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Das Vitra Design Museum, das ursprünglich nur die private Möbelsammlung von Vitra-Chef Rolf Fehlbaum archivieren und präsentieren sollte, hat sich mittlerweile zu einem der wichtigsten Designzentren Europas entwickelt. Design, Designgeschichte, aber vor allem auch der Zugang zu und die Erklärung von Design machen das Museum so einzigartig.
Ein Großteil des Erfolges des Museums geht auf den Gründungsdirektor Alexander von Vegesack zurück, der die Einrichtung seit der Eröffnung 1989 bis Ende 2010 leitete. Im Januar 2011 haben Marc Zehntner und Mateo Kries gemeinsam das Zepter übernommen, wobei Marc Zehntner für das Museumsmanagement verantwortlich zeichnet, Mateo Kries für das Programm.
Ein Jahr nach ihrer Übernahme haben wir Marc Zehntner und Mateo Kries getroffen um zu fragen, ob und wie die duale Leitung funktioniert. Aber zunächst wollten wir wissen, ob sich die Eröffnung des VitraHauses auf die Besucherzahlen des Design Museums ausgewirkt hat.
Marc Zehntner: Wir wussten vorher auch nicht genau, wie es sich entwickeln würde und haben verschiedene Szenarien ausgearbeitet: viel mehr Besucher, gleichbleibendes Niveau, viel weniger Besucher. Im Moment können wir sagen, dass die Entwicklung gleichbleibend bis positiv ist. Es kommt beim Museum nach wie vor stark auf die Inhalte an, also welche Ausstellungen gezeigt werden. Wir stellen fest, dass wir schon verschiedene Zielpublika haben: Es gibt Leute, die bewusst kommen um die Museumsaustellungen im Vitra Design Museum zu besuchen und vielleicht danach noch ins VitraHaus oder im Café einen Kaffee trinken gehen. Und dann gibt es natürlich die Besucher, die sich das VitraHaus anschauen wollen, von denen wir ein paar auch motivieren können die Museumsausstellungen zu besuchen. Aber es ist nicht so, dass alle VitraHaus-Besucher automatisch auch zu uns kommen und im Hinblick auf die Größe des Museums ist das auch gut so.
(smow)blog: War der Hintergedanke bei der “neuen” Vitra Design Museum Gallery eventuell auch, mehr VitraHaus-Besucher mit kleineren, experimentelleren Ausstellungen zu erreichen?
Marc Zehntner: Die Idee war einerseits, mehr Angebote zu haben und den Besuchern neben den großen Hauptausstellungen im Gehry-Bau auch kleinere, schneller wechselnde Ausstellungen zu zeigen. Wir haben ja auch die Umbauphasen zwischen den Ausstellungen, in denen das Hauptgebäude geschlossen ist. D.h. wir haben ab sofort immer eine Ausstellung – jeden Tag bis auf die drei Tage im Jahr, wenn wir geschlossen haben. Das war vorher nicht möglich und ist besonders schön für die internationalen Besucher.
Mateo Kries: Das Museum steht im Moment hervorragend da – auch in Bezug auf die Besucherzahlen. Die Frage war dann eher, wo und wie wir wachsen können. Und das hieß nicht nur mehr Ausstellungen im Gehry-Gebäude. Wir können auch wachsen, indem wir qualitativ mehr anbieten, indem die Führungen zunehmen. Wir wollen regelmäßiger und häufiger auch aktuelle Ausstellungen machen. Im Hauptprogramm im Museumsgebäude haben wir einen Vorlauf von zwei Jahren für die großen Ausstellungen, d.h. wir können dort nicht kurzfristig etwas ins Programm nehmen. In der Gallery haben wir diese Möglichkeit aber. Diese Projekte - wie jetzt Bouroullec oder davor Jerszy Seymour – haben wir Mitte letzten Jahres auf den Weg gebracht. Das geht also relativ schnell und wir können zeigen, dass es neue inhaltliche Perspektiven gibt.
(smow)blog: Wie lange brauchen Sie generell für eine Ausstellung? Wochen, Monate, Jahre?
Marc Zehntner: Eher Monate bis Jahre. Aber es ist natürlich auch abhängig von den Projekten. Wenn wir z.B. die Jerszy-Seymour-Aktion im Januar nehmen: Das ist etwas Neues, was es vorher nicht gab. Das ist etwas ganz anderes als eine Ausstellung mit Objekten primär aus unserer Sammlung, was wiederum anders ist als die Album-Geschichte mit den Bouroullecs, bei der eine bestehende Ausstellung adaptiert wurde und wir mit den Designern zusammengearbeitet haben.
Mateo Kries: Für die Bouroullecs hatten wir eine relativ kurze Vorlaufzeit. Auf der Art Basel werden wir sechs holländische Designer haben, was in Anbetracht der Größe der Galerie ein viel komplizierteres und intensiveres Projekt ist und etwas mehr Zeit in Anspruch nimmt. Aber wir wollen die Vorbereitungszeit in der Gallery eher kurz halten, weil wir ja gerade erreichen wollen, dass wir schneller reagieren können.
(smow)blog: Neben den Ausstellungen hier haben Sie auch die Wanderausstellungen. Wie wichtig sind die Wanderausstellungen finanziell und unter Marketinggesichtspunkten bzw. als Werbung für das Vitra Design Museum?
Marc Zehntner: Ich denke sie sind für beide Sachen eminent wichtig. Die Wanderausstellungen waren immer Teil des Museumskonzeptes. Der Gründungsdirektor Alexander von Vegesack hat die Idee 1989 entwickelt. Heute machen das zwar viele Museen, aber damals war das eher Ausnahme als Regel. Dass das Vitra Design Museum weltweit bekannt ist, verdanken wir sicher zum Großteil diesen Wanderausstellungen. Auch finanziell spielen die Wanderausstellungen eine wichtige Rolle. Wir können mit einer Ausstellung nie Gewinn machen, aber durch die Wanderausstellungen können wir zumindest einen Teil der Ausgaben wieder einspielen.
(smow)blog: Wie viele Ausstellungen sind momentan “auf Tour”?
Marc Zehntner: Im Moment haben wir zwölf Ausstellungen auf Tour, letztes Jahr hatten wir weltweit 19 Eröffnungen außerhalb von Weil am Rhein.
(smow)blog: Eine der interessanteren Einnahmequellen für das Museum sind die Miniaturen. Die Kollektion ist in den letzten 20 Jahren stetig gewachsen. Wer entscheidet, welche Modelle neu dazu kommen und welche Kriterien spielen dabei eine Rolle?
Marc Zehntner: Es ist ein ganzes Team daran beteiligt: die Kuratoren, die Leute die die Sammlung betreuen, aber auch die Marketing-Abteilung. Es gibt eine Wunschliste der Stücke die wir gern haben würden oder die sinnvoll sind im Kontext einer geplanten Ausstellung. Wir haben z.B. letztes Jahr einen Anthroposophischen Stuhl im Rahmen der Steiner-Ausstellung herausgebracht. Letzten Endes hängt die endgültige Entscheidung immer an der Frage “Können wir die Miniatur so originalgetreu (wie die Qualitätsansprüche sind) wirklich nachproduzieren in diesem Format 1:6?" Viele unserer Wünsche scheitern daran, dass dies nicht bzw. nicht zu einem realistischen Preis realisierbar ist.
(smow)blog: Stimmt es, dass Sie für die Miniaturen Lizenzgebühren zahlen wie für richtige Stühle?
Marc Zehntner: Ja. Das kann neben Einschränkungen in der Produktion auch ein Grund sein, warum eine Miniatur nicht von uns auf den Markt gebracht wird. Das kommt aber nicht sehr häufig vor, denn normalerweise einigen wir uns mit den Rechteinhabern.
Mateo Kries: Nicht nur die Lizenzgebühren sind analog zur “realen Welt”. Genau wie in der normalen Produktentwicklung müssen wir spezielle Maschinen bauen oder Tools entwickeln um ein Geflecht oder eine Gussform zu kreieren. Das sind die gleichen Prozesse wie bei „großen“ Stühlen.
Marc Zehntner: Und wenn die Produktion wirklich konkreter wird, testen wir auch Prototypen.
(smow)blog: D.h. wie bei einem richtigen Stuhl investieren Sie zum Teil Monate in die Herstellung von Modellen und Prototypen und am Ende kommt nichts dabei heraus?
Mateo Kries: Ja, das passiert durchaus. Wir haben eine ganze Liste von Produkten die nicht funktioniert haben oder unseren Qualitätsansprüchen nicht gerecht wurden.
(smow)blog: Sie leiten seit einem Jahr gemeinsam das Vitra Design Museum. Funktioniert das?
Marc Zehntner: Das klappt sehr gut. Es ist natürlich ein Test, wie das in der Wirklichkeit funktioniert, was über lange Jahre angedacht und geplant wurde. Vorher konnte man nicht hundertprozentig voraussehen, wie es sich entwickelt, aber wir sind beide sehr glücklich mit der Situation. Das Museum finanziert sich zum großen Teil selber – was in der Museumswelt eher ungewöhnlich ist. Wir sind gut aufgestellt, haben ein sehr gutes Team, interessante Projekte und können sehr positiv in die Zukunft schauen.
(smow)blog: Es besteht also keine Gefahr dass die Ideen ausgehen?
Mateo Kries: Das Problem ist eher, dass wir zu viele davon haben! Für die nächsten drei oder vier Jahre stehen so viele Projekte an, dass unser größtes Problem sein wird, alles zu realisieren, was wir wollen. Es ist natürlich fantastisch in so einer Position zu sein. Und obwohl wir das Museum schon in einem guten Zustand übernommen haben, haben wir es dennoch geschafft, einiges auf den Weg zu bringen und positive neue Impulse gesetzt. Im Frühling wird es eine neue Webseite geben mit den ersten Einblicken in die Sammlung. Außerdem veranstalten wir nun fast im Wochentakt Diskussionen oder ähnliche Events und stellen fest, dass das Publikum sehr positiv auf die neuen volleren und lebendigeren Programme reagiert. Das sind natürlich kleine Schritte, aber in der Summe werden sie das Museum grundlegend verändern und weiterentwickeln. Zu einem noch lebendigeren Ort, der die wichtigen Themen und Fragen des Designs nicht nur ausstellt, sondern auch zur Debatte stellt und sie in Erlebnisse für den Besucher verwandelt.
Marc Zehntner: Letzten Endes ist es in jedem Museum so, in dem die eigene Sammlung tatsächlich genutzt wird: Es gibt genug Geschichten, aus denen wir nur die auswählen müssen, die wir erzählen wollen. Und das macht die Arbeit so besonders.