Nach unserem Interview mit Nikolas Kerl - einem Designer/Hersteller am Beginn seiner Karriere, haben wir unsere Erkundungstour der Schweizer Designszene mit einem Hersteller fortgesetzt, der etwas mehr Erfahrungen hat.
Röthlsberger Kollektion war ursprünglich eine Familienschreinerei und produziert seit den späten 1970ern in Zusammenarbeiten mit Schweizer Designern, wie Trix und Robert Haussmann, Susi und Ueli Berger oder Hans Eichenberger. Auch heute noch arbeitet das Unternehmen eng mit jungen Schweizer Talenten, wie Atelier Oi oder Hanspeter Steiger, zusammen. Aber nicht nur mit Schweizer Talenten - Röthlisberger kann ebenso auf eine lange Tradition mit jungen, internationalen Designer zurückblicken. So zum Beispiel mit dem Australier Tomek Archer und dem in London lebenden japanischen Designer Tomoko Azumi.
Unabhängig von der Nationalität der Designer aber bleibt die Rötlisberger Kollektion der typisch schweizerischen Möbelherstellung treu: Produkte aus Holz werden von geübten Handwerkern hergestellt. Damit hängt auch ein Qualitätsstandard zusammen, der selbstverständlich seinen Preis hat. Besonders wenn die Waren erst einmal die Schweiz verlassen.
Darauf hat uns auch schon Nikolas Kerl hingewiesen. Wo aber Nikolas noch versucht, sich als Marke auf dem Markt zu etablieren, verfügt die Röthlisberger Kollektion längst über ein internationales Kundennetzwerk - und reagiert so auch viel sensibler auf Schwankungen am globalen Finanzmarkt.
Das war nun ein sehr langer Weg, um zu sagen, dass Röthlisberger ganz wunderbar traditionelle Schweizer Handarbeit mit einem globalen Verständnis von Design und der modernen Desigermöbelindustrie verbindet. Grund genug einmal mit Unternehmenschef Jürg Scheidegger zu sprechen.
Das Interview in Zürich war natürlich nicht unsere erste Unterhaltung mit Jürg, er war einer der Hauptdarsteller in unseren frühen Video-Interview-Experimenten in Mailand 2010.
In Zürich waren wir aber viel gespannter darauf zu hören, wie er den Schweizer Designermöbelmarkt zurzeit bewertet und welche Probleme der starke Schweizer Franken auslöst.
(smow)blog: Zum Anfang vielleicht eine kleine Einführung: Was ist der Hintergrund zur "Röthlisberegr Kollektion"?
Jürg Scheidegger: Zwischen 1955 und 1975 hat Röthlisberger Möbel für Knoll International hergestellt. Dann, 1975, verlor Röthlisberger aber über Nacht den Lizenzvertrag, was natürlich einen gewaltigen Umsatzeinbruch bedeutete. Eine Lösung musste her. Der damalige Geschäftsführer hat sich mit seinem Freund, dem Designermöbelhändler Teo Jakob, unterhalten und der riet ihm: „Mach deine eigene Kollektion!“. Das war rückblickend gesehen die Initialzündung für das eigene Label.
(smow)blog: Bedeutet das, dass Röthlisberger von Anfang an mit externen Designern zusammengearbeitet hat?
Jürg Scheidegger: Ja...
(smow)blog: ... und war das zu der Zeit etwas Neues?
Jürg Scheidegger: Ja, damals gab es ja noch viel weniger Marken. Die Italiener waren stark in dieser Hinsicht, aber abgesehen davon war die Szene damals sehr überschaubar.
(smow)blog: Mittlerweile gibt es so viel mehr Marken, was zwangsläufig zu einer Frage führt: Ist überhaupt genug Platz für alle? Wie groß ist der Schweizer Markt zurzeit?
Jürg Scheidegger: Ein Schweizer Designermöbelhändler kann heutzutage wahrscheinlich zwischen 250 und 300 Marken wählen. Also ein paar mehr als bei unseren Anfängen... Ich würde schätzen, dass der Markt für Designermöbel ungefähr 8-10 % des gesamten Schweizer Markts ausmacht. Der Markt in der Schweiz beläuft sich insgesamt auf 3 Milliarden Schweizer Franken, 25 % davon erwirtschaftet Ikea, 25 % Möbel Pfister und weitere 25 % kommen von den paar anderen großen Herstellern und irgendwann bleiben dann noch so 8-10 % für Designmarken übrig. Das schließt aber auch schon USM und Vitra ein – erst dann kommen die kleinen Labels, die wir hier ausgestellt haben.
(smow)blog: Bedeutet das, dass der Exportmarkt besonders wichtig für euch ist?
Jürg Scheidegger: Definitiv. Praktisch jeder braucht diesen ausländischen Markt, um zu überleben.
(smow)blog: Geht es dabei prinzipiell um Europa oder spielen Asien und Amerika auch eine Rolle?
Jürg Scheidegger: Prinzipiell Europa. Wir haben einige gute Kunden außerhalb von Europa, aber als Unternehmen unserer Größe hat man eigentlich nur die Ressourcen, in vier oder fünf Ländern zu agieren und das ist in unserem Fall in Europa.
(smow)blog: Was uns zu einer essentiellen Frage bringt: Wie schwer war es mit dem starken Schweizer Franken durch den Sommer zu kommen?
Jürg Scheidegger: Das war nicht nur schwierig, das war eine Katastrophe. Weil das alles so schnell ging, haben wir eine Zeit lang nichts verdient. Unsere Preisliste war schließlich gedruckt und bis wir reagieren konnten, waren zwei Monate vergangen. Mittlerweile haben wir unsere Preisliste korrigiert, aber wir verkaufen weniger, weil wir die Preise um 20 % anheben mussten, um uns an den Kurs anzupassen. Das ist etwas, was man den Kunden nicht so leicht erklären kann. Generell glaube ich, dass wenn z.B. deutsche Händler eine Schweizer Kollektion sehen, sehen sie zuerst ein Warnschild „Achtung teuer!“ aufblitzen, bevor sie überlegen, dass es sich auch um gute Qualität von hohem Wert handelt, was man da für das Geld bekommt.
(smow)blog: Aber ihr seid guter Dinge, dass sich das ändern wird?
Jürg Scheidegger: Wir können nur hoffen, dass sich der Eurokurs wieder normalisiert – auf irgendwas bei 1,30 oder 1,40, sodass wir Schweizer wieder konkurrenzfähig sind. Wenn das nicht passiert, müssen wir uns anstrengen schneller und besser zu arbeiten, um den Unterschied auf diesem Wege zu kompensieren. Aber zurzeit ist es sehr hart.