Diejenigen unter euch, die auch lesen, was wir schreiben und nicht nur unsere das Genre neu definierenden Fotografien* angucken, kennen unsere Beschwerden darüber, dass keine Artikel über Design in den seriösen Printmedien gibt.
All zu oft scheint es, als wäre "Design" etwas, was den Blogs vorbehalten ist, die bei der Bebilderung ihrer zuckersüßen Hymnen auf eine kuschelige Wohlfühl-Wohnwelt vor allem auf den Gaußschen Weichzeichner setzen - oder sie schlimmer noch, gleich mit Instagram fotografieren.
Und so ziehen wir den Hut vor dem Süddeutsche Zeitung Magazin für ihren "Der frühe Vogel"-Beitrag. Das Motto dabei ist, der frühe Vogel muss nicht notwendigerweise den Wurm fangen, kann aber durchaus schon Mitte November alle Weihnachtsgeschenke beisammen haben. Aus diesem Grund hat die Redaktion in München acht Designstudios gebeten, ein Objekt vorzustellen, dass die Leser nachbauen bzw. -basteln können.
Das Ergebnis ist weder ein Aufruf zu den Waffen noch der Beginn einer Open-Design-Revolution, aber eine Kollektion eigensinniger Objekte, die nicht nur als Weihnachtsgeschenk taugen, sondern das gesamte Jahr über als stylische Erinnerungen dafür dienen können, dass Design eine Art zu denken ist - und nicht nur ein Job.
Von den gesichtslosen Wohnaccessoires auf Möbelmessen inspiriert, entwickelte Hella Jongerius eine Familie von Papierkreaturen, die im Gegensatz zu der Wohnlichkeit heuchelnden Messedeko mit Poesie und Leben gefüllt sind. In der Süddeutschen zeigt uns Hella Jongerius, wie man einen "Penguin Prop" baut. Das ist ein putziger kleiner Gefährte, der ganz den Vorlieben entsprechend bemalt und personalisiert werden kann.
Ebenso wie der "Penguin Prop" aus persönlichen Überlegungen heraus entstanden, ist auch der Astleuchter von Nils Holger Moormann. Nils brauchte eine Lampe für den Besprechungsraum in Aschau, als ihm eines Tages die Inspiration im Wald erschien. Wortwörtlich. Wie man es von einem Nils Holger Moormann Produkt erwartet, ist der Astleuchter eine feinsinnige, daktylische Melange von Simplizität und Genialität. Oder anders ausgedrückt: Der Astleuchter ist ein Kronleuchter aus.... einem Ast.
Daneben wird in der Kollektion eine Fahrradtasche von Werner Aisslinger für die Mittelstange gezeigt, die aus dem praktisch unkaputtbaren Material hergestellt ist, das sich schon tausendfach für die sogenannten - Achtung, nicht PC! - "Türkenkoffer" bewehrt hat; Sam Hecht präsentiert uns einen Blumentopf, der seine technische Komplexität hinter einer Fassade künstlicher Banalität versteckt; Dave Hakkens stellt uns seine umweltbewusste Antwort auf die Post-it Zettel vor; Sebastian Herkner zeigt uns ein Regalsystem, basierend auf Besenstielen; das Stockholmer Note Design Studio hat eine Zeitschreiftenablage entworfen, die genauso viel von der Klarheit des Bauhauses wie von der Wärme eines skandinavischen Waldes hat; und last but not least ist da noch Alfredo Häberlis traumhafter Kerzenständer für lange Winterabende.
Neben den Stücken selbst, ist das wirklich schöne an der Kollektion zum einen, dass es sich bei der Mehrheit der Objekte um solche handelt, die die Designer zuvor für ihren eigenen Gebrauch designt hatten und nun mit uns teilen, und zum anderen, dass die Baupläne für alle acht Geschenkideen von den Designern selbst gezeichnet oder anderweitig aufbereitet wurden.
Die Pläne gewähren damit einen kleinen Einblick in die Persönlichkeit, die Arbeits- und Denkweise der Designer sowie ihre Art Ideen zu entwickeln. Und so ist der Artikel nicht nur ein praktisch ausgerichteter Designartikel, sondern auch ein wirklich interessantes und unterhaltsames Stück Designjournalismus.
Ein großes Lob dafür an alle, die daran beteiligt waren.
Alle Designs und Baupläne findet man unter sz-magazin.sueddeutsche.de.
Die meisten Baupläne sind auf Englisch, einige auf Deutsch. Aber alle sind ausgezeichnet illustriert und sollten selbsterklärend sein. Und vielleicht das beste daran, alle Objekte könnten auch von Kindern gebaut werden.....
* Die Harry Portman PR Bibel. Kapitel 5, Regel 2. "Wenn man etwas nicht gut kann, nennt man es einfach "die Neudefinition des Genres". Die meisten Menschen werden das glauben. Besonders Spiegel-Leser...