Wir machen aus unserer Bewunderung für das belgische Volk keinen Hehl: Sie haben nicht nur genügend gesunden Menschenverstand, um Pommes Frites zu ihrem Nationalgericht zu erklären, sondern auch zweifelsfrei bewiesen, dass Politiker keine Grundvoraussetzung für einen funktionierenden Staat im Europa des 21. Jahrhunderts sind. Wir fanden es nur schon immer schade, dass die verschiedenen Teile des Landes nicht miteinander klar kommen. Das ist in einem derart kleinen Land absolut unnötig...
Zum Glück ändert sich das gerade - zumindest im Design: In den letzten paar Jahren haben Brüssel, Wallonien und Flandern damit begonnen, zusammen zu arbeiten und gemeinsame Austellungen zu veranstalten. Das war nicht immer so. Wir können uns noch gut an die Wallonien/Brüssel-Ausstellung [Les belges] erinnern. Das war eine wirklich frustrierende Show: Viele Produkte, die zwar gut aussahen, aber im Praxistest versagt haben. Aber wie gesagt haben sich die Zeiten zum Glück verändert und in Mailand vereinigt sich das Triumvirat (mehr oder weniger) für zwei Belgium is Design Ausstellungen - eine im Triennale Design Museum und eine im SaloneSatellite.
Die Triennale-Ausstellung wurde unter dem Titel Perspectives veranstaltet und will "...die sich verändernde Landschaft des belgischen Designs" im Kontext von fünf "Rastern" untersuchen: Industriedesign, eigenproduziertem Design, Designkunst, sozialem Design und Design als "offene Arbeit". Wir können allerdings nicht so ganz beurteilen, ob das geklappt hat, weil einfach zu wenig Story vorhanden war; es wurden aber einige wirklich schöne Objekte gezeigt.
Wir waren besonders angetan vom Schreibtisch Strates von Mathieu Lehanneur für Objekten, der tragbaren Solarlampe O'Sun von Alain Gilles, dem OS-Wasserkocher von openstructures und Stein No 1 von Kaspar Hamacher. Letzterer war auch einer der wenigen Designer, die bei [Les belges] etwas produziert hatten, das uns gefallen hat. Immer, wenn die Welt grau und hoffnungslos erscheint, denken wir an sein Regal Das Brett.
Beim SaloneSatellite präsentierte Belgium is Design zehn junge Designer aus Wallonien und Brüssel. Wir hoffen, dass die Abwesenheit der Flandern nur daran lag, dass es im Norden von Belgien keine besonders guten jungen Designer gibt. Es wäre jedenfalls eine Schande, wenn kleinkarierter Regionalismus da eine Rolle spielen würde...
Uns sind vor allem die Kork Milan Leuchten, Tische und Aufbewahrungsboxen vom Studio Two Designers aus Lüttich aufgefallen, die sich durch ihre Zeitlosigkeit und etwas freche Retrosprache von der Masse abgehoben haben.
Der Titel der Shows Belgium is Design stimmt natürlich nicht. Belgien ist nicht Design. Belgien war auch nie Design. Maarten van Severen hat zwar einige der elegantesten und reduziertesten Designstücke im Nachkriegseuropa entworfen. Aber so klein Belgien auch ist, macht ein Designer alleine noch keine Tradition... Tim Baute von interror gehörte lange zu den größten Highlights auf der Kölner Möbelmesse. Er war aber auch einer der wenigen belgischen Designer, denen man auch mal außerhalb von Mailand oder dem Design September in Brüssel über den Weg gelaufen ist.
Belgien ist also nicht Design, hat aber durchaus Potential. Wie bei britischem Design vermuten wir, dass dieses Potential verstärkt in Kooperationen mit externen Herstellern liegt. Doch um das zu erreichen, müssen sie in Belgien mehr Leute aus der Branche regelmäßiger heranholen. Die Kortrijk Biennale ist schon ein guter Anfang, aber nur ein kleiner.
Belgien muss aber vor allem den Ruf seiner Designschulen verbessern. Die aktuelle Flut an qualitativ hochwertigen niederländischen Designern ist fraglos mit dem hohen Status der Eindhoven Design Academy verknüpft. Belgien braucht eine ähnliche Institution - und ein paar mehr Jahre Ausstellungen wie Belgium is Design. Dann sind sie vielleicht auch in der Position, diesem Namen gerecht zu werden...