Ausstellungen | ClassiCon | Design | Lampert | Uncategorized | Vitra
Ende März hat das V&A Museum London die Ausstellung “British Design 1948-2012. Innovation in the Modern Age” und damit die Hauptsommerausstellung sowie den tragenden Pfeiler ihrer Huldigung aller britischen Dinge im Jahre 2012 eröffnet.
Die Geschichte des Designs in Großbritannien seit der letzten Londoner Olympiade dokumentierend, beginnt "British Design 1948-2012" in einer Zeit, in der sich die Briten vom Trauma des Zweiten Weltkrieges erholt und begriffen haben, dass in den Trümmern des Krieges die Chance liegt, die Gesellschaft und Wirtschaft neu zu ordnen und den Grundstein für eine schöne neue Zukunft zu legen. Und geht man durch die Ausstellungsräume von "British Design 1948-2012" kann man kaum mehr leugnen, dass es tatsächlich dieser Prozess der Erneuerung war, der die Basis für die Geschichte modernen britischen Designs bildete.
Durch soziale Umstrukturierung, Massenimmigration, Jugendarbeitslosigkeit usw. bildeten sich die ersten Subkulturen unter Jugendlichen heraus und, wie die Ausstellung deutlich macht, ist insbesondere diese vielfältige Jugendkultur es, die die Geschichte vom britischen Design seit dem Krieg maßgeblich mitbestimmt hat.
Wir sagen nicht, dass alle britischen Designepochen ihren Ursprung in der Jugendkultur haben. Wir sagen auch nicht, dass Großbritanniens besten Designer überhaupt von der Jugend auf der Insel beeinflusst worden waren. Jasper Morrison, zum Beispiel, wurde zu dem Designer, der er heute ist, weil er die Memphis Gruppenausstellung in Mailand besucht hat und Zeit in Berlin mit Andreas Brandolini, Axel Kufus und anderen Mitgliedern der "Neues deutsches Design"-Bewegung verbrachte. Was jedoch nicht abzustreiten ist, ist dass es einen Einfluss der Jugendkultur auf die Geschichte des britischen Designs gab und dass dieser sich bis zum heutigen Tag auswirkt. Nun..., so ganz richtig ist das nicht. Irgendwo in den späten 1990ern verliert sich der Faden, aber darauf kommen wir noch....
Nimmt man eine sehr weite Definition von "Design" und zieht so viel wie möglich aus den Unterkategorien heraus, erinnert "British Design 1948 -2012" an die Charakteristik einer Flunder: viel breiter als tief. Was nicht heißen soll, dass diese Tatsache die Ausstellung oder das Erlebnis für die Besucher schmälern würde...
In einem Interview, das wir hoffentlich bald posten können, erzählt uns der Direktor eines führenden europäischen Designmuseums, dass die Rolle eines Museums tatsächlich die ist, die Sammlung zu nutzen, um Geschichten zu erzählen und man müsse sich nur entscheiden, welche. Das V&A hat sich entschieden, sich in die Tiefen ihrer britischen Sammlung zu stürzen, um britisches Nachkriegsdesign in seinen sozialen, kulturellen und historischen Kontext zu setzen. Eine ziemlich gelungene Geschichte, wie wir finden.
Vom Brutalismus der 1950er über die Swinging Sixties bis hin zum Punk der 70er, Rave der 80er und Cool Britannia der 90er sowie allem dazwischen zeigt die Ausstellung über 350 Exponate, die die Entwicklung des Designs im Vereinigten Königreich ausgezeichnet erklären.
Und schließlich stellt die Ausstellung die Frage der Fragen: Der Olympiade 1948 folgte das Fesitival of Britain, was den Anstoß für den britischen Nachkriegsaufschwung gab... Was werden also die Spiele von 2012 bewirken? - Es ist eben eine große Sache mit den Erwartungen auf den britischen Inseln und den Spekulationen, ob die Olympischen Spiele 2012 auch ein schönes neues Zeitalter einläuten werden. Auch wenn natürlich kaum jemand wirklich daran glaubt...
Alle in der Ausstellung gezeigten Exponate früherer Jahrzehnte wurden in Großbritannien produziert. Wir vermuten, das ist hauptächlich der Alternativlosigkeit geschuldet. Heutzutage kann im Ausland produziert werden. Und die Designs führender zeitgenössischer Designer werden das auch. Barber Osgerby arbeitet derzeit mit Vitra, Magis, ClassiCon und flos zusammen; Benjamin Hubert mit De Vorm, De La Espada und &Tradition; Doshi Levien mit Moroso, Cappellini und Richard Lampert.
Wir wollen das überhaupt nicht verurteilen. Das ist ja nichts schlechtes. Vor allem ist es aber eine Situation, die sich - wenn wir mal ehrlich sind - nicht ändern lassen wird. Nur bedeutet es eben auch, dass - egal, wie erfolgreich britische Designer sein werden - ihr Beitrag zu Großbritanniens Bruttoinlandsprodukt unerheblich sein wird.
Auffallend bei der Ausstellung ist außerdem, wie das Wesen des britischen Designs gezeichnet wird. Die Exponate können vorwiegend als ikonische, stylische und attraktive Objekte charakterisiert werden. Großbritanniens "zeitgenössische Designtradition" besitzt also anscheinend keinerlei Werke, die man als wirklich innvovativ bezeichnen könnte oder die so etwas wie eine globale Bewegung losgetreten haben.
"Aber was ist mit der Concorde?", hören wir es da gleich aus der ersten Reihe rufen. "Die entstand in Zusammenarbeit mit Franzosen und ist zwar ohne Frage ein Symbol für luxuriöse Flugreisen, aber was hat die Concorde zur modernen Luftfahrt beigetragen?", antworten wir da.
Und ja, Jonathan Ive wurde für seine Leistungen im Design sogar zum Ritter geschlagen. So ein MacBook sieht ja auch wirklich sehr gut aus, aber für die Funktion eines Apple Produkts ist sein Entwurf nicht ausschlaggebend. Er sorgt (nur) dafür, dass die Geräte gut aussehen. Oder anders ausgrdrückt: Ive designt in feinster britischer Designmanier kultige, stylische Objekte.
Wie wir schon oft festgestellt haben, haben in den Jahren nach dem Krieg die ansteigenden verfügbaren Einkommen und die soziale Sicherheit einen Markt für Konsumgüter der Sorte Mary Quant oder Terence Conran geschaffen. Und die britische Jugend mit ihrer unbeugsamen Fähigkeit, die harte soziale Realität in kreative Energie umzuwandeln, lieferte dafür die musikalische Kulisse. British Design avancierte zu einem Teil des British Styles und rief in der ganzen Welt Neid hervor.
Aber wie wir bereits sagten, verlor man irgendwann Mitte der 1990er den Anschluss an die Jugendkultur. Doch während wir das normalerweise gerne Damien Hirst und seinen Kumpels von den Young British Artrists in die Schuhe schieben, müssen wir die Schuld dieses Mal leider an anderer Stelle suchen.
Das Problem ist das Internet - versteht man es als ein Medium, in dem wegen seiner rasanten Prozesse Jugendkulturen schon wieder abgeschrieben sind, bevor sie überhaupt die Möglichkeit hatten, sich zu entwickeln und Fuß zu fassen. Das steigende Tempo unserer digitalen Welt bedeutet, dass eine Massenbewegung wie die Ravekultur - die unserer Meinung nach die letzte wirklich große Jugendkultur war und die es noch vermochte Designer, wie Tom Dixon, ins Rampenlicht zu katapultieren - wahrscheinlich nie wieder möglich sein wird. Und ohne die Jugendsubkultur....
Aber zumindest in der Ausstellung hält man an den bewährten Strategien fest. Das "British Design 1948-2012"-Ausstellungsdesign wurde nämlich von Ben Kelly entworfen, der auch Malcolm McLaren & Vivienne Westwoods Kings Road Boutique sowie das Interieur von Hacienda entwarf. Wir können uns kein besseres Beispiel für die Bedeutung von Jugendsubkulturen als führende Kräfte im British Design vorstellen.
Wir sagen nicht, die Situation ist hoffnungslos. Britische Designer werden zweifelsfrei weiter nachgefragt werden, aber ihre Karrieren werden zunehmend von ausländischen Herstellern abhängig sein und die Entscheidungen über die Aufträge dieser Hersteller wiederum werden von globalen Marketing- und Verkaufsstrategien abhängen - anders als etwa die Graswurzelbewegung, die das Ansehen des British Designs einst begründet hat. So wie das "British" wird demzufolge auch das "British Design" immer schwieriger zu definieren sein. Aber das ist eine Frage des Nationalstolzes - und nicht einer Designtheorie.
Schließlich kann "British Design 1948-2012. Innovation in the Modern Age" entweder als Dokumentation der vergangenen 60 Jahre britischer Designgeschichte kombiniert mit einem Versuch, British Design in einem globalen Kontext zu verorten, gesehen werden - wie es sich die Kuratoren gewünscht haben - oder man betrachtet die Ausstellung als erste große Retrospektive des goldenen Zeitalters im British Design.
So oder so ist es eine wichtige Ausstellung und definitiv sehenswert.
"British Design 1948-2012. Innovation in the Modern Age" ist bis zum 12. August 2012 im V&A Museum London zu sehen.