Auch wenn wir viel auf die Möbelmesse Mailand schimpfen, hat das Ganze auch seine positiven Seiten. Die meisten davon findet man in ruhigen, unscheinbaren Seitenstraßen. So haben wir letztes Jahr Azucena entdeckt. Und dieses Jahr die Villa Necchi.
Anfang der 1930er Jahre vom italienischen Architekten Piero Portaluppi im Auftrag einer (sehr) reichen mailändischen Industriellenfamilie gebaut, ist die Villa Necchi wahrscheinlich eines der auffälligsten Gebäude, in das man überhaupt seinen Fuß setzen kann. In jedem Raum, auf jeder Treppe und in jedem Flur spürt man den Kampf zwischen klassischem italienischen Pomp, dem Geist der Renaissance und dem Streben nach einer neuen Form, einer schönen neuen Welt. Das könnte man auch als physische Manifestation des Kampfes zwischen der alten und der neuen Garde in der italienischen Architektur betrachten. Vielleicht... Auf jeden Fall haben wir noch nie so viel Marmor in einem Haus gesehen - oder so viele Badezimmer. 2001 wurde die Villa Necchi dem FAI - Fondo Ambiente Italialo (italienischer Umweltschutzfonds) - übergeben, so dass nun jeder von uns daran teilhaben kann.
Bis zum 6. Mai beherbergt die Villa Necchi die Ausstellung Details of Life and New Visions (Dettagli di Vita e Nuove Visioni), oder besser gesagt die beiden Ausstellungen. Sie wurden gemeinsam vom FAI und Fabrica (dem Zentrum für Kommunikationsforschung der Benetton Group) organisiert. Dabei wurden Mitgleider des Fabrica-Teams gebeten, Gegenstände zu kreieren, die Bezug nehmen auf die Geschichte und das "frühere Leben" der Villa Necchi und ihrer Bewohner. Für die Durchführung des Projekts wurden Kooperationspartner wie Moleskine, Nodus, Zanotta oder Agape ins Boot geholt.
Der erste Teil der Ausstellung umfasst Fotos, Zeichnungen, Prototypen und Entwürfe, die die Hintergrundgedanken und das, was der Designer erreichen wollte, erklären. In der Villa selbst werden die Ergebnisse dann in die bestehenden Möbel integriert; dadurch werden die neuen Objekte in einen direkten Dialog mit ihrer Inspiration gestellt - ein Konzept, das wirklich sehr gut funktioniert.
Wie das bei den meisten solcher Projekte der Fall ist, sind viele Objekte zwar interessant, die Mehrheit aber nicht sonderlich spektakulär. Auch wenn solche Projekte eine wertvolle und durchaus nützliche Übung darstellen, bringen sie unweigerlich nur eine begrenzte Menge wirklich lohnenswerter Ergebnisse hervor. Ein Designer, der für sich selbst arbeitet, würde 80% der Prototypen wieder verwerfen, eine Ausstellung nimmt dagegen alles. Aber das ist hier völlig in Ordnung: Die Ausstellung dokumentiert lediglich die Arbeit; sie möchte uns gar nichts verkaufen. Der weit wichtigere Punkt ist, dass die wenigen guten Objekte wirklich hervorragend sind.
Das Highlight sind für uns ohne Frage die Vasen, die für Nedda Necchis Schlafzimmer entworfen wurden. Eine denkbar einfache Idee: die Vase hat Löcher, in denen man einen Anhänger befestigen kann, der einen an den Überbringer der Blumen erinnert, die einst die Vase zierten. Die Inspiration dafür waren die Blumen, die Neddas zahlreiche Verehrer und heimliche Bewunderer ihr geschickt haben. Das Schicken von Blumen bleibt auch heute noch eine starke, bedeutungsvolle Geste, auch wenn es von Natur aus eine zeitlich sehr begrenzte Geste ist. Auf einem schönen Lederanhänger kann der Beschenkte dann notieren, wer was geschickt hat - wie wir finden idealerweise mithilfe eines geheimen Codes -, was der Geste eine gewisse Beständigkeit verleiht. Das hat uns wirklich angesprochen...
Wir haben uns auch sehr über die Spiegel und Beistelltische gefreut. Wenn ihr wisst, was Ronan & Erwan Bouroullec dieses Jahr in Mailand mit Established & Sons lancieren, werdet ihr uns bestimmt verstehen. Und der Rest wird es auch sehr schnell begreifen... In der Vergangenheit haben uns schon viele Designer erzählt, dass sie das Gefühl haben, dass Ideen irgendwo im Äther herumschwirren und jeder Designer sie aufgreifen und verwenden kann. Die Frage ist nur, wer das Signal als erstes aufschnappt und sein Produkt auf den Markt bringt... Wir haben das verstanden als wir die Skizzen für den Tisch und den Spiegel gesehen haben...
Abgesehen von der Vase, dem Spiegel und dem Tisch haben uns auch das Moleskine-Reiseset und die Poolaccessoires gefallen, die gemeinsam von Moroso und Alessi entwickelt wurden. Bis zum 6. Mai haben alle die Chance, die Ausstellung(en) selbst zu erkunden und für sich selbst zu entscheiden, was funktioniert und was nicht. Technisch gesehen ist der erste Teil der Ausstellung kostenlos. Man muss nur diese Treppe erklimmen, bei der man Sherpas bräuchte, die einem dabei helfen, seine Siebensachen nach oben zu tragen. Wenn man die Objekte in situ sehen will muss man allerdings den Eintritt zur Villa Necchi zahlen. Wir würden das aber auf jeden Fall empfehlen.
Details of Life and New Visions läuft noch bis zum 6. Mai in der Villa Necchi, via Mozart 14, 20122 Mailand.