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IMM Cologne 2013 & Passagen 2013. Vorschau.


Veröffentlicht am 09.01.2013

Früher bot die freudig flatternde und im Chor schnatternde Schar Schneegänse, die sich Richtung Süden aufmachte, die Behaglichkeit schaffende akustische Kulisse für den einbrechenden Winter. Ein Symbol für das endende Jahr, ein Zeichen für uns runterzufahren und uns gedanklich in den Winterschlaf zu begeben.

Heutzutage fürchten wir uns regelrecht vor diesem Hitchcock Szenario und das erbarmungslose, unmelodische Geschrei. Es sind aber weniger die auf uns einhackenden Vögel, vor denen wir Angst haben, als das die Entscheidung, die uns dann unmittelbar bevorsteht: Sollen wir im Januar zur IMM Cologne, der Kölner Messe für Designermöbel fahren?

Und genau wie die Fluggänse Jahr für Jahr dem selben Weg folgt, folgt unser Entscheidungsprozess alljährlich dem gleichen ausgelatschten Pfad.

Zuerst entscheiden wir uns immer dagegen. Nein, das ist es nicht wert.

Dann, Mitte Dezember, bekommen wir Panik, dass es dieses Jahr vielleicht ganz großartig werden könnte und wir unbedingt dabei sein müssen. Und so versuchen wir verzweifelt noch ein Hotelzimmer zu buchen.

Schließlich, und wie zugegebenermaßen vorherzusehen war, machen wir uns in ein paar Tagen auf, zu den Parkbänken des Rheins, um doch noch irgendwie bei der IMM Cologne 2013 und den parallel dazu stattfindenden Passagen 2013 dabei zu sein.

Während der Prozess jedes Jahr zur gleichen Entscheidung führt, ist der Grund immer ein anderer.

imm cologne 2012

2013 gibt es z.B. nach drei Jahren Abstinenz die Rückkehr von Vitra zur IMM Cologne. Auch wenn wir nichts radikal neues aus Weil am Rhein erwarten, sind wir nicht nur gespannt, wie sich Vitra präsentieren wird, sondern auch, wie der Rest der Aussteller auf ihre Anwesenheit reagieren wird. Nur wenige Marken dominieren den europäischen Designermöbel Markt wie Vitra und während viele IMM Aussteller fraglos froh gewesen sind, dass sie sich nicht mit dem großen Unternehmen Vitra eine Bühne teilen mussten, werden die meisten hoffen von der einzigartigen Fähigkeit Vitras, gleichermaßen Einkäufer und Journalisten anzulocken, zu profitieren.

Ein anderer Heimkehrer zur IMM Cologne ist Wilde+Spieth. Wenn wir ehrlich sind, wissen wir nicht, wie lange es her ist, dass der Designermöbelhersteller Wilde+Spieth zuletzt auf der IMM ausstellte, vor Jahrzehnten waren sie jedenfalls ein wichtiger Teilnehmer, denn sie präsentierten die Arbeit eines der wichtigsten deutschen Designer, Egon Eiermann.

Und bei ihrer Rückkehr 2013 ist Egon Eiermann erneut im Fokus der Wilde+Spieth Möbelausstellung. Die vier Eiermann Stühle SE 68, SE 68 SU, SBG 197 R  und SE 42 werden in vier neuen Farben aus der Le Corbusier "Les Couleurs" Kollektion präsentiert. Eine Entwicklung, die ganz offensichtlich nach "Lifestyle Marketing" stinkt; aber es hilft vielleicht die Egon Eiermann Möbel einer neuen Generation von Konsumenten zugänglich zu machen. Etwas, was wir im Allgemeinen nur gutheißen können.

So weit wir uns erinnern können, war der letzte Möbelhersteller, der mit Designklassikern in neuen Farben von Le Corbusier experimentierte, Cassina. Und zwar als sie eine neue Serie von Le Corbusier Möbeln in bis dahin unveröffentlichten Farben rausgebracht haben.

Alanis Morissette würde sagen "ironic", dass Cassina in diesem Jahr nicht bei der IMM Cologne ist, sondern sich lieber auf ihre Showroom Eröffnung in Kölns am schlimmsten gentrifizierten Stadtteil Neustadt Nord konzentriert. Als Teil der Poltrona Frau Gruppe "Design Village Cologne" werden sie dort neue Arbeiten von Piero Lissoni, Luca Nichetto und Charlotte Perriand präsentieren.

Und darüber hinaus gibt es fernab des Marketing Geschwätzes auf der Kölner Messe zahlreiche Veranstaltungen, die uns so sehr interessieren, dass wir es irgendwie doch für lohnenswert halten, ein Hotel zu suchen.

egon eiermann se 68 wilde + spieth

 Traditionell konzipiert das Museum für Angewandte Kunst Köln anlässlich der IMM eine Sonderausstellung. Nach der etwas enttäuschenden Ausstellung "Von Aalto bis Zumthor. Architektenmöbel" im letzten Jahr haben wir große Hoffnungen für die diesjährige Ausstellung "Isn't it romantic? Zeitgenössisches Design zwischen Poesie und Provokation". Die vom Direktor der Vienna Design Week, Tulga Beyerle, kuratierte Ausstellung versucht dem zeitgenössischen Verständnis von Romantik auf den Grund zu gehen. Während 1807  William Wordsworth seinen nachdenklichen Geist noch mit Gedanken an tanzende Narzissen entspannt hat, ist Tulga Beyerles der Ansicht, dass sich die moderne von Stress geplagte urbane Gesellschaft Designobjekten zuwendet, die durch ihre Form und ihr Material etwas tief in uns ansprechen. Wir lassen es euch wissen, wenn wir mehr darüber wissen.

Andernorts wird der Designer of the Year Award 2013 an Ronan und Erwan Bouroullec verliehen, was heißt, dass wir uns auf eine schöne, kompakte Retrospektive ihrer Möbeldesigns freuen können. Das Unger Archiv präsentiert außerdem eine Sonderausstellung, gewidmet einem der am meisten unterschätzten der unterschätzten Designklassiker, Alvar Aaltos Hocker 60. Und von den Freuden, die das neueste Lichtprojekt des immer genialen Martin Neuhaus verspricht, wollen wir gar nicht erst anfangen - wir haben es noch nicht gesehen, unsere Erwartungen überschlagen sich aber beinahe.

Trotzdem und zahlreicher anderer interessant klingender Veranstaltungen bleibt der Reiz der IMM Cologne gering.

Die IMM Cologne selbst bleibt für uns eine lästige Veranstaltung. Und wir haben uns schon fast mit der Tatsache abgefunden, dass das auch so bleiben wird.

Die IMM Cologne ist für den Massenmarkt konzipiert. Für einen Markt also, der durch gesichtslose Hersteller dominiert wird, die gesichtslose Produkte verkaufen und die meinen damit einen aktuellen, ökonomisch zweckmäßigen Trend für ein gesichtsloses Publikum wiederzugeben. Und während das Passagen Festival jedes Jahr größer zu werden scheint, ist ein großer Teil dieses Wachstums Möbelhändlern geschuldet, die von den Herstellern gesponserte Laden-"Ausstellungen" existierender Produktlinien organisieren, und nicht etwa interessante Shows für neue, designorientierte, Projekte.  

Aber weil es neue, designorientierte Projekte gibt und weil auch Hersteller wie Lampert, Müller Möbelfabrikation oder e15 die IMM Cologne nutzen, um neue Produkte zu lancieren...

Die Schneegans muss in den Süden fliegen. Sie kann nicht anders. Wir müssen nicht nach Köln fahren. Wir haben das Gefühl, wir sollten.

In den kommenden Wochen werden wir euch mitteilen, ob unsere Entscheidung die richtige war.

imm cologne

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