Es ist bezeichnend für das Bild von Designermöbeln in unserer Gesellschaft, dass Medien aus ganz Europa den Fakt aufgegriffen haben, dass der französische Wirtschaftsminister, Arnaud Montebourg, in Zusammenhang mit dem kürzlich veröffentlichten Wohlstandsbericht des französischen Kabinetts zugab, er besitze einen Eames Lounge Chair.
Spiegel Online illustrierte den Wohlstandsbericht sogar zeitweise mit einem Bild eines solchen Eames Lounge Chairs.
Während die Faszination für Monsieur Montebourg und seinen Eames Lounge Chair fast sicher mit der Tatsache zusammenhängt, dass es sich dabei um eine der wenigen Enthüllungen bei der ganzen Sache handelt - auch wenn die Enthüllung kein Teil des offiziellen Dokuments ist, sondern eigentlich aus einem Interview in der Zeitung Le Monde stammt -, offenbart sie gleichzeitig die weitläufige Meinung über den Besitz von Designermöbeln als einen Indikator von unerreichbarem und irgendwie ungerechtem Reichtum.
Ja, so ein Ojekt wie der Eames Lounge Chair kostet mehr als die meisten Menschen normalerweise für ein Möbelstück ausgeben würden. Aber wenn man mal eine Kosten-Nutzen Rechnung macht, ist es, verglichen mit den Alternativen, plötzlich gar nicht mehr soooo viel. Die Investition in einen Eames Lounge Chair ist eine Investition in ein Objekt, das einen nicht nur bis zum letzten Atemzug begleitet, sondern darüber hinaus auch noch den eigenen Kindern erhalten bleiben wird.
Und dann ist da noch die materielle Investition. Wenn man sich den Bericht des Ministeriums ansieht, findet man z.B. heraus, dass der Europaminister Thierry Repentin 2009 einen Renault Scenic für 26.700 Euro kaufte. Der ist jetzt noch 8.500 Euro wert. Der Eames Lounge Chair hingegen, den Arnaud Montebourg 1988 für ca. 4.300 Euro gekauft hat, wird kaum einem Wertverlust von 66% unterlegen haben. Und wünschen wir uns nicht alle Politiker, die vernünftige ökonomische Entscheidungen treffen? Vor allem in der aktuellen Lage?
Für uns ist ein Teil des Problems, der zu der Faszination für den Besitz eines Designklassikers wie dem Eames Lounge Chair führt, wie solche Produkte beworben oder generell in den Medien präsentiert werden. Viel zu oft werden Designermöbel als etwas übernatürliches präsentiert, als etwas exklusives und nichts für so jemanden wie dich und mich. Wie wir bereits sagten - und wiederholen werden bis unsere Zähne ausfallen - wenn sich Hersteller der ermüdenden, von Agenturen erschaffenen Bilderwelt verweigern würden und sich dafür darauf konzentrieren würden, die Qualität der verwendeten Materialien, der angewandten Handwerkskunst, die Dauer des Designprozesses, die Investitionen in die Maschinen, die für die Herstellung benötigt werden usw. usf. zu erklären, würde die Öffentlichkeit auch den Preis nachvollziehen können. Und würden sich so ein Objekt vielleicht sogar als einen Hauch von Luxus in ihrem grauen, unerfüllten Leben wünschen.
In diesem Zusammenhang kann im Lounge Chair Atelier im VitraHaus eine wunderbare Entwicklung beobachtet werden, da es dort dem Besucher seit einiger Zeit nicht nur möglich ist, zu sehen und zu fühlen, wie ein Vitra Lounge Chair hergestellt wird, sondern auch mit den Mitarbeitern zu sprechen und ein bisschen mehr über die Menschen hinter dem Produkt zu erfahren.
Von daher sagen wir, lassen Sie Monsieur Montebourg in Ruhe! Er hat unserer Meinung nach sehr weise und vernünftig investiert.
Und was die Dekadenz angeht: Justizministerin Christiane Taubira gab zu, drei Fahrräder zu besitzen. Drei Fahrräder!!!
Qu'ils mangent de la brioche! Also echt...!