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London Design Museum Sammlung: Extraordinary Stories About Ordinary Things


Veröffentlicht am 31.01.2013

Vor dem Umzug  2015 hat das London Design Museum seine Dauerausstellung neu gestaltet. Seit dem 30. Januar 2013 geht es nun um “Extraordinary Stories About Ordinary Things”, wobei man sich in sechs Abschnitten - Taste, Why We Collect, Icons, Identity & Design, Material & Process und Fashion - recht umfangreich dem Thema Design widmet.

London Design Museum Collection Extraordinary Stories About Ordinary Things

Jedes Thema der Ausstellung Extraordinary Stories About Ordinary Things ist so faszinierend wie berechtigt, jedes einzelne Thema leidet jedoch an dem üblichen Problem: Platzmangel.

So ehrenwert die Absichten des Design Museums auch sein mögen, der zweite Stock der derzeitigen Location in Shad Thames hat einfach nicht den Platz, um mehr als an der Oberfläche kratzen zu können. Das kann manchmal ärgerlich sein, denn man weiß einfach, da ist noch mehr, was man wissen will, aber...

Nun wissen wir, dass es Leute gibt, die das als Beweis für ein grundlegendes Problem im Ausstellungskonzept betrachten würden. Wir wissen jedoch auch, dass es eine undankbare Aufgabe ist, eine so umfangreiche Dauerausstellung wie diese des Design Museums in London auf 500 qm zu präsentieren.

Wir kennen auch Design Museen, die einfach das machen, was der Besucher kennt - und will. Gebt ihnen, was sie erwarten und überfordere sie nicht... Aber das ist nichts als faul.

Das Konzept, das das Design Museum gewählt hat, ist ambitioniert. Und das muss gewürdigt werden. Aber in der aktuellen Location funktioniert es einfach nicht richtig. Wir hoffen, dass sie im neuen Museumsbau mehr Platz haben, sodass sie die Ausstellung erweitern und vertiefen können.

Aber abgesehen von den dem Platz geschuldeten Defiziten ist Extraordinary Stories About Ordinary Things sehr zu empfehlen.

London Design Museum Collection Extraordinary Stories About Ordinary Things Modernism

Extraordinary Stories About Ordinary Things beginnt chronologisch mit Taste und der Ankunft der Moderne in Großbritannien, was bedeutet, sie ignorieren die Arts and Crafts Bewegung. - Berechtigt. Und interessant.

Mit einem kurzen (!) Verweis - wie wir schon sagten, der Platz! - auf den Beitrag von z.B. Marcel Breuer oder Erno Goldfinger gibt dieser Ausstellungsteil einen schönen Überblick über die einzigartige britische Interpretation der Moderne. Das ist im übrigen etwas, was bei der Bauhaus: Art as Life Ausstellung im Barbican völlig gefehlt hat und bei der British Design 1948 – 2012 Ausstellung im V&A gerade mal auf den Brutalismus reduziert wurde; ist uns also sehr willkommen.

Nachdem sie dann erklärt haben, wann - ihrer Meinung nach - die Geschichte des Designs begonnen hat, "erklärt" die Ausstellung, warum sie sammelt.

Es gibt allerdings keinen Versuch einen Diskurs zu beginnen, in dem es um Design als etwas, das gesammelt werden kann und sollte, geht; oder um Autoren-Design vs. kommerzielles Design; oder um die aktuelle Explosion in Designgalerien. Fragen, wie "Für wen sammelt man denn?" oder "Was gilt als "authentisch"?" bleiben offen. Mit Kunst ist das alles recht einfach. Aber mit Design?

Daher denken wir, hätten sie den Teil auch einfach weglassen können - auch wenn er eine tolle Sammlung von Objekten, wie Jasper Morrisons Handlebar Table von 1983 oder den Rover Chair von Ron Arad beinhaltet. Den Platz hätte man für etwas anderes nutzen können. Z.B. für die nächsten Teile: Icons und Identity and Design - die faszinierendsten Aspekte der Ausstellung.

Wir wissen. Soziologie... Ehrlich, wir haben unsere Berufung verfehlt. Kein normaler Mensch würde doch so durch soziologische Theorien in Aufregung versetz werden wie wir...

Der Icons Teil ist besonders gut konzipiert, weil er sich auf eine Ikone im britischen Design konzentriert - die Anglepoise Lampe.

Die Anglepoise Lampe ist mehr als eine echte Designikone. Indem man ihre Entwicklungsstadien betrachtet und sie mit anderen Lampen vergleicht, rückt man die Anglepoise Lampe in einen Kontext, der sie zugleich verständlich und unnahbar wirken lässt. Und genau so wollen wir unsere Ikonen.

Der Identity and Design Teil wird durch ein blaues Autobahnschild und eine rote Telefonzelle dominiert. Vor allem ist die Einbindung der roten Telefonzelle in Identity ein Geniestreich, der den Unterschied zwischen Ikonen und Objekten mit Identität ausdrückt.

Jeder, der regelmäßig vom Flughafen Gatwick ins Zentrum von London reist, weiß, dass man nicht weit vom Flughafen an etwas vorbeikommt, was man nicht anders als einen Telefonzellen-Friedhof nennen kann. Dutzende, wenn nicht sogar hunderte, rostender Telefonzellen stehen stumm in Reihen - wie ein apologetisches britisches Äquivalent der Terracotta Armee. Wir können nur vermuten, dass sie unschuldige Opfer eines Versuchs sind, sich den symbolischen Status der roten Telefonzelle zu Nutze zu machen, nachdem sie aus dem Verkehr gezogen und durch Plastikzellen ersetzt wurden.

Das einzige Problem ist, sie sind keine Ikonen.

Von ihrer Funktion befreit, sind sie nur noch Symbole. Etwas woran wir Erinnerungen haben und was wir alle identifizieren können. Aber nichts ikonisches. Und sicher sind sie keine Objekte, die es wert sind sie zu besitzen.

Was, um etwas abzuschweifen, wie mit dem Verhältnis der Ostdeutschen zum "DDR Design" ist. Man mag es drollig und vertraut finden, aber es hat nichts ikonisches.

Das Autobahnschild scheint hingegen wie das absolute Nicht-Design. Eben ein Verkehrsschild. Aber durch die Standardisierung von Verkehrsschildern hat man nicht nur ein wunderbares Beispiel dafür, wie Design helfen kann das Leben zu erleichtern, sondern auch ein starkes Symbol einer nationalen Identität. Ein designorientiertes Symbol einer nationalen Identität.

London Design Museum Collection Extraordinary Stories About Ordinary Things British

Die Entscheidung einen Teil über die Materialien und Herstellungsverfahren einzubeziehen, zeigt, dass das Museum die wichtige Rolle dieser beiden Aspekte für die Zukunft des Designs verstanden hat. Denn tatsächlich dreht sich die Zukunft des Designs sehr um Materialien und Herstellungsverfahren, darum die bestehenden Standards zu verbessern. Es macht außerdem sehr schön deutlich, dass Museen nicht nur Orte sind, die sammeln und archivieren. Es sind auch Orte, die Wissen teilen, Ideen austauschen und dabei helfen der Gegenwart und der Zukunft Sinn zu verleihen. Die Entscheidung nur Kunststoffe einzubeziehen ist jedoch eine wahre Schande und verstärkt den Glauben, nur Neues sei relevant. Das ist eine gefährliche Position.

Der letzte Abschnitt ist der Mode gewidmet, aber treue Leser werden wissen: wir und Mode...! Nur so viel: Es hingen 8 Kleider da.

Alles in allem bietet Extraordinary Stories About Ordinary Things einen kompakten Überblick über Design im weiteren Sinne, mit klug und realistisch präsentierten Hintergrundinformationen.

Man sollte jedoch nicht erwarten, aus der Ausstellung zu kommen und mehr von Design zu verstehen; außer man hat das Glück, mit einem Guide durch die Ausstellung zu gehen, der einem etwas detaillierter erklärt, was man da sieht - und warum.

Wenn man aber nach einer Sammlung wichtiger Designobjekte sucht, die übersichtlich ausgestellt sind und die einen schnellen Überblick und eine kurze Einführung der wichtigsten Designthemen gibt, dann wird man nicht enttäuscht sein.

Und wir für unseren Teil, freuen uns schon, die Ausstellung in ihrem neuem Zuhause in West Kensington zu besuchen.

Extraordinary Stories About Ordinary Things kann während der üblichen Öffnungszeiten im Design Museum, Shad Thames, London SE1 2YD besucht werden.

Daneben bietet die Design Museum Sammlung App einen Überblick über 59 Objekte der Museumssammlung, wie den Dyson Staubsauger, den Thonet Stuhl, die Vespa, die Anglepoise Lampe und natürlich die britischen Telefonzelle.

Tags

#Design Museum #Extraordinary Stories About Ordinary Things #London