Es gibt tausend gute Gründe, warum man eine Durchreise durch den Ben Gurion Flughafen Tel Aviv vermeiden sollte. Und ein paar sehr gute.
Beispielsweise sind die öffentlichen Transportwege zwischen Israels einzigem relevanten internationalen Flughafen und Israels einzigen relevanten Metropolen so beschwerlich und schlecht aufeinander abgestimmt, dass man sich in die Zeit der Kreuzzüge zurücksehnt, als der Weg nach Jaffa oder Jerusalem von Europa aus innerhalb von acht Wochen zu Pferde und auf Schiffen zu bewältigen war.
Wenn man das Land dann erkundet und festgestellt hat, dass es sich um eine offene, freundliche, tolerante und einladende Nation handelt, wird man beim Versuch aus Israel auszureisen stillschweigend beschuldigt, das Land nur bereist zu haben, um Sprengstoff zu ergattern, den man nun auf seinem Rückflug explodieren lassen will. Dabei wird man obendrein noch mit dem entsprechenden Mangel an Respekt behandelt.
Doch der allerbeste Grund dafür, wieso man es zumindest vermeiden sollte, das Land über den Tel Aviv Ben Gurion Flughafen zu verlassen, kommt erst nach dem "Wo-haben-wir-die-Bombe-denn-bloß-versteckt"-Marathon. Nachdem man es durch die Sicherheitskontrollen geschafft hat, ohne an Altersschwäche oder purer Langeweile zugrunde zu gehen, kommt man in eine Shopping-Oase - eine Shopping-Oase, die mit den billigsten Kopien des LC2 Sessels von Le Corbusier übersät ist, die wir je gesehen haben.
Dass es kein "Bauhaus Tel Aviv" gibt, hat man ja so langsam verstanden. Die verantwortlichen Architekten haben das eigentlich auch nie behauptet, aber der Spitzname hält sich trotzdem.
Obwohl die überwältigende Mehrheit der Architekten, die die Weiße Stadt gebaut haben, keine Bauhaus-Absolventen per se waren, lebten sie in einer Zeit, in der die Lehren von Walter Gropius, Hannes Meyer & Co. sehr en vogue waren. Soweit wir wissen, beschäftigten sich auch just zu jener Zeit als Tel Aviv erbaut wurde viele Bauhäusler mit dem Bau der Kibbuzim. Es wäre ja auch irgendwie seltsam hätte es dort keine Interaktion gegeben, einen Versuch, die schönen neuen Ideen zu kanalisieren.
Von daher gab es damals noch kein Kopieren oder Fälschen... nur die Interpretation aktueller Trends aus der Ferne. Das haben sie auch ganz fantastisch gemacht und ein abwechslungsreiches, interessantes und funktionales Stadtbild geschaffen. Bei den Möbeln sieht es da allerdings ganz anders aus...
Die Stühle im Ben Gurion Flughafen sind Kopien der Arbeit von jemand anderen. Schlechte, minderwertige Kopien, die den Eindruck erwecken, dass weder der Designer noch der Hersteller die leiseste Ahnung hatten, was sie überhaupt taten. Während die Gebäude in der Innenstadt von Tel Aviv die positiven Aspekte des generischen Bauhaus-Stils hervorheben, entwerten die Sessel im Flughafen Le Corbusiers Kanon und seinen Beitrag zum Design des 20. Jahrhunderts.
Dass die staatlich kontrollierte Israel Airports Authority ausgerechnet solche Sessel für den Ben Gurion Flughafen gewählt hat, ist nicht nur äußerst verwerflich, sondern auch sehr, sehr bedauerlich. Als wir vor den Olympischen Spielen in London mit einigen Experten für britisches Design gesprochen haben, äußerten sich viele sehr zufrieden damit, wie die Behörden britische Designer in größere Infrastrukturprojekte eingebunden und dem britischen Design so eine Plattform gegeben haben. Eines der am häufigsten zitierten Projekte war der Flughafen Heathrow.
Flughäfen sind naturgegebenermaßen Schnittstellen. Menschen aus ganz verschiedenen Ländern bewegen sich durch sie, meist sogar zwei mal kurz hintereinander. Man kann sie folglich hervorragend als Plattform nutzen, um all das zu zeigen, was in einem Land gut, faszinierend, interessant, aufregend, sterotypisch, modern, lohnenswert, lebendig und anders ist. Oder man kann, wie im Fall des Ben Gurion Flughafens in Tel Aviv, die völlige Geringschätzung kreativer Talente zeigen.
Israel mag zwar nicht besonders viele Designtalente haben, dafür sind die vorhandenen aber umso exzellenter. Von Leuten wie Ron Arad (Tel Aviv, 1951) über Arik Levy (Tel Aviv, 1963) oder Jair Straschnow (Rehovot, 1965) bis hin zum stets verlässlichen Strom qualitativ hochwertiger Absolventen international anerkannter Institutionen wie der Bezalel Academy of Art and Design Jerusalem oder dem in London ansässigen Designstudio Raw Edges (Yael Mer und Shay Alkalay, beide Tel Aviv 1976), haben israelische Designer einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung des Designs in der ganzen Welt geleistet und werden es auch weiterhin tun. Auch das Design Museum Holon konzentriert sich seit 2010 auf nationales, zeitgenössisches Design.
Nur zehn Kilometer entfernt investiert der Ben Gurion Flughafen in billige, miese Kopien international anerkannter Designklassiker. Unerklärlich.
Letzten Endes ist es rückblickend vielleicht gar keine schlechte Sache, dass die Security so lange braucht. Sonst müsste man die Farce ja noch länger über sich ergehen lassen.