"Wie kommt der Elefant zu seinem Rüssel?"
"Wie kommen Beton und Mörtel an die höheren Stockwerke eines Gebäudes?"
Man muss die Antwort auf die erste Frage nicht kennen, um die zweite zu beantworten: Wenn es aber nicht so wäre, wäre die Lösung für die zweite Frage um einiges unpraktischer als es in unserer Lebensrealität der Fall ist.
Die Idee ein rüsselartiges System zu nutzen, um Beton und Mörtel in höhere Stockwerke zu transportieren, wurde 1957 von dem Stuttgarter Ingenieur Karl Schlecht in seinem Diplomprojekt an der Universität Stuttgart entwickelt. Und hat sich zum weltweit anerkannten Industriestandard entwickelt.
Nur ein Beispiel dafür, wie in Stuttgart Design die Welt revolutioniert hat.
Insofern ist es mehr als passend, dass Karl Schlecht Trust ein Hauptsponsor für den aed neuland Preis ist. Dieser ist ein Wettbewerb für Projekte von Diplom-, Bachelor- und anderen -studenten.
Organisiert vom Verein zur Förderung von Architektur, Ingenieurwesen und Design in Stuttgart e.V. oder kurz aed Stuttgart, wurde der neuland Wettbewerb erstmals 2005 ausgerichtet und ist ein internationaler Wettbewerb, der offen für Studenten und Absolventen unter 28 ist.
Für die vierte Ausgabe des Wettbewerbs erhielten die Veranstalter über 200 Beiträge für insgesamt fünf Wettbewerbskategorien und am 16. Oktober wurden die Gewinner der einzelnen Kategorien bekannt gegeben und die begleitende Ausstellung mit den Projekten der Gewinner und 17 Nominierten offiziell eröffnet.
Es wird für niemanden eine Überraschung sein, dass unser Interesse vor allem den Kategorien Industrie- und Produktdesign galt.
Was uns aber vor allem beeindruckt hat, war die fundamentale Natur der meisten Projekten. Es gab z.B. nicht einen einzigen Stuhl oder ein Bücherregal unter den ausgestellten Projekten. Ok, bei einem Wettbewerb für Studentenprojekten könnte man sowas auch erwarten, aber dass es dann tatsächlich so war, freute uns doch ganz besonders. Und natürlich hat man bei solchen Projekten immer auch noch einen anderen als den eigentlich Nutzen.
Das Gewinnerprojekt Wanderer von Pietro Huber und Marc-André Brucker von der HfG Schwäbisch Gmünd zum Beispiel ist ein Kajak, das flach zusammengerollt als Rucksack transportiert werden kann. Ein Produkt, für all jene, die die große Outdoorwelt ernsthaft erkunden wollen - und das gleichermaßen am Land wie zu Wasser. Dass das die meisten von uns nicht wollen, versteht sich von selbst. Doch die Technik muss nicht nur für den Outdoorbereich genutzt werden, sondern könnte auch für die Entwicklung von Objekten für humanitäre Organisationen bei der lokalen Hilfe in Katastrophengebieten dienen. Oder einfach, um viele Boote in überflutete Gebiete zu transportieren.
Für Freizeit und Katastrophen gleichermaßen einsetzbar ist auch das Projekt TiPi vom Absolventen der Fachhochschule Kaiserslautern, Jens Betha. Wenigstens auf dem Papier. Wir haben nichts Handfestes gesehen und können nicht bestätigen, inwieweit es seiner Beschreibung gerecht wird. Aber angenommen das tut es, ist TiPi ein flaches, modulares Wohnsystem, das mit einer Reihe leicht zu transportierender Elemente die Basics für einige Tage sicheres und bequemes Wohnen liefert. Und obwohl es offiziell als Lösung für Camping präsentiert wird, wäre eine Erweiterung als Notfallbehausung ebenso denkbar.
Ein weiteres Projekt, das unsere Aufmerksamkeit wegen der Forschungsarbeit hinter den Hochglanzfotos auf sich zog, ist das Wohnwagenprojekt Beyond von Markus Kurkowski von der Hochschule Darmstadt, dem Gewinner der Kategorie Mobilitäts- und Transportdesign. Entwickelt um die Anforderungen von körperlich eingeschränkten Menschen gerecht zu werden, sind wir nicht hundertprozentig überzeugt, dass der vorgestellte Wohnwagen überhaupt in erforderlicher und angemessener Weise funktionieren würde. Aber das ist nicht der Punkt. Wichtig ist, dass grundlegende Überlegungen auf dem Gebiet angestellt worden sind, weil es solche und ähnliche Probleme auch in anderen Räumen gibt. Der Wohnwagen kann in der Hinsicht als Versuchslabor betrachtet werden. So ähnlich wie Georg Vrachliotis die Pläne des Designers vom USM Haller Möbelbausystem, Fritz Haller, für eine Weltraumkolonie erklärt hat: "...im Wesentlichen ging Fritz Haller ins Weltall, um besser über die Erde nachdenken zu können", ist das auch mit Kurkowskis Erkundung des Wohnwagens.
Besondere Erwähnung verdienen außerdem Learning from Architecture, 7 Mahnungen von Tobias Keinath, Gewinner der Kategorie Kommunikations- und Grafikdesign, The Kings New Clothes, eine Waschmaschine von Philipp Oster, die CO2 statt Wasser nutzt, und Flyscraper von Stefan Niggemeyer and Ernesto M. Mulch, Absolventen der Universität Kassel.
Karl Schlechts original Diplomprojekt hat sich über die Jahre zu einem Multimillionen-Euro-Familiengeschäft entwickelt, das in vielerlei Hinsicht das Kernstück der Wirtschaft in Stuttgart und Umgebung ausmacht. Diese Multimillionen-Euro-Familiengeschäfte sind auch einer der Gründe, warum Stuttgart Zuhause für eine überproportionale Anzahl von Architekten und Designern ist: Dort gibt es Arbeit.
Ob eines der Projekte von aed neuland 2013 auch so einen großen internationalen Erfolg haben wird, bleibt natürlich abzuwarten, aber das Potential ist auf jeden Fall da und wir hoffen, die beteiligten Designer und Architekten werden die Gelegenheit haben, es auszuprobieren.
Die Ausstellung mit allen nominierten und ausgezeichneten Projekten von aed neuland 2013 kann in der Galerie Klaus Gerrit Friese Waldbaur-Areal, Rotebühlstraße 87, 70178 Stuttgart bis Freitag, den 8. November gesehen werden. Die Veranstalter planen, die Ausstellung dann auf Wanderschaft zu schicken, Genaueres dazu ist aber noch nicht bestätigt. Wir halten euch auf dem Laufenden.
Nachfolgend noch einige Eindrücke von der Preisverleihung und einigen Gewinnerprojekten. Weitere Fotos von der Ausstellung gibt es unter facebook.com/smow.stuttgart.