Wie treue Leser wissen, machen wir fast nichts lieber als Italiens Ruf als angebliche Wiege des zeitgenössisches Designs und moderner Architektur in Europa zu untergraben. Unser Schlachtruf: Das ist alles nur Show und gezielte Täuschung!
Demzufolge ist die Ausstellung L'Italia di Le Corbusier, die zurzeit im MAXXI Rom läuft, keine, die wir wirklich befürworten können. Denn sie impliziert zum einen, dass Italien eine signifikante Rolle in der Entwicklung des Architekturverständnisses vom jungen Le Corbusier gespielt habe und zum anderen dass Italien ein fortwährender Referenzpunkt für seine Karriere gewesen sei - was natürlich für unsere Argumentation nicht förderlich ist.
Obwohl viele die einzige bedeutende Verbindung zwischen Le Corbusier und Italien in den bei Cassina liegenden Lizenzen für seine Möbeldesigns sehen, beginnt die Beziehung zwischen Charles-Edouard Jeanneret und Italien bereits 1907, als er 20 Jahre alt war und zum ersten Mal über die schweizerisch-italienische Grenze reist. Bis zu seinem Tode im Jahr 1965 sollte seine enge Bindung zu Italien bestehen bleiben.
L'Italia di Le Corbusier bietet einen Einblick in das Verhältnis zwischen Le Corbusier und Italien und erkundet dabei, wie das Land Le Corbusier und seine Arbeit beeinflusst hat. Wenigstens lautet so das erklärte Ziel der Ausstellung. Wir haben sie nicht gesehen, können das also weder bestätigen noch widerlegen. Aber es klingt so, als könnte es gelingen.
Mit ungefähr 320 Dokumenten und 300 Fotografien deckt L'Italia di Le Corbusier nicht nur Le Corbusiers Werk als Architekt ab, sondern widmet sich auch seinen Fotografien, Malereien, Skulpturen... und verspricht damit sowohl einen Blick auf Le Corbusier wie ihn die wenigsten kennen als auch einen Überblick über sein gesamtes Oeuvre.
In vier chronologische und thematische Abschnitte unterteilt, beginnt L'Italia di Le Corbusier mit seinen frühen Studienreisen nach Italien, wo Fotografien und Architekturzeichnungen von Pisa und Aquarelle von Venedig und Pisa entstanden sind. Der nächste Abschnitt widmet sich seinen künstlerischen Bestrebungen in den frühen 1920er Jahren - einschließlich der Etablierung des Magazins L’Esprit Nouveau, in dessen erster Ausgabe Charles-Edouard Jeanneret zu Le Corbusier wurde - sowie seinem Kontakt mit den italienischen Rationalisten während der 1930er Jahre. Ein besonderes Highlight ist für uns hierbei die Dokumentation von Le Corbusiers wohlwollender Annäherung an Mussolini, um den Auftrag für die Neustadt von Pontinia zu erhalten.
L'Italia di Le Corbusier endet mit einem Blick auf Le Corbusiers Arbeiten im Nachkriegsitalien - seinen zwei letzten italienischen Projekten, von denen zwar keines realisiert wurde, die aber beide exemplarisch für den "späten Le Corbusier" stehen - das Olivetti Electronic Calculation Centre in Rho und ein Krankenhaus in Venedig.
Wir haben die Ausstellung wie gesagt noch nicht gesehen und trotz unserer Befürchtungen die Ausstellung könnte zu dem ein oder anderen Problem bei unserem Feldzug gegen Italien führen, scheint die Ausstellung doch ganz gut zu sein.
Was uns dabei besonders anspricht ist der Landesfokus. Irgendetwas fasziniert uns daran, in die Beziehung zwischen einem Mann wie Le Corbusier und einem Land einzutauchen...
Die Geschichte von Architektur und Design ist durchtränkt mit engen Verbindungen zwischen einzelnen Personen und Ländern, in denen sie nicht geboren wurden. Allerdings ist der Einfluss solcher Beziehungen nur zu oft auf Fußnoten oder allgemein anerkannte Fakten in den posthumen Biographien beschränkt.
L'Italia di Le Corbusier bietet die seltene Gelegenheit eine solche Beziehung im Detail zu erkunden. Und die Gelegenheit für einige Tage aus dem nordeuropäischen Winter in die römische Sonne zu fliehen.
L'Italia di Le Corbusier kann bis zum 17. Februar 2013 im MAXXI Rom gesehen werden. Weitere Informationen findet man unter www.fondazionemaxxi.it