Am Montag, den 16. Januar, öffnet die IMM Cologne, Deutschlands größte Möbelmesse, ihre Tore.
In den kommenden Tagen werden wir aus diesem Anlass einige Interviews, Berichte und Rückblicke vom Rhein bloggen. Außerdem dachten wir, dass es auch ganz nett wäre, einmal zu sehen, wie es vor 50 Jahren um die IMM stand. Denn zum einen finden wir es ziemlich interessant zu sehen, was die Möbelindustrie generell um 1962 so getrieben hat, und zum anderen hoffen wir, so die Rolle der IMM etwas besser in der Möbelgeschichte verorten zu können.
Die "Internationale Möbel Messe Köln" startet 1949 und war zunächst ein zweimal jährlich stattfindendes Event. Dieses Konzept gefällt uns nicht nur wirklich gut, sondern erinnert uns auch an die guten alten Zeiten, als Möbelhersteller nicht alle paar Minuten ein neues Produkt auf den Markt warfen. In diesem Sinne hat die Industriezeitung "Möbel Kultur" in ihrer Vorschau auf die Kölner Messe von 1962 auch von einer "...schöpferischen Pause..." seit 1960 gesprochen. Und das bedeutet eine ganz und gar positive "Möglichkeit die Produkte zu reflektieren und verbessern".
Ist das nicht genau das, was Nils Holger Moormann meinte, als er sagte "Möbel brauchen Zeit. Sie müssen präszisiert und perfektioniert werden."?
Ausgehend von der Ausstellerliste wurde die Möbelindustrie 1962 noch von Holzprodukten aus Schreinereien kleinerer und mittlerer Größe dominiert. Doch die Lage begann sich langsam zu verändern. So gab es damals zum Beispiel eine kontroverse Debatte über die Verwendung neuartiger Kunststoffe für Oberflächen, wie den von Küchen.
In den Jahren unmittelbar nach dem Krieg bestanden die grundlegenden Anforderungen in Europa an Möbel in erster Linie darin einfach und billig zu sein, sodass zumindest eine Grundausstattung aller Wohnungen gewährleistet war.
Zur Situation der Möbelindustrie dieser Zeit gibt es mehr in unserem Post "Design for Use, USA".
In den Besprechungen zur Kölner Möbelmesse bis 1962 behauptete die Möbel Kultur noch, dass die Deutschen - besonders jene, die aus Preußen geflohen waren - trotz der vorwärtsgewandten Bestrebungen der Veranstalter nach massiven, altmodischen Möbeln suchten, die sie an das Leben vor dem Krieg erinnerten. Und so kam es, dass sich der sogenannte "Gelsenkirchener Barock" mit seinen opulenten, schweren Möbeln aus Tropenholz im Deutschland der 1950er größter Beliebtheit erfreute.
Aber nachdem diese Generation älter wurde und nicht länger eine so wichtige Käufergruppe war, verschwand auch ihr Einfluss auf das Angebot am Möbelmarkt. Köln 62 zeigt, dass dieser Generationswechsel bereits voll im Gange gewesen ist; die Berichterstattungen verweisen regelmäßig auf die moderne "gute Form", bei der wir heute wahrscheinlich von Designermöbeln sprechen würden.
Gleichzeitig gibt es aber auch Anzeichen, dass die Möbelindustrie und die Kölner Messe auf dem besten Weg waren dieses Schiff in die Zukunft segeln zu lassen, ohne selbst an Bord zu gehen.
Karlheinz Krug unterteilt in einem Artikel in der "Form" die Möbelhersteller von Köln 62 in drei Gruppen: Da gibt es jene, die mit kompetenten Designern arbeiten, um individuelle und innovative Produkte zu schaffen, dann gibt es jene, die Grundlagen von Designermöbeln kopieren und daraus billige Möbel produzieren und jene, die Altbekanntes neu auflegen.
Daneben moniert Herr Krug die Abwesenheit einiger wichtiger Hersteller. Insbesondere die, welche durch ihren designorientierten Ansatz zu den schimmernden Sternen der modernen Möbelindustrie zu zählen waren, fehlen ihm. Er nennt Knoll International und Wilkhahn, die fünfzig Jahre später noch immer nicht auf der Ausstellerliste stehen - genau wie die großen Hersteller Moormann, Magis, Freedom of Creation und Vitra. Letzter präsentierte sich 1962 ironischerweise als kleines Unternehmen, das seine ersten, zögernden Schritte auf dem globalen Geschäftsparkett unternimmt. Heute ist die Marke Vitra so etabliert, dass sie sicher auf keine Messe, wie die IMM, mehr angewiesen ist.
Das führt uns zu einem großen Problem der IMM: Der Fokus bei den Ausstellern liegt zu sehr auf Karlheinz Krugs Gruppe 2 und nicht auf denen der Gruppe 1.
Schließlich wurden hauptsächlich Möbel für Kunden angeboten, die bei ihrer Wohnzimmereinrichtung die Vertrautheit des Gelsenkirchener Barocks suchten. Kunden also, die durchaus bereit sind viel zu viel für etwas zu zahlen, das sie mit einem bestimmten Status assoziieren, weil es einem bestimmten Stil-, Trend- oder Luxus-Gedanken nahekommt... viel mehr bereit als vom Markt wirkliche Qualität zu einem angemessenen Preis zu fordern. Und das obwohl Herr Ordnung 1962 bereits postulierte, der Gelsenkirchener Barock liege in seinen letzten Atemzügen.
Wir werden nicht müde zu versuchen die Organisatoren zu überzeugen, ihr Format zu ändern und mehr innovative high-end Designs aufzunehmen. Aber wir müssen auch akzeptieren, dass die IMM eine kommerzielle Messe ist und in erster Linie nach ökonomischen Gesichtspunkten beurteilt werden muss.
Die Kölner Möbelmesse zählte 1962 ungefähr 65.400 Besucher - fast 90% davon aus Deutschland; Produkte von 868 Herstellern wurden ausgestellt, die zu zwei Dritteln deutscher und einem Drittel internationaler Herkunft waren. Diese Zahlen zeigen nicht nur, dass es sich dabei um ein gelungenes Event handelte, sondern dass sich die IMM erfolgreich von einer einfachen regionalen Sache in eine wichtige überregionale Messe verwandelt hat.
Solche Statistiken sagen selbstverständlich nichts über die Qualität der Waren aus, die damals oder heute angeboten wurden oder werden. Damit wollen wir also auch gar nicht anfangen. Das ist ein Thema für einen anderen Post...
Man könnte aber mal - wenn wir schon bei den Zahlen sind - die Zahlen von Mailand ansehen: 12.000 Besucher und 328 Hersteller bei der ersten Messe 1961; 320.000 Besucher und 1283 Hersteller bei der Messe 2011. Doch auch das ist ein Thema für einen anderen Post...
Geht man die Berichte und Besprechungen der IMM 1962 durch - und das können wir durchaus empfehlen - fällt eine bestimmte Kontinuität der Begrifflichkeiten, Themen und Meinungen auf. Wir haben viele Besucher von damals gefunden, die Dinge kritisieren oder bejubeln, die unsere Erfahrungen und Meinungen von heute spiegeln. Da sieht man, dass bei so einer Messe nicht nur die Möbel in regelmäßigen Intervallen wiederkehren. In dieser Hinsicht gab es eine Sache, die uns besonders ins Auge stach: der deutliche Trend von 1962 zu hellen, natürlichen Holzfarben...