltungen sein. Die Masse an technischen Zeichnungen und der häufig noch technischere Jargon wirken auf den leichtgläubigen Besucher immer bedrohlich. "Alison and Peter Smithson – The Art of Inhabitation" umgeht dieses Risiko. Zwar werden die technischen Zeichnungen für alle, die sie wollen oder brauchen präsentiert, die Ausstellungsmacher verlassen sich allerdings mehr auf Modelle und einfache Texte, um die einzelnen Projekte, ihren Kontext und ihre Rolle in Alison und Peter Smithons Schaffen zu erklären. Eine kuratorische Entscheidung, die "Alison and Peter Smithson – The Art of Inhabitation" so zugänglich wie unterhaltsam macht.
"Alison and Peter Smithson – The Art of Inhabitation" ist bis Freitag, dem 8. November 2013 im AIT ArchitekturSalon Köln (Vogelsanger Strasse 70, Barthonia Forum, 50823 Köln) zu sehen.
Wenn möglich, sollte man vorbeischauen!
Einige Eindrücke:
1 Alison and Peter Smithson, Italian Thoughts, 1993
2 Peter Smithson - Conversations with Students. Ed. Catherine Spellman, Princeton Architectural Press, 2005