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Orgatec 2012 Interview: Michel Charlot über die U-Turn für Belux


Veröffentlicht am 13.11.2012

Geht man durch die Vitra Ausstellung auf der Orgatec, kommt man an einem Produkt einfach nicht vorbei. Auf jedem Tisch, in jedem Workbay, in jedem Alcove steht eine Lampe.

Eine Vitra Lampe?

Eigentlich nicht. Eigentlich ist es eine Lampe des Schweizer Herstellers Belux.

Seit 2001 ist Belux jedoch Teil der Vitra Familie und auf der Orgatec 2012 haben sie ihre Familienbeziehung genutzt, um den letzten Neuzugang im Sortiment des Lampenherstellers, U-Turn vom ECAL Lausanne Absolventen Michel Charlot, vorzustellen.

Treue Leser werden sich an unsere totale Begeisterung für die Standing Task Light von Erik Wester erinnern. Das ist eine Lampe, deren Fuß und Schirm durch ein innovatives Kugelgelenk ganz nach Gusto ausgerichtet werden können.

U-Turn von Michel Charlot für Belux erinnert uns stark an die Standing Task Light - nur mit ein paar kleinen Unterschieden. Unterschiede, die so technisch brillant wie poetisch sind und vor allem die Schönheit der Standing Task Light auf eine ganz andere Ebene transportieren.

Bei der U-Turn ist der Lampenkopf durch einen Magnet mit dem Fuß verbunden und kann nicht nur ausgerichtet werden, sondern der Kopf kann auch abgenommen und andersherum wieder aufgesteckt werden. Das Licht kann so nach oben oder unten gerichtet werden. Eine Lampe also, die echte Flexibilität bietet und die Atmosphäre eines Raumes immer wieder neu definieren kann, z.B. indem sie während der Arbeit am Schreibtisch direktes Licht auf die Arbeitsfläche und später, am Abend, angenehmes indirektes Licht nach oben, an die Decke wirft.

Im Moment ist die U-Turn als Schreibtisch-, Hänge-, Wand- und Stehlampe erhältlich, 2013 wird es außerdem eine Klipplampe und eine dimmbare Version geben.

Um etwas mehr über die U-Turn Lampe und ihren Designer herauszufinden, haben wir mit Michel Charlot gesprochen. Als erstes wollten wir wie immer die Hintergründe zum Projekt erfahren....

Michel Charlot: Nachdem ich mein eigenes Studio in Basel eröffnet hatte, kam ich in Kontakt mit Vitra, Belux ist ein Teil von Vitra, die Hilfe bei einem Projekt brauchten und glücklicherweise mich fragten. Sie hatten bereits eine Vorstellung von einer Lampe, die auf einer Kugel und einem Magnet basieren sollte, aber noch funktionierte es nicht und sie wussten nicht, wie sie weitermachen sollten. Es ist die eine Sache eine Idee zu haben, aber eine andere, eine Produktfamilie darum zu entwickeln und dem Ganzen einen eigenen Charakter und eine Identität zu verleihen.

(smow)blog: Und was hast du als erstes getan? Alles über den Haufen geworfen und von vorne begonnen?

Michel Charlot: Mehr oder weniger. Das ursprüngliche Objekt war ziemlich groß, hatte zwei Spots und arbeitete mit einer anderen Technik. Also ja, ich habe so ziemlich alles verändert und was wir jetzt haben, hat nichts mehr mit dem zu tun, was Belux damals hatte. Die Grundidee mit der Kugel und dem Magneten ist die gleiche, aber sonst ist alles neu.

(smow)blog: Als junger, relativ unbekannter Designer zu Unternehmen wie Belux oder Vitra zu sagen "Das ist alles Müll. Wir fangen nochmal von vorne an." klingt nicht als wäre es so leicht...

Michel Charlot: Es ist natürlich schwierig, wenn man so jung ist und es ist auch schwierig für die Leute, mit denen man zusammenarbeitet. Design und Designentwicklung hat viel mit Vertrauen zu tun und es ist natürlich einfacher Leuten wie Antonio Citterio oder Jasper Morrison zu vertrauen, die mehr Erfahrungen haben. Wenn man noch so jung und unerfahren ist, kann es ziemlich schwierig sein, jemanden von einer Idee zu überzeugen, vor allem dann, wenn sie riskant ist. Aber ich denke, im Design ist es wichtig, dass man Risiken eingeht, weil man nur so zu spannenden Ergebnissen kommt. Glücklicherweise hat mich Belux sehr dabei unterstützt und war offen für die Ideen, die ich in das Projekt eingebracht habe.

(smow)blog: Wie lange hat es gedauert das Design zu überarbeiten?

Michel Charlot: Insgesamt hat es zwei Jahre gedauert. Die Herausforderung in der Lichtindustrie ist, dass sich die Technologie so schnell verändert und man es sich nicht leisten kann, zu lange an einem Projekt zu arbeiten, weil das Risiko besteht, dass z.B. die LED Technologie schon wieder überholt ist, wenn man das Produkt auf den Markt bringt, weil man zu lange gebraucht hat. Aber genau weil es diesen Wandel gibt, haben wir die U-Turn entwickelt, deren LED-Technik in Zukunft angepasst werden kann. Die U-Turn, die man in zwei oder drei Jahren kaufen wird, wird zwar noch die gleiche sein, aber mit der modernsten LED Technik. Das ist eine Möglichkeit den Lebenszyklus eines Produktes zu verlängern.

(smow)blog: Du hast dich einer bereits existierenden Idee angenommen und daraus ein Produkt entwickelt. Bist du mit dem Ergebnis zufrieden?

Michel Charlot: Ja, ich bin sehr zufrieden damit. Die Idee ist sehr simpel und es ist ein stimmiges Objekt. Ein Ziel ist es immer für mich, ein Produkt eindeutig zu gestalten, d.h. im Sinne von "Natürlich sieht es so aus." oder "Wie könnte es anders sein?". Ich mag es, wenn Menschen ein Objekt sehen und es "normal" finden. Das ist nämlich gar nicht so leicht zu erreichen, das setzt eine Menge versteckte Arbeit voraus. Um z.B. sicherzustellen, dass sich der Leuchtenkopf geschmeidig über die Kugel bewegt, dann aber an einer Stelle stoppt und nicht verrutscht, war eine Menge Entwicklungsarbeit notwendig.

(smow)blog: Ein Projekt mit Belux ist ein prima Start für dein eigenes Studio. Wie soll es nun weitergehen, können wir mit weiteren Projekten von dir in naher Zukunft rechnen?

Michel Charlot: Ich arbeite zurzeit an einem Projekt mit dem italienischen Taschenhersteller Nava, das eigentlich ein Industriedesignprojekt ist, da es Spritzguss, Schweißen und andere industrielle Verfahren beinhaltet. Mein wahres Interesse gilt dem Industriedesign. Für mich macht der Industrieaspekt ein Projekt zu einer wirklichen Herausforderung, aber auch faszinierend und bereichernd. Viele Designer neigen heutzutage zu handwerklichen Galerieprojekten, aber das ist keine Richtung, die für mich interessant wäre.

(smow)blog: Unsere letzte, unvermeidliche Frage: Die Orgatec ist eine Büromöbelmesse, wie sieht dein Büro aus?

Michel Charlot: Ich habe einen alten Industrie-Tisch, den ich als Schreibtisch aufpoliert habe und ein paar Vitra Stühle von Maarten van Severen. Und hoffentlich werde ich bald eine neue Schreibtischlampe haben!

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