Eines der Highlights der Saloni Milano 2013 war der italienische Hersteller Mattiazzi. Und zwar nicht nur, weil sie aus Jasper Morrison den Stuhl Fionda herausgekitzelt haben, der - unserer Meinung nach - einer seiner besseren und auf jeden Fall interessantesten der letzten Jahre ist.
1978 gegründet, ist Mattiazzi, wenn wir das richtig verstanden haben, im Wesentlichen ein Netzwerk für holzverarbeitende Dienstleistungen in Udine. 30 Jahre lang war das Unternehmen als Lieferant von Holz für andere Möbelhersteller tätig, bis es sich 2008 entschied, in seine eigene Marke zu investieren. Die Investition war offensichtlich sehr groß, oder besser gesagt, sehr sehr groß. Aber es hat sich gelohnt.
Mattiazzi erreichte 2011 mit der Osso Kollektion von Ronan und Erwan Bouroullec erstmals ein internationales Publikum. Das positive Echo auf Osso ist nicht nur der Verbindung mit der Marke Bouroullec zu verdanken, sondern ist ganz einfach auch Ergebnis eines ziemlich guten Stücks Arbeit. Als Projekt erlaubte Osso Ronan und Erwan Bouroullec eine neue Dimension ihrer Arbeit zu entwickeln - eine Herausforderung, die sie angingen und die im Ergebnis ein beeindruckendes Maß an technischer Raffinesse und ästhetischer Klarheit demonstriert.
Seit der Lancierung von Osso 2011 wuchs das Portfolio von Mattiazzi stetig und in Mailand präsentierte das Unternehmen die jüngsten Ergebnisse von Zusammenarbeiten mit Sam Hecht, Konstantin Grcic und Jasper Morrison mit dem bereits erwähnten Fionda.
Letztlich ein Holzrahmen mit einer austauschbaren Schlinge aus Stoff, ist es ziemlich schwer Fionda als Stuhl zu bezeichnen, zumindest als Stuhl im klassischen Sinne. Augenscheinlich von einem Camping-Klappstuhl beeinflusst, den Morrison in Japan kaufte, macht Fionda nichts großartig anderes als "richtige" Campingstühle oder Designklassiker wie der tausendfach kopierte Butterfly/Hardoy Chair. Fionda präsentiert das Konzept jedoch mit einer selten gesehenen Leichtigkeit und gefestigter Ruhe. Und, wie wir finden, mit einer Lebendigkeit, die wir in vielen von Morrisons letzten Arbeiten vermisst haben. Daneben können die Rahmen, wenn man die Segeltuch-Schlinge abnimmt, gestapelt werden, was Fionda zum unkomplizierten Outdoor-Sitz für Cafés, Eisdielen usw. macht.
Gleichermaßen beeindruckend finden wir Medici von Konstantin Grcic. Ursprünglich 2012 in Mailand präsentiert, ist Medici ein Lounge Chair, der alles von Konstantin Grcics Vorstellungen von einer reduzierten, unaufdringlichen Formensprache aufnimmt, beim Schopfe packt und aus dem Fenster wirft.
Ja, Medici ist eine sehr simple Holzkonstruktion, eine sehr simple Holzkonstruktion, die in vielerlei Hinsicht an den Rot-Blau-Stuhl von Gerrit Rietveld erinnert. Aber es ist kein Objekt, dem man Samstagnacht in einer dunklen Gasse begegnen möchte.
Genau wie Waver für Vitra, ist Medici nichts, was wir von Grcic kennen. Und während die Motivation beim Waver größtenteils darin bestand, die Vitra Outdoor Kollektion mit einer Formensprache weit weg von den Eames dominierten Interiordesigns zu definieren, fand Grcic bei Mattiazzi ein unbeschriebenes Blatt vor. Was bedeutet, dass das Design tiefer herrührt. Und tatsächlich spürt man, wenn man seine Kommentare zu Medici liest, eine tiefe persönliche Freude, die er bei der Entwicklung des Projekts hatte.
Was uns schließlich an Mattiazzi so gut gefällt, ist die unangestrengte Einfachheit ihrer Möbel.
Man kann sich zurzeit nicht durch den europäischen Möbelmarkt bewegen, ohne auf einen Hersteller mit einem neuen Holzstuhl zu stoßen. Viele davon sehr ähnlich. Sehr typisch. Sehr langweilig. Und sehr "skandinavisch". Diese Entwicklungen in der Möbelindustrie spiegeln die der Fernsehkrimis sehr schön wieder, wo es auch nur noch selten ohne mürrischen skandinavischen Ermittler in einem skurrilen Wollpulli geht. Und tatsächlich hat ein junger Designer, mit dem wir in Mailand gesprochen haben, sogar ziemlich offen zugegeben, dass seine aktuellen Arbeiten größtenteils auf eben diesen Markt ausgerichtet sind. Und man kann es ihnen nicht mal vorwerfen.
Was für uns jedoch Mattiazzi davon abhebt, ist, dass sie sich offensichtlich nicht nur um die optische Erscheinung, sondern auch um die Funktion, den Ursprung, das Handwerk und die Ausstrahlung der Stücke kümmern. Ältere Leser werden so etwas mit dem Konzept des "Charakters" assoziieren, einem anarchischen Begriff, der so überholt ist, dass der Duden überlegt, ihn aus der nächsten Auflage rauszunehmen. Mattiazzi haben offenbar noch eine alte Auflage zuhause.
Es wird interessant zu beobachten sein, wie sich Mattiazzi in den nächsten Jahren entwickelt. Ob sich die Investitionen gelohnt haben. So toll und interessant die aktuelle Kollektion auch ist, garantiert sie nicht unbedingt eine langfristige finanzielle Absicherung. Dass sie sich Herman Miller als ihren nordamerikanischen Vertriebspartner gesichert haben, ist schonmal nicht schlecht. Ähnlich wie Aram in Großbritannien. Aber auch das ist keine Garantie für nachhaltigen Erfolg. Der kommt von einem Produktportfolio, das über verschiedene Märkte hinweg erfolgreich ist und neue Käufer erreichen kann. Und das braucht vor allem Zeit.
Wir halten auf jeden Fall ein Auge darauf und werden euch auf dem Laufenden halten.