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Interview: Rudolf Pütz, CEO Vitra Deutschland.


Veröffentlicht am 16.03.2012
rudolf pütz vitra

Wir reden zwar oft vom "Möbelmarkt", genau genommen muss man jedoch von zwei Möbelmärkten sprechen: Wohnen und Büro. Gut, man könnte sicher auch Einzelhandel, Hotel, Flughafen etc. ergänzen... aber aus Gründen der Bequemlichkeit wollen wir sie als genreübergreifende Mischlinge sehen. So wie Folk-Rock.

Unabhängig davon, in welche Kategorien man die Branche unterteilt, kann man wohl sagen, dass die letzten vier Jahre kein Zuckerschlecken für die Möbelproduzenten in Europa waren. Besonders nicht für die Hersteller im Büromöbelbereich.

Während der Finanzkrise 2008 und 2009 schrumpfte der Büromöbelmarkt dramatisch. Prozentzahlen von 30% und mehr werden hier häufig genannt. Der Privatwohnbereich blieb davon größtenteils unberührt. Denn während Firmen kein freies Kapital zur Verfügung stand um Büromöbel zu kaufen, investierten Privatpersonen eher in hochwertige Objekte wie Designermöbel als die Ersparnisse bei einer Bank anzulegen.

Einen Eames Lounge Chair wird es zum Beispiel noch in 30 Jahren geben. Aber eine Bank?

Glücklicherweise hat die Eurokrise bisher keinen nennenwerten Einfluss auf den Büromöbelmarkt, der sich 2010 und 2011 gut erholt hat. Das "Vor-Lehmann"-Niveau ist zwar noch nicht wieder erreicht, aber die Indizien geben Grund zur Hoffnung und die meisten Hersteller, mit denen wir gesprochen haben, gehen die Orgatec 2012 viel optimistischer an als die Orgatec 2010.

Aber wie sieht es mit dem Wohnmöbelmarkt aus? Wie wird der mit der Eurokrise fertig?

Zum Glück kennen wir Leute, die solche Fragen beantworten können. Zumindest für den deutschen Markt.

Zur Ausstellungseröffnung von Album in der Vitra Design Museum Gallery haben wir uns mit dem CEO von Vitra Deutschland, Rudolf Pütz unterhalten. Bevor wir zu Themen wie der IMM Cologne oder möglichen Wachstumspotentialen übergingen, haben wir ihn gefragt wie zuversichtlich er ist, dass der Inneneinrichtungs-Sektor unberührt von der Eurokrise bleibt...

Rudolf Pütz: Der Markt für Inneneinrichtung hängt von Faktoren wie der Binnenkonjunktur oder den Arbeitslosenzahlen ab und aktuell liegen beide auf einem normalen Level in Deutschland - trotz der gegenteiligen Berichte in den Medien. Ich spreche regelmäßig mit unseren Händlern und die Stimmung ist dort, was die Wirtschaftslage betrifft, sehr gut. Aber man sollte natürlich nicht vergessen, dass sich Deutschland nicht vom Rest der Welt abkoppeln lässt. Wenn es anderen Ländern wirtschaftlich schlecht ergeht, dann wird sich das letztlich auch auf die Exportnation Deutschland auswirken. Insgesamt kann man sagen, dass die Dinge zurzeit gut laufen, wir aber vorsichtig sein müssen.

(smow)blog: Mit Blick auf die Zukunft, wo sehen Sie Wachstumspotential?

Rudolf Pütz: In den letzten Jahren hat Vitra im Vergleich zu den allgemeinen Marktentwicklungen sehr gut abgeschnitten. Ich denke, dass man als innovatives Unternehmen mit neuen Ideen immer die Möglichkeit hat zu wachsen, unabhängig von der Marktsituation. Speziell im Officebereich erleben wir gerade, dass viele große Unternehmen den Schritt von der konventionellen Bürostruktur hin zu modernen Bürowelten gehen wollen. Diese Entwicklung ist einerseits als Antwort auf die Veränderungen der Arbeitsbedingungen durch neue Technologien und flexiblere, mobile Arbeitsansätze zu verstehen. Auf der anderen Seite stehen der Fachkräftemangel und die daraus resultierende Anforderung an Unternehmen, ein attraktiver Arbeitgeber zu sein – denn nur so können die besten Mitarbeiter rekrutiert werden. Möbelhersteller, die mit innovativen Konzepten den Anforderungen eines modernen, mobilen Arbeitsplatzes gerecht werden können, haben gute Chancen auf Wachstum.

(smow)blog: Neue Büromöbelkonzepte ist eine gute Überleitung. Eines der Highlights 2012 für Vitra ist bestimmt die Orgatec im Oktober. 2006 stellte Vitra dort das Net'n'Nest vor, 2010 das Citizen Office. Können wir dieses Jahr mit weiteren Innovationen rechnen?

Rudolf Pütz: Das Citizen Office basiert auf folgender Haltung: Ich habe ein Büro mit Mitarbeitern, die Verantwortung für ihre Arbeit übernehmen und selbst entscheiden, welche Form und welcher Ort für ihre jeweilige Tätigkeit am besten geeignet ist. Net'n'Nest ist eine Komponente des Citizen Office und beschreibt die Verbindung von vernetzter Arbeit und Rückzug. Wenn man genau hinsieht, erkennt man, dass der Arbeitsplatz als solches nach wie vor existiert, dass er sich aber durch die neue Technologie, die wir heute nutzen, zunehmend von einem festen Arbeitsplatz wegentwickelt. Die Peripherie um den Arbeitsplatz herum gewinnt dadurch zunehmend an Bedeutung. Dies ist ein Ansatz, den wir ständig weiterentwickeln und dann auch auf der Orgatec präsentieren werden.

(smow)blog: Wir können nicht über die Orgatec sprechen, ohne nach Kölns Möbelmesse IMM zu fragen. Vitra fällt dort zurzeit besonders durch Abwesenheit auf. Ist die IMM noch interessant für Vitra oder haben Sie das Event bereits abgeschrieben?

Rudolf Pütz: Nein, ganz und gar nicht. Die Möbelmesse hat einen wichtigen Stellenwert für Deutschland und die Bundesrepublik an sich ist ein interessanter Markt. Auf der IMM sind die relevanten Kundengruppen vertreten und es spricht in kommerzieller Hinsicht viel dafür dort präsent zu sein. Im Februar 2010 hat das VitraHaus geöffnet und wir haben uns damals entschieden, all unsere Ressourcen darauf zu verwenden und unsere gesamte Energie in dieses neue Projekt zu stecken. Das VitraHaus ist mittlerweile ein Publikumsmagnet und nun ist auch die IMM wieder etwas, was eine Option für uns sein kann. Ich habe die Messe in diesem Jahr für zwei Tage besucht. Die Stimmung unter den Ausstellern war sehr gut und man konnte sehen, wie sich das Event in den letzten Jahren zum positiven entwickelt. Eine Rückkehr von Vitra zur IMM ist definitiv etwas, was wir in Betracht ziehen.

(smow)blog: Und noch kurz zum Schluss: Die Bouroullec Ausstellung "Album" wird heute in der Vitra Design Museum Gallery eröffnet. Wie wichtig sind Designer wie Ronan und Erwan Bouroullec für Vitra?

Rudolf Pütz: Als Unternehmen arbeiten wir mit kreativen Köpfen zusammen, die nicht nur Produkte entwickeln, die funktional sind, sondern auch ihre individuelle Prägung in ihren Arbeiten zum Ausdruck bringen. Daher sprechen wir auch von Autoren. Aus solchen Zusammenarbeiten entstehen Produkte, wie das Tischsystem Joyn oder die Alcove Sofas, was nicht nur ein Sofa, sondern eine neue Kategorie von Sofa ist. Die Bouroullecs sind zwei sehr kreative Designer die auf äußerst konzeptionelle Weise denken. Das ist etwas, was wir sehr schätzen und was gut zu Vitra passt.

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